Bio-Schutzschild reduziert Chemie auf den Weizen-Feldern
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Anstatt eines satten Grüns schimmern im Getreidefeld weißrosa-farbene Weizenhalme. Sie sind von sogenannten Fusarienpilzen befallen. Diese Gattung gehört zur Familie der Schlauchpilze und zählt weltweit zu den weitverbreitetsten Getreidekrankheiten. Der Pilz verstopft die wasserleitenden Pflanzengefäße, sodass sie unzureichend Wasser aufnehmen. Bekämpft wird Pilzbefall wie Fusarium normalerweise mit chemisch-synthetischen Fungiziden. Nach dem Aufbringen des Mittels sind die Pilzsporen nicht mehr fähig, in die Pflanze einzudringen oder dort zu keimen.
Allerdings können manche Fungizide auch der Umwelt und den Menschen schaden. Unter anderem werden sie ins Grundwasser ausgewaschen, sodass sie das ökologische Gleichgewicht zerstören können. Aus diesem Grund zielt das österreichische Agrarumweltprogramm ÖPUL 2015 den Verzicht von Fungiziden im heimischen Getreidebau an. Laut dem „Grünen Bericht“ des Landwirtschaftministeriums ist ihr Einsatz in Österreich 2020 im Vorjahresvergleich zwar um mehr als 8 Prozent gesunken – dennoch wurden über 950 Tonnen Fungizide eingesetzt.
Mikroorganismen sollen Fungizide ersetzen
Um die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel im Kampf gegen Fusarium und andere Pilzkrankheiten künftig noch weiter zu reduzieren, hat das niederösterreichische Unternehmen Nourivit Technologies gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) einen biologischen Pflanzenhilfsstoff namens „Valibiotics“ entwickelt und heuer gemeinsam mit dem Schweizer Partnerunternehmen Valibiotics AG auf den Markt gebracht. Gefördert wurde das Research-Studios-Austria-Projekt „FusariumPrevent“ von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). „Valibiotics ist ein Pflanzenstärkungsmittel auf Basis von Mikroorganismen und Calcium-Ionen“, sagt Nourivit-Geschäftsführer Wolfgang Harreither der futurezone.
Darin werden verschiedene natürliche Wirkmechanismen kombiniert: „Die Nährstoffversorgung der Pflanzen wird verbessert, die Zellwände verstärkt und das natürliche Abwehrsystem der Pflanze aktiviert. Durch diese gezielte Stärkung ist die Pflanze resilienter gegen Krankheiten. Und das auf ganz natürliche Weise“, erklärt der Fachmann. Anstatt also auf einen Befall mit chemischen Mitteln zu reagieren, kommt Valibiotics vorher zum Einsatz und bildet eine Art biologisches Schutzschild gegen den Pilz.
50 Prozent Reduktion
Toxikologisch ist das Mittel für Mensch und Umwelt unbedenklich – schädliche Rückstände im Grundwasser gibt es nicht. Das biologische Pflanzenstärkungsmittel wird mit einer herkömmlichen Feldspritze direkt auf die Pflanze aufgebracht. In Feldversuchen sowie im tatsächlichen Einsatz des Mikroorganismen-Präparats am Feld hat sich gezeigt, dass die Menge an chemischen Pflanzenschutzmitteln deutlich reduziert werden konnte. Je nach Witterung konnten Fungizide sogar gänzlich vermieden werden.
