3D-Bild einer Krebszelle.

Werden aus normalen Zellen im Körper wuchernde Tumorzellen, entsteht Krebs.

© Getty Images/iStockphoto/Dr_Microbe/IStockphoto.com

Science

Für jedes Immunsystem die passende Krebstherapie

Jedes Jahr erkranken mehr als 40.000 Österreicher*innen an Krebs. Dank einer verbesserten Vorsorge und großer Fortschritte in der Medizin haben sich die Überlebenschancen der Betroffenen in den vergangenen Jahren aber enorm erhöht. Laut Statistik Austria lebten im Jahr 2020 etwa 375.000 Österreicher*innen mit einer Krebsdiagnose - die Hälfte davon seit bereits 10 Jahren.

Als besonders erfolgreich im Kampf gegen Krebs hat sich im vergangenen Jahrzehnt die Immuntherapie herausgestellt. Sie nutzt das körpereigene Immunsystem, um Tumorzellen gezielt anzugreifen. Spezielle Wirkstoffe können diese Abwehrmechanismen noch weiter verstärken.

Neben einer deutlichen Steigerungen der Überlebensraten bringt die Immuntherapie auch eine bessere Lebensqualität, betont Matthias Preusser, Forscher an der Medizinischen Universität Wien und Leiter des Christian Doppler Labors für Personalisierte Immuntherapie.

Unterschiedliche Wirksamkeit

Welche Patient*innen auf die Immuntherapie ansprechen und welche nicht, ist allerdings unklar. „Wie der Krebs funktioniert und wie das Immunsystem funktioniert, ist eine riesengroße Komplexität. Das Immunsystem ist bei jedem Menschen anders und wird durch Botenstoffe sehr dynamisch reguliert. Krebs ist auch dynamisch und bei jedem Menschen anders“, sagt der Forscher der futurezone.

Um die Hintergründe für die unterschiedliche Wirksamkeit der Immuntherapie zu entschlüsseln, untersucht Preusser daher, wie ein Tumor und das individuelle Immunsystem interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Dafür braucht es aber eine Vielzahl an unterschiedlichen Daten.

„Wir sind in der günstigen Situation, dass das CD-Labor in der MedUni Wien eingebettet ist. An der Klinischen Abteilung für Onkologie haben wir sehr viele Patient*innen und dadurch die Möglichkeit, Biomaterial wie Blut- und Tumorgewebeproben oder Bilddaten wie radiologische, MRT- und CT-Bilder sowie weitere Daten, die im Rahmen der klinischen Routine erhoben werden, zu sammeln“, so der Forscher.

Gene „ein- und ausknipsen“

Das Biomaterial wird nach unterschiedlichen Gesichtspunkten untersucht. „Von mehr als 1.000 Patient*innen, die die Therapie erhalten haben, haben wir Tumorgewebeproben und Blutproben im Krankheitsverlauf gesammelt und sie auf unterschiedliche Faktoren analysiert, sagt der Fachmann. Diese werden im Anschluss mit den Bilddaten korreliert.

Matthias Preusser, Leiter des CD-Labors für Personalisierte Immuntherapie

Im Fokus der Forschung steht die sogenannte DNA-Methylierung. Dabei werden Grundbausteine der Erbsubstanz einer Zelle chemisch abgeändert und die verschiedenen Gene aktiviert oder deaktiviert. „Das kann man sich vorstellen wie Lichtschalter, die Gene an- und ausknipsen. Mit modernen Methoden können wir in einer einzigen Untersuchung große Teile der Erbsubstanz anschauen, und sehen, welche Lichtschalter an und welche aus sind. Aus diesem Muster aus an- und abgeschalteten Lichtschaltern glauben wir, Aussagen über das Ansprechen eines Tumors auf die Immuntherapie treffen zu können“, erklärt der Forscher.

In einer Untersuchung konnten 850.000 Gene bei einem einzelnen Tumor auf ihre Methylierungsmuster untersucht werden. Mit jedem weiteren Tumor und Patient*in häuft sich eine große Datenmenge für gute Aussagen über das Ansprechen auf die Therapie an.

Proben aus Biobanken

Die Blut- und Gewebeproben haben Preusser und sein Team in den ersten 2 Jahren des CD-Labors in eine Biobank gespeist. Ziel ist es, einen umfassenden Biomarker bereitstellen zu können. Biomarker sind biologisch messbare Einheiten wie Enzyme oder Gene, die ein individuelles potenzielles Ansprechen auf eine Therapie ermöglichen.

„Wir glauben nicht, dass wir durch einen einzelnen Biomarker sehr gut vorhersagen können, wie gut eine Therapie wirken wird. Denn das wäre nur ein Aspekt in dieser komplexen Interaktion zwischen Krebs und Immunsystem. Wir wollen daher einen sogenannten 360-Grad-Biomarker bereitstellen, in den verschiedene Daten des Tumors, der Immunzellen und der Patient*innen selbst einfließen, also etwa ihr Ernährungszustand oder ihr Fitness-Level“, so Preusser.

Maschinelles Lernen für schnelle Analysen

Um sich in diesem Datendschungel zurechtzufinden, soll auch Maschinelles Lernen (ML) zum Einsatz kommen. Damit sollen etwa Radiologie-Bilder der Patient*innen analysiert und mit den Ergebnissen der Gewebeuntersuchungen in Zusammenhang gebracht werden. „Unser Ziel ist es, Algorithmen mit so vielen Daten zu füttern, sodass Machine-Learning-Modelle uns anhand dieser ausspucken können, wie hoch oder niedrig das Ansprechen eines Patienten auf die Immuntherapie ist“, sagt er.

Mit den gewonnenen Erkenntnissen sollen in weiterer Folge entsprechende immunmodulierende Wirkstoffe für Tumorerkrankungen entwickelt werden, die bereits Metastasen ausgebildet haben. „Wir freuen uns, dass es dieses Förderprogramm der Christian Doppler Gesellschaft gibt, das eine nachhaltige und patientennahe Grundlagenforschung ermöglicht“, so Preusser. Unternehmenspartner des CD-Labors ist der Pharmakonzern Roche.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit der Christian Doppler Forschungsgesellschaft (CDG).

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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