Quantencomputer von IBM
Quantenchip mit zwei Qbits
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Science

Quantentech: Industrie und Forschung wissen wenig voneinander

Die Erkenntnisse der Quantenphysik lassen sich nach Einschätzung heimischer Physiker und Unternehmen in naher Zukunft am ehesten in marktreife Anwendungen im den Bereichen Datenverschlüsselung, genauere Atomuhren und Messmethoden umsetzen. Allerdings wissen Industrie und Forschung zu wenig voneinander, es brauche eine "Quanten-Plattform" und eine Gründerinitiative, heißt es in einer neuen Analyse. Im Auftrag des Infrastrukturministeriums haben Autoren rund um Hannes Hübel vom Austrian Institute of Technology (AIT) eine "Strategische Analyse der Möglichkeiten zur stärkeren Industrialisierung der Ergebnisse der österreichischen Quantenforschung" durchgeführt. Sie wurde anlässlich des Ende Oktober erfolgten Startschusses eines neuen EU-Flaggschiff-Forschungsprogramms durchgeführt, das sich dem Thema Quantentechnologie widmet.

In den kommenden zehn Jahren sollen insgesamt eine Mrd. Euro in das Großvorhaben fließen, um Erkenntnisse aus der Quantenforschung in möglichst marktfähige Technologien zu übersetzen. Eine Hälfte der Dotation soll von der EU kommen, die andere von den Mitgliedsstaaten bzw. der Industrie. In der ersten Projekt-Tranche sind österreichische Forscher an fünf von insgesamt 20 Projekten beteiligt, Hübel leitet eines davon.

Innsbruck rockt

Einen "hohen technischen Reifungsgrad" bescheinigt die Untersuchung der Quantenverschlüsselung oder -kryptografie sowie Atomuhren und Präzisionsmessmethoden auf Basis von Quantentechnologien. Quantencomputer und -simulatoren, die auf dem Einsatz von Ionenfallen fußen, werden dagegen "erst mittel- bis langfristig eine kommerzielle Rolle spielen". Auf diesem Gebiet gebe es "herausragende Erfolge" in Innsbruck zu verzeichnen, die auch zur Ausgliederung des Spin-off Alpine Quantum Technologies GmbH geführt haben. Je nach technischem Zugang müsse man sich bei der breiten Anwendung von Quantencomputing insgesamt aber noch fünf bis 15 Jahre gedulden, heißt es in der Studie.

In dieser wurden zahlreiche einschlägig tätige Forscher an den Universitäten Wien und Innsbruck, der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Technischen Universität (TU) Wien und des Institute of Science and Technology (IST) in Klosterneuburg (NÖ) sowie neun Unternehmen befragt. Dabei zeigten sich etwa Probleme bei der Kommunikation zwischen Wissenschaftern und den vereinzelten Unternehmen, die in diesem Bereich potenziell Technologie entwickeln könnten. So könnten die heimischen Forscher ihren Technologiebedarf zumindest zu einem kleineren Teil in Kooperation mit österreichischen Firmen stillen, meist kämen aber ausländische Unternehmen zum Zug. Es brauche einfach "mehr Informationsaustausch zwischen den beiden Gruppen", wie Hübel im Gespräch mit der APA sagte.

Unter Schnitt

Insgesamt liegt die Anzahl der Patente im Bereich Quantentechnologie von österreichischen Institutionen - ermittelt wurden 22 Patente zwischen 2002 bis 2016 - "unter dem europäischen Durchschnitt, ebenso ist die Zahl der Neugründungen von Unternehmen mit Quantentechnologie-Fokus gering", schreiben die Studienautoren, die als Positivbeispiel auf das aus der Wiener Forschungsgruppe um Markus Aspelmeyer heraus gegründete Unternehmen Crystalline Mirror Solutions (CMS) verweisen. Obwohl sich auch die befragten Firmen einiges von Quantentechnologien erwarten und vielfach bereits Kontakte zu Forschungsgruppen bestünden, seien viele noch zurückhaltend bzw. wissen nicht, was sich in Österreich im Bereich der Grundlagenforschung tut. Von großer Begeisterung für das "Thema der Zukunft" bis zu Skepsis angesichts vielleicht erst in Jahren kommerziell verwertbarer Ergebnisse, reiche hier das Bild.

Als zentrale Forderung formulieren die Studienautoren daher "die Errichtung einer 'Quanten-Plattform'" in deren Rahmen sich Akteure aus Wirtschaft und aus dem akademischen Umfeld vernetzen und Strategien ausarbeiten können. An konkreten Plänen dazu arbeite das AIT mit dem Infrastrukturministerium bereits. Um den Transfer aus dem akademischen Umfeld heraus zu erhöhen, regen die Autoren weiters "eine Gründerinitiative mit einem Quanteninkubator" an.

Darüber hinaus sollte die Infrastruktur für Forschung und Entwicklung verbessert und die Grundlagen der Quantentechnologie auch früher in Studienprogrammen wie den Ingenieurswissenschaften, Elektronik oder Informatik vermittelt werden. Da es noch keinen internen Markt für solche Technologien gebe, könnten öffentliche Institutionen als Pilotkunden beim Aufbau eines solchen helfen.

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