Mit dem Smartphone auf der Pirsch
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Österreich verfügt über den zweitgrößten Waldanteil in Europa, in dem laut dem Dachverband „Jagd Österreich“ 45.000 Tierarten beheimatet sind. Für die Herstellung eines harmonischen Verhältnisses zwischen Wildstand und Forstwirtschaft, unter anderem durch die Erfüllung behördlicher Abschusspläne, sind 130.000 Jäger zuständig, verteilt auf 12.000 Jagdrevieren.
Die Verwaltung ist dementsprechend komplex: „Es gibt in Mitteleuropa oder gar in ganz Europa eine behördliche oder zumindest interne Meldepflicht, wenn Wild erlegt wird. Die Erfassung und Vereinheitlichung aller Meldungen ist für Jagdverantwortliche sehr zeitaufwendig“, sagt der Pentamap-Gründer Rainer Prüller gegenüber der futurezone. Er und sein Team haben die App „Deermapper“ zur Vereinfachung der Jagdverwaltung entwickelt, deren Funktionalität im Rahmen von FFG-geförderten Projekten laufend erweitert wird.
Zeitersparnis
Die Erfassung erfolgt von den einzelnen Jägern in standardisierter Form und direkt im Revier. Per App werden Standort, Zeit, Jäger und das erlegte Tier dokumentiert. „Der Jagdverantwortliche erspart sich pro Abschuss 3 bis 5 Minuten, um die Meldung vom Jäger entgegenzunehmen und weiterzuverarbeiten“, sagt Prüller. Direkt in der App könne der Jagdverantwortliche die Meldung bestätigen und über eine Exportfunktion an behördliche Systeme weiterleiten.
Auch Sichtungen, Reviergrenzen oder Hochsitze werden den inzwischen 40.000 App-Nutzern auf einer Karte angezeigt. Sie können per Navigation hingeleitet werden. Die ist auch rechtlich wesentlich, da Jäger mit einer Waffe Reviergrenzen nicht überschreiten dürfen. Passiert dies doch, erhalten sie einen Überschreitungs-Alarm.
Jagdstrategien
In Folge können mit der App Jagdstrategien abgeleitet werden, die der Erfüllung der behördlichen Abschusspläne dienen. Je nach Reviergröße und Wildbestand sei laut Prüller ein Mindestabschuss je Wildart festgelegt – etwa 10 Stück Rotwild, 30 Stück Rehwild etc. Die Jäger können statistisch ausgewertete Daten zu Mondphasen, Jagdwetter, oder Niederschlag abfragen und erfahren, bei welcher Mondphase das meiste Rehwild gesichtet wurde.
Die Abarbeitung des Plans bleibt zudem übersichtlich: „Ein durchschnittliches Revier bei Deermapper besteht aus 3 bis 30 Jägern. Mit der App weiß jeder, was schon erlegt worden ist“, sagt Prüller.
Wildunfälle vermeiden
Mit der App-Erweiterung „AnimalProtect“ sollen zusätzlich Wildunfälle auf Österreichs Straßen vermieden werden. „Jährlich werden in Österreich 80.000 Rehe überfahren. Das geht immer mit einem wirtschaftlich großen Schaden einher. Und neben Blechschaden am Auto entsteht auch Personenschaden“, sagt Prüller. Mit der neuen Funktion werden Hotspots angezeigt, an denen es besonders häufig zu Verkehrsunfällen mit Wildtieren kommt. Mittels Satellitendaten wird aufgenommen, wann ein Tier überfahren wurde.
Die unterschiedlichen Fernerkundungsdaten (Satellitenbilddaten) stammen von der Universität für Bodenkultur, vom Naturhistorischen Museum Wien und von Birdlife Austria. Ausgewertet wurden sie von der Die TU Graz. „Die Totfunde wurden mit Landbedeckungsparametern verschnitten, um diese Hotspots zu finden“, sagt Prüller. Die Routing-App ist für jeden Menschen anwendbar. Fährt man die Straße entlang, wird in der App ein Wildgefahren-Alarm eingeblendet. „So wie bei einer herkömmlichen Wildwechsel-Tafel. Doch die steht das ganze Jahr und wird von Autofahrern nicht mehr richtig wahrgenommen“, sagt er. Die App hingegen warnt, wenn wirkliche Gefahr besteht, etwa bei Dämmerung.
Das Projekt wurde aus dem Austrian Space Applications Programme (ASAP) gefördert. Der Zusammenhang mit Weltraum und Erdbeobachtung besteht im Raumbezug der Daten: „Die Positionierung aus einem globalen Navigationssatellitensystem ist die Kerntechnologie unserer Anwendung. Die Fernerkundungsdaten sind zudem die Grundlage unserer Karten, die wir in der App verwenden“, sagt Prüller.
Sensor im Gewehr
Aktuell arbeitet der Forscher auch an dem System „Jagd+“. „In der Waffe ist ein Sensor eingebaut, der die Richtung und den Ort der Waffe bei der Schussabgabe aufzeichnet und die Deermapper-App einspielt.“ So könne der oft schwierig auffindbare Anschussort detektiert werden, an der die Nachsuche beginnen kann. Denn das getroffene Tier läuft oft noch einige Meter, bevor es liegt. Beim Anschussort kann der Jäger anhand von Spuren den Laufweg nachverfolgen und das Tier so finden.
Jagd+ ist auch ein Sicherheitssystem: „Gesellschaftsjagden nehmen zu. Mit dem System weiß ich, wo meine Mitjäger und Hunde sind. Dafür müssen die Jäger die Deermapper-App nutzen bzw. Hunde können mit einem GPS-Tracker ausgestattet werden“, sagt Prüller. Zielt man beispielsweise auf den Hund, vibriert die App.
Jagdausbildung per Online-Kurs
Die Digitalisierung hält verstärkt Einzug in die Jagd. Das beginnt schon bei ihrer Aus- und Weiterbildung. Nicht zuletzt wegen Corona. Während laut dem NÖ Jagdverband im Vorjahr 6.390 Jäger in fast 170 Seminaren aus- und weitergebildet wurden, musste der Kursbetrieb heuer eingestellt werden. Zumindest der physische. Denn damit Jäger das Aus- und Weiterbildungsprogramm weiterhin in Anspruch nehmen können, stieg der Jagdverband auf Homeschooling um.
Das gesamte Kursangebot wird aktuell digital im Rahmen von Online-Seminaren angeboten. Die Seminarplattform sei laut dem Jagdverband ein erster Schritt Richtung Digitalisierung des Bildungsangebotes und soll künftig noch weiter ausgebaut werden. „Die Ausübung des Handwerks Jagd ist lebenslanges Lernen. Neben verpflichtenden Weiterbildungskursen für Jägerinnen und Jäger gibt es auch zahlreiche Angebote für alle Bereiche der Jagd“, heißt es auf dem Portal des Verbandes. Mithilfe der Online-Seminarplattform erfolge die Ausübung des Handwerks zeitgemäß am aktuellen Wissensstand. Auch während der Corona-Pandemie.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
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