Wir ein Satellit zerstört, verteilt er weitere Teile im All und die Gefahr einer Kollision erhöht sich 

Wir ein Satellit zerstört, verteilt er weitere Teile im All und die Gefahr einer Kollision erhöht sich 

© ESA

Science

So wirkt sich die Corona-Krise auf die Raumfahrt aus

Während wegen der Coronavirus-Pandemie arbeiten überall auf der Welt zahlreiche Menschen von zu Hause. Die Mitarbeiter der  ESA und NASA müssen aber in ihren Kontrollzentren sicherstellen, dass kritische Abläufe, beispielsweise die Satellitensteuerung, auch während der Krise sicher weiterlaufen können.

Die ESA hat in ihrem Mission Control Center in Darmstadt Maßnahmen eingeleitet, um die Mitarbeiter vor Ort zu schützen. So einfach ist das allerdings gar nicht, denn nicht jeder kann seine Arbeit mit nach Hause nehmen. Satelliten lassen sich nur vom Kontrollzentrum aus steuern, und die Ingenieure können nicht einfach neue Bauteile mit nach Hause nehmen und in der heimischen Garage testen, bevor man sie ins All schickt.

ExoMars-Mission 2 Jahre verschoben

Deshalb wurde der ursprünglich für heuer angesetzte Start der zweiten ExoMars-Mission auf 2022 verschoben. Die ESA arbeitet gemeinsam mit der russischen Raumfahrtorganisation Roskosmos an dem Projekt. Durch die Einreisebeschränkungen während der Corona-Krise können die Teammitglieder aber nicht mehr zwischen den Standorten pendeln.

"Wir sind auf industrielle Partner angewiesen. Einen Satelliten zu bauen erfordert Teamarbeit, da stehen Menschen in großen Hallen und schrauben sie zusammen. Die Teile werden dann transportiert und das ist im Moment natürlich schwierig", erklärt Rolf Densing, Leiter des europäische Raumflugkontrollzentrum (ESOC) und ESA-Direktor für Missionsbetrieb, im Gespräch mit der futurezone. Allerdings spielten bei der Verschiebung der Mission wohl auch andere Faktoren eine Rolle. So seien weitere Tests der Hardware und Software erforderlich, damit die Mission ohne Probleme gelingt, heißt es in einer Aussendung.

Nur 50 Mitarbeiter anwesend

Viel kritischer als die Mars-Mission ist allerdings die Sicherheit der aktiven Satelliten im Weltraum. Das ESOC hat etwa 900 Mitarbeiter, von denen normalerweise täglich 700 anwesend sind. Seit 16. März hat sich diese Zahl auf 50 reduziert. "Es ist ziemlich menschenleer. Wir haben die Geschäfte so weit es geht auf Telearbeit umgestellt. Das wird für eine begrenzte Zeit gut laufen, langfristig kann man das aber noch nicht überschauen", sagt Densing, der selbst derzeit von zu Hause arbeitet.

Sicherheit der Satelliten

Die höchste Priorität hat nun die Sicherheit der 21 Satelliten, die aus dem Kontrollzentrum gesteuert werden. "Wir erhalten täglich Warnungen, die analysiert werden müssen. Im Schnitt fliegen wir alle zwei Wochen ein Ausweichmanöver. Die Satelliten sind mehrere Milliarden Euro wert und davon wollen wir keinen verlieren. Darauf liegt derzeit unser ganzes Augenmerk", so Densing. Die Mitarbeiter hätten allerdings sehr früh begonnen, Lösungen zu entwickeln, damit der Betrieb auch dann läuft, wenn auf Telearbeit umgestellt werden muss – und diese Maßnahmen greifen nun.

Aktuell befinden sich unter anderem 5 Sentinel-Satelliten des Erd- und Umweltbeobachtungsprogramms Copernicus, der Solar Orbiter, das Weltraumteleskop Gaia und der Cubesat-OpsSat unter der technischen Leitung der TU Graz im All, die vom ESOC gesteuert werden. Im Kontrollzentrum wird beispielsweise verhindert, dass die Satelliten mit Weltraumschrott zusammenstoßen.

Das Analyse-Team des dafür verantwortlichen Space Debris Office kann über einen VPN von zu Hause arbeiten. Sie werten die Warnungen aus. Die Steuerung muss aber in einem abgesicherten Netzwerk und in abgesicherten Räumen stattfinden, um Hackern keine Möglichkeit zu geben, Kontrolle über die Satelliten zu gewinnen. Wird die Lage wegen des Coronavirus im ESOC ernster, müsste das Netzwerk allerdings gelockert werden, so Densing. Soweit werde es aber nicht kommen, ist der ESOC-Leiter überzeugt.

Forschungsprojekte könnten pausieren 

Im schlimmsten Fall werde der Betrieb nur noch auf das nötigste reduziert und die Auswertung von Forschungsdaten, die die Satelliten übermitteln, müsste pausieren. Dazu gehören Aufnahmen von Sonne und Mond, sowie Erdbeobachtungsdaten, beispielsweise für das Copernicus-Programm. Erst kürzlich konnten die Forscher mit diesen Daten zeigen, wie sich die Luftqualität nach Ausbruch des Virus in den Quarantäne-Gebieten verbessert hat.

Am 10. April steht zudem eine wichtige Mission bevor. Die Merkur-Sonde BepiColombo nimmt derzeit Schwung auf, um den Planeten 2025 zu erreichen. Sie wird im April an der Erde vorbeifliegen. Deshalb muss das Kontroll-Team im ESOC anwesend sein, um eventuell die Flugbahn von BepiColombo anzupassen.

Ein Mitarbeiter wurde bereits positiv auf COVID-19 getestet. "Er befindet sich in Quarantäne. Wir untersuchen derzeit, mit wem er Kontakt hatte und wo er sich aufgehalten hat. Er war allerdings nicht in kritischen Kontrollräumen. Sein Arbeitsbereich wurde professionell desinfiziert", erklärt Densing.

Damit die Mitarbeiter so wenig soziale Kontakte wie möglich haben, wurden sie in Teams separiert und kommunizieren auch vor Ort weitestgehend elektronisch. So soll verhindert werden, dass wegen einer Infektion das gesamte Team ausfällt. So sei die Arbeit trotz Sicherheitsmaßnahmen auch weiterhin möglich, sagt Densing.

NASA schließt 2 Standorte

Bei der NASA hat man an zwei Standorten ebenfalls zu drastischen Maßnahmen gegriffen. Seit 20. März ist die höchste Sicherheitsstufe ihres 4-Stufen-Plans für die Michoud Assembly Facility und das Stennis Space Center in Kraft getreten. Das bedeutet, dass die Einrichtungen der US-Raumfahrtbehörde geschlossen bleiben und alle Reisen untersagt sind. Lediglich kritische Posten, die die Infrastruktur intakt halten, für Sicherheit sorgen und für die Versorgung von Leben, zum Beispiel auf der ISS, verantwortlich sind, bleiben besetzt.

Grund für die stark erhöhten Sicherheitsmaßnahmen ist die steigende Zahl der COVID-19-Fälle an den Standorten der NASA-Zentren, sowie einem bestätigten Infektions-Fall im Stennis Space Center. Zwar hat man bereits angekündigt, dass die Maßnahmen Auswirkungen auf zukünftige Missionen haben wird, welche das sind und in welchem Ausmaß die NASA ihre Pläne anpassen muss, ist aber nicht bekannt.

Das Stennis Space Center arbeitet vor allem an der Artemis-Mission, die bis 2024 Menschen zum Mond bringen soll. Die Michoud Assembly Facility ist vor allem für das Space Launch System (SLS) verantwortlich. Das SLS soll die weltweit stärkste Rakete sein und für die Artemis-Mission zum Einsatz kommen. Würden diese beiden Zentren längerfristig lahmgelegt, könnte die Artemis-Mission verschoben werden.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

mehr lesen
Franziska Bechtold

Kommentare