„Durch die präventive Behandlung mit Valibiotics kann der Einsatz von Fungiziden um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Wir verfolgen bei Nourivit Technologies einen integrierten Ansatz und wollen den Einsatz von chemisch-synthetischen Mittel auf ein sinnvolles Minimum reduzieren“, sagt Harreither. In Österreich, der Schweiz, Polen, Ungarn, Großbritannien, Kanada und Turkmenistan wird das Produkt bereits erfolgreich eingesetzt. Da sich das Präparat mit wenig Equipment und einfachen Prozessen weltweit vor Ort herstellen lässt, ist dessen Anwendung etwa auch in Entwicklungsländern möglich. „Das entsprechende Produktionsequipment wurde von uns selbst entwickelt und wird den Kunden vor Ort zur Verfügung gestellt. Die Rohmaterialien (Starterkulturen und Nährlösung) bezieht der Kunde von uns direkt. Für den Betrieb ist lediglich ein Wasser- und Stromanschluss notwendig.“
Weltweit großer Bedarf
Aktuell wird die Anwendung von „Valibiotics“ auch in Kamerun getestet. Dort soll „Valibiotics“ anstatt herkömmlicher Fungizide eingesetzt werden und Menge und Qualität des Getreideanbaus steigern. „Die Ergebnisse werden in der nächsten Feldsaison erwartet. Die ersten Vorversuche waren auf jeden Fall sehr vielversprechend“, verrät der Fachmann. Der Bedarf an alternativen Lösungen zu chemisch-synthetischen Mitteln sei ihm zufolge generell in allen Ländern groß.
„Speziell in Europa verlieren sehr viele Fungizide, welche derzeit in der Landwirtschaft breit eingesetzt werden, in den nächsten Jahren die Zulassung aufgrund der Toxizität für Mensch und Umwelt.“
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Wie Pflanzen gegen Umweltbelastungen resistent werden
Im Laufe von Millionen von Jahren haben Pflanzen eine Methode entwickelt, mit der sie die Durchlässigkeit ihrer Wurzeln anpassen. Denn Böden können toxisch sein und die Pflanzen beim Wachsen hindern. Ausschlaggebend dafür ist Suberin – ein in den Zellwänden eingelagertes pflanzliches Biopolymer – das als Schutzbarriere gegen Umweltbelastungen, wie etwa das giftige, in vielen Böden vorkommende Schwermetall Cadmium oder verschiedene Salze, fungiert.
Dabei handelt es sich um eine korkartige Schicht, welche sich den Pflanzenwurzeln anpasst und sie so verändert, dass sie ausreichend mit Nährstoffen und Wasser versorgt werden. Durch die Korkschicht kann Wasser nicht so einfach wieder austreten, Giftstoffe wiederum werden schwieriger aufgenommen.
Proteine identifiziert
Wie genau dieser Schutzprozess reguliert ist, war bisher jedoch weitgehend unerforscht. Nun hat das Forscherteam rund um Marie Barberon von der Universität Genf vier wesentliche Proteine entdeckt, die für die genetische Aktivierung von Suberin verantwortlich sind. Damit ließen sich künftig Pflanzen züchten, um resistenter gegen Dürre, Überschwemmungen und einer zu starken Aussetzung von Salzen zu sein.
Unter dem Mikroskop wurde die Wurzel der Aradidopsis-Pflanze untersucht, um jene Proteine zu ermitteln, die für die Suberin-Produktion verantwortlich sind. Anhand dieser vier identifizierten Faktoren haben die Wissenschafter*innen in der Folge modifizierte Aradidopsis-Pflanzen hochgezogen, deren Wurzeln mit der Korkschicht bedeckt waren. Die Pflanzen wurden anschließend in Böden mit unterschiedlichen Natriumgehalten eingesetzt.
Salzgehalt erprobt
Normalerweise benötigen Pflanzen das Element für ihr Wachstum – ist der Gehalt an Natrium aber zu hoch, stirbt die Pflanze ab. „Wir haben beobachtet, dass Pflanzen, deren Wurzeln permanent mit Suberin bedeckt sind, weniger Natrium absorbieren als jene ohne“, sagt Forscherin Barberon. Letztere seien ihr zufolge weniger gegen Giftstoffe resistent.
Mit dieser Untersuchung kann die Rolle von Subarin, die Nährstoffbalance in Pflanzen aufrechtzuerhalten, in Zukunft noch näher untersucht werden. Mit diesen Informationen könnten dann Pflanzen gezielt verändert werden, um sie an schadstoffbelastete Böden, aber auch an Trockenheit oder Überschwemmungen, anzupassen.
Kommentare