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Solarstrom aus den Alpen: Was die ideale Photovoltaikanlage braucht

Die Alpen sind für viele Menschen ein Erholungsort. Das Gebirge wird aber auch angesichts der Energiewende zunehmend attraktiver. Denn alpine Regionen eignen sich hervorragend für die Erzeugung von Solarstrom. Unter anderem gibt es im Winter mehr Sonnenlicht: Während das Flachland oft unter einer dichten Nebeldecke liegt, ist der Himmel in den höheren Lagen klar. Die Solarpaneele können die Sonneneinstrahlung dort voll ernten.

Wie PV-Anlagen im Gebirge aber konkret konzipiert sein müssen, um besonders viel Strom zu liefern, haben  der Kärntner Physiker Hermann Kopetz gemeinsam mit seinem Bruder Heinz und Karl Totter, dem Gründer des Energieparks Mureck, ermittelt. Auf der Gerlitzen in Kärnten haben sie die neue Solaranlage „PV-Pappel“ vorgestellt, die im Winter deutlich mehr Strom erzeugt als herkömmliche Flächenanlagen. 

36 Module

Die Konstruktion besteht aus einem 11 Meter hohen Holzturm. „An diesen sind 36 Module in allen 4 Himmelsrichtungen angebracht. Die Bodenversiegelung beläuft sich auf maximal 1 Prozent“, erzählt Totter der futurezone. Bei herkömmlichen Freiflächenanlagen seien es 60 bis 70 Prozent. 

Die 70-Grad-Neigung des Turms sorgt dafür, dass der Schnee abrutscht – auch die Wirkung der Sonneneinstrahlung wird dadurch optimiert. Zusätzlich lässt sich auch die vom Schnee reflektierte  Sonnenstrahlung ernten. „Wir haben in Mureck 2011 eine Freiflächenanlage gebaut. Auf der gleichen Fläche erzeugt eine PV-Pappel in derselben Zeit 5 Mal so viel Strom. In höheren Lagen auf etwa 1.700 Meter Höhe liefert sie hingegen 10 Mal so viel Strom wie in Tallagen.“ 

v.l.n.r: Hermann Kopetz, Karl Totter, Heinz Kopetz, Erwin Berger (Mountain Resort Feuerberg)

 

Weniger Abhängigkeit

PV-Pappeln, die am Berg 340 Hektar Fläche verbrauchen, seien in puncto Leistungsfähigkeit vergleichbar mit PV-Flächenanlagen im Tal, die dort 5.000 Hektar Fläche einnehmen. „Unsere Messungen haben gezeigt, dass im Jahr knapp 20.000 Kilowattstunden Strom erzeugt werden können“, sagt der Fachmann. Damit könnten 4 bis 5 Einfamilienhäuser versorgt werden, welche die Anlage auch gemeinschaftlich nutzen können „Die neue PV-Technik ermöglicht eine dezentrale Eigenversorgung“, freut sich Totter. 

Generell wird in der Zeit von November bis Ende Februar sehr viel Strom gebraucht – 50 bis 60 Prozent dieses Stroms müsse Österreich importieren. Die neue Anlage, die heuer in Serienproduktion gehen soll, könnten helfen, die Abhängigkeit von Stromimporten drastisch zu senken, sagt Totter. „Ab 2025 wollen wir 10.000 PV-Pappeln pro Jahr aufstellen lassen“. 

Karl Totter

Soziale Akzeptanz

Da sich die Konstruktion nicht bewegt und keinen Lärm macht, sei eine Beeinträchtigung von Mensch und Biodiversität auszuschließen. Welche weiteren Faktoren aber nötig sind, um PV-Anlagen in alpinen Regionen sozial und ökologisch verträglich zu machen, erforscht aktuell Patrick Scherhaufer von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien im Rahmen  des Förderprogramms Earