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Bakterien fressen Metallschrott und machen Bergbau grüner

Ausgehungerte Bakterien fressen innerhalb von Tagen nicht-recyclebaren Metallschrott. Zurück bleibt nur eine Flüssigkeit, die grünen Bergbau ermöglicht. Klingt fast zu gut, um wahr zu sein? Auch bei den Expert*innen scheiden sich hier die Meinungen über den Anwendungsbereich und die Effizienz.

Chile ist der weltweit größte Produzent und Exporteur von Kupfer. Es trägt mehr als 10 Prozent zum BIP der lateinamerikanischen Nation bei. Der Abbau belastet jedoch die Umwelt, da die Metallabfälle ein großes Problem darstellen. Diese werden nämlich in der Atacama-Wüste entsorgt, wo auch die Bergbauindustrie der Nation angesiedelt ist.

Die chilenische Forscherin Nadac Reales will eine mögliche Lösung gefunden haben: Extremophile Bakterien, die eine vergleichsweise schnelle biologische Laugung ermöglichen sollen. Reales hofft mit ihnen die Metalabfälle zu reduzieren, die die Landschaft in Bergbaugebieten verschmutzen.

Schnelles und nachhaltiges Verfahren

Für ihr Vorhaben hat die 33-Jährige diese eisenoxidierenden Leptospirillum-Bakterien von Geysiren beim Vulkan „El Tatio“, 350 Kilometer über dem Meeresspiegel, extrahiert. Die Bakterien leben in einer sauren Umgebung, die von relativ hohen Konzentrationen der meisten Metalle praktisch nicht beeinträchtigt werden, erklärt Nadales gegenüber der französischen Presseagentur AFP.

Diese Bakterien sollen im Labor „ausgehungert“ worden sein. Nach 2-jähriger Forschung sei es mit den Bakterien gelungen, einen Nagel innerhalb von 3 Tagen durch biologische Laugung zersetzen zu lassen, heißt es.

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Die chilenische Biotechnologin, Nadac Reales, zeigt einen Nagel und eine Schraube in einem Behälter mit den "metallfressenden" Bakterien

Zu schnell um wahr zu sein

Klemens Kremser von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien macht die Geschwindigkeit mit der die Bakterien arbeiten sollen, „stutzig“. Er befasst sich auch mit der biologischen Laugung von metallhaltigen Abfallstoffen mit Hilfe von Eisen- und Schwefel-oxidierenden Bakterien. „Grundsätzlich funktioniert der Prozess. Der angegebene Zeitraum von 3 Tagen hat mich aber verwundert“, sagt er im futurezone-Interview.

Zudem ist „aushungern“ für Kremser bei diesem Prozess kein logischer Begriff. „Leptospirillum gehört zur Familie der eisenoxidierenden Bakterien und diese brauchen Eisen, um zu wachsen“, sagt er. Was seiner Ansicht nach vorstellbar wäre, sei der Prozess der Adaptierung, den er auch bei seiner Forschung verwendet.

Dabei sollen sich Bakterien über einen gewissen Zeitraum an ein Substrat oder einen Stoff anpassen können z. B. eine hohe Eisenkonzentration. „Durch eine Adaptierung können Prozesse beschleunigt werden. Die Bakterien könnten dadurch schneller und effizienter werden.“

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Reales inspiziert einen unbrauchbaren Muldenkipper in Antofagasta, Chile.

Kremser selbst arbeitet mit unterschiedlichen Abfallstoffen. Er würde es aber nicht als eine Universallösung einstufen. Eisen sei recyclebar und Lkw-Mulden in Europa zumindest auch. „Ich glaube nicht, dass das unbedingt mit Bakterien gemacht werden müsste,“ sagt Kremser. Für sinnvoller hält er es bei Abfällen aus den Kupferminen, kleineren Schrotthaufen oder Metallgemische, die man sonst nicht trennen kann.

Umweltfreundlichere Kupfergewinnung

Nach diesem „Fress“-Prozess soll eine rötliche Flüssigkeit namens Lixiviant übrig bleiben. Diesen Rückstand möchte Reales statt Chemikalien verwenden, um Kupfer auf nachhaltigere Weise aus dem Gestein zu gewinnen. In Chile wird zwar bereits mit biologischer Laugung gearbeitet, bisher aber nur bei Kupfererz mit niedrigem Kupfergehalt.

Dabei werden Halden mit dem Erz aufgeschüttet und anschließend eine Lösung, bestehend aus Bakterien und Nährstoffen, darüber gepumpt. Somit kann das restliche Kupfer auch noch „rausgelaugt“ werden. Für den Großteil der Kupfergewinnung wird aber nach wie vor auf Chemie gesetzt.

Klemens Kremser beim Versuchsaufbau zur biologischen Laugung von Abfallstoffen im Labormaßstab

Reales nach ist grüner Bergbau „absolut machbar“. Auch Kremser sieht Vorteile bei der Verwendung einer solch biologischen Laugung: „Der Prozess ist umweltfreundlicher, weniger harsch und man braucht nur wenig Säure.“ Das sei außerdem weniger gefährlich und kostengünstiger. „Lixiviant besteht nach der biologischen Oxidation aus einer hochkonzentrierten Eisen-Lösung, welche den Prozess beschleunigen kann,“ sagt Kremser. Doch einen Haken gibt es: es sei immer noch langsamer als der Prozess bei Einsatz konzentrierter Säure.

„Metalle sind keine erneuerbaren Ressourcen“

Bergbauunternehmen haben Interesse an der Forschung von Rudanac Biotec, der Firma von Reales, gezeigt. Es benötigt Investitionen, um die nächste Phase der Versuche zu starten. Diese sollen zeigen, ob größere Gegenstände als Nägel „gefressen“ werden können. Reales hat vor kurzem ein internationales Patent für ihre Technologie beantragt.

An der BOKU arbeitet Kremser an der Gewinnung von Metallen aus der Asche und Schlacke der Müllverbrennung. Für die gibt es eigentlich keine Verwendung. Sie werden deponiert oder im Straßenbau verwendet, aber nur wenn die Konzentration an Schwermetallen nicht zu hoch ist, erklärt Kremser. „Metalle sind keine erneuerbaren Ressourcen. Wissenschaftlichen Arbeiten nach, wird die Produktionskapazität zurückgehen,“ erklärt Kremser. Der Bedarf sei hoch, aber das natürliche Vorkommen limitiert.

Unterschiedliche Asche- und Schlacke-Proben nach der Müllverbrennung und metallurgischen Prozessen. Die darin enthaltenen Metalle werden mit Hilfe der biologischen Laugung rückgewonnen und vor der Entsorgung gerettet

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Armin Nadjafkhani

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Redakteur bei der futurezone seit Oktober 2021 Interessiere mich für Wissenschaft, Technologie und Medien, aber auch für Hiphop und Filmwerke.

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