Fruchtfliege
Fruchtfliege
© Flickr, John Tann, CC BY

Biologie

Forscher lesen die Gedanken von Fliegen

Die Verschaltungen in Gehirnen sind äußerst komplex und lassen sich an Versuchstieren nur sehr bedingt beobachten. Neurobiologen der Northwestern University in den USA haben jetzt eine Methode gefunden, wie sie bei Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) rückwirkend Einblicke in die Synapsenaktivität gewinnen können. “Unsere Technik gibt uns die Möglichkeit, zu sehen, welche Synapsen miteinander kommuniziert haben, während ein gewisses Verhalten oder eine bestimmte sensorische Erfahrung aufgetreten ist. Unsere Methode ermöglicht es erstmals, einzelne Synapsen anhand ihrer Aktivität in verschiedenen Farben zu markieren”, sagt der Studienleiter Marco Gallio gegenüber der futurezone.

Marco Gallio
So kann etwa aufgezeichnet werden, welche Synapsen feuern, wenn eine Fliege eine Banane riecht. Das funktioniert, indem die Forscher ein fluoreszierendes Protein, das in manchen Quallenarten vorkommt, als Marker einsetzen. Das Eiweiß wird in zwei Teile gespalten und auf die beiden Seiten einer Synapse verteilt. Wenn die Synapse feuert, leuchtet das Protein auf. Das Leuchtsignal bleibt zudem etwa eine Stunde lang bestehen.

Bunte Farben

So können die Forscher Experimente mit den Fruchtfliegen durchführen und deren Gehirne danach unter dem Mikroskop untersuchen, um festzustellen, welche Schaltungen aktiv waren. “Das Fliegenhirn besteht aus nur 100.000 Neuronen, was es zu einem exzellenten Modell macht, um Schaltkreise im Gehirn zu studieren. In unseren Experimenten haben wir zwischen fünf und 100 Neuronen auf einmal beobachtet”, erklärt Gallio.

Die US-Wissenschaftler haben sich bisher auf drei Hirnareale spezialisiert, die für die Verarbeitung bestimmter Sinneswahrnehmungen verantwortlich sind: Sehen, Geruch und Temperaturempfinden. “Hier können wir mit robusten Reizen arbeiten, die leicht zu kontrollieren sind. Wir kennen die beteiligten Neuronen gut und wissen, welche Reaktionen wir erwarten können”, sagt Gallio.

Aktive Synapsen bei verschiedenen Temperaturen
Durch den Einsatz verschiedener Varianten der fluoreszierenden Proteine können Markierungen in drei verschiedenen Farben vorgenommen werden, um komplexe Schaltmuster besser voneinander trennen zu können. Im Labor haben die Forscher Fliegen für mindestens zehn Minuten Hitze oder Kälte ausgesetzt, und die Synapsenaktivität danach analysiert. Das hinterließ spezifische, wiedererkennbare Muster in den für Temperaturempfinden verantwortlichen Arealen der Gehirne.

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So können die Forscher allein anhand der Schaltmuster erkennen, ob eine Fliege Kälte oder Hitze ausgesetzt war. Mit derselben Herangehensweise können die Wissenschaftler auch herausfinden, ob eine Fliege eine Banane gerochen hat oder nicht. Die Forscher können sogar unterscheiden, was eine Fliege genau gerochen hat. “Äpfel und Bananen sind sich unter Umständen zu ähnlich, aber mit weiter auseinanderliegenden Gerüchen - etwa Bananen und Jasmin - ist das kein Problem”, sagt Gallio. Die nächsten Versuche sollen zeigen, wie Gehirne einen Schaltkreis umbilden, wenn sie etwas Neues lernen. Die Technik ließe sich laut Gallio auch für die Untersuchung höherer kognitiver Funktionen nutzen. “In Fliegen ist das allerdings relativ schwer”, sagt der Forscher lachend.

Längerfristig erhoffen sich die Wissenschaftler durch diese Technik besser zu verstehen, wie Schaltkreise im Gehirn Informationen verarbeiten. Bald soll die Methode auch an Zebrafischen erprobt werden. Das gewonnene Wissen sollte sich laut Gallio auch auf menschliche Hirne übertragen lassen.

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Markus Keßler

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