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Science

Google will Quantenüberlegenheit nachgewiesen haben

Ein Forscherteam von Google will die Überlegenheit von Quantencomputern gegenüber den schnellsten klassischen Computern nachgewiesen und damit das Rennen für die sogenannte „quantum supremacy“ für sich entschieden haben. Wie das Fachjournal „Nature“ berichtet, brauchte das Quantensystem für die Berechnung einer Aufgabe 200 Sekunden, für die ein klassischer Computer etwa 10.000 Jahre benötigt hätte. Bereits zuvor war ein entsprechender Bericht kurzzeitig online.

Weltweit arbeiten Wissenschafter an verschiedenen Lösungen zur Realisierung von Quantencomputern. Ziel ist es, mit Hilfe quantenphysikalischer Phänomene bestimmte Rechenaufgaben exponentiell schneller als herkömmliche Computer zu lösen. John Martinis vom Google AI Quantum-Team und Kollegen berichten nun in „Nature“, diese „ Quantenüberlegenheit“ erreicht zu haben.

Sie fertigten dazu einen Prozessor mit 54 Quantenbits an. Diese basieren auf supraleitenden Schaltkreisen, die Phänomene wie Quantenüberlagerung und -verschränkung nutzen, um einen exponentiell größeren Rechenraum zu bearbeiten, als es mit klassischen Bits möglich ist. Dieses Bit im herkömmlichen Computer kann exakt zwei Zustände einnehmen (0 oder 1). Ein aus einem Quantensystem gebildetes Qubit kann dagegen auch beide Zustände gleichzeitig annehmen.

Sycamore

In dem „Sycamore“ genannten Chip funktionierte ein Qubit nicht richtig, so dass das System mit 53 Qubits lief. Die Wissenschafter entwickelten zudem die - aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Qubits gegenüber Umwelteinflüssen - notwendigen Fehlerkorrekturprozesse, um eine hohe Betriebssicherheit zu gewährleisten.

Für den Test wurden auf dem Quantenprozessor basierend auf Zufallszahlen verschiedene Quantenschaltungen erzeugt und sehr häufig wiederholt. Für die Berechnung von einer Million Beispielen solcher Quantenschaltungen benötigte der Quantenprozessor etwa 200 Sekunden, während hochmoderne Supercomputer dafür 10.000 Jahre gebraucht hätten, schreiben die Wissenschafter.

In einem begleitenden Kommentar in „Nature“ beschreibt William Oliver vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Arbeit als „bemerkenswerte Leistung“. Bevor Quantencomputer zur praktischen Realität werden und nachhaltige, fehlertolerante Operationen durchführen können, müsse aber noch mehr Arbeit geleistet werden. International gab es bereits in den vergangenen Wochen immer wieder Berichte über die Arbeit, nachdem kurzfristig ein Artikel darüber auf der Nasa-Homepage erschienen war.

"Fragwürdiger" Hype

Auch für den Experimentalphysiker Rainer Blatt von der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist die Arbeit „sicher ein Meilenstein“ im Quantencomputing-Bereich. Aus seiner Sicht haften dem aber ein paar Schönheitsfehler an, wie er im Gespräch mit der APA erklärte: „Die Statements drum herum und den 'Hype' halte ich für mindestens fragwürdig.“

Dass ein herkömmlicher Supercomputer für diese Aufgabe - wie behauptet - rund 10.000 Jahre benötigen würde, „halte ich für völlig übertrieben“, sagte Blatt. Eine Gruppe von Forschern des IBM-Konzerns zeigt etwa in einer kürzlich auf dem Preprint-Server „arXiv“ hochgeladenen Arbeit, dass das mit einer anderen Programmierung auch in rund zweieinhalb Tagen möglich wäre.

„Begriff“

Insgesamt ist Blatt auch nicht glücklich mit dem in diesem Fall prominent angeführten Begriff der „Quantenüberlegenheit“, auch weil das im Englischen semantisch nahe an der Wortwahl rassistischer Gruppen sei und eine umfassende Überlegenheit des Ansatzes suggeriere. Der Experimentalphysiker spricht hingegen lieber von „Quantenvorteil“ (quantum advantage). Auch weil dieser Begriff etwa medialen Übertreibungen ein wenig Vorschub leiste.

Die Arbeit des Google-Teams zeige auf jeden Fall, dass man mit dem Ansatz „wirklich komplizierte Dinge machen kann“. Die hier gezielt ausgesuchte Aufgabe „hat aber keine Anwendung in irgendeiner Weise“ und sei daher nicht unbedingt „zielführend“. Man dürfe auch nicht vergessen, dass dahinter Firmen stehen, die auch Marketinginteressen verfolgen.

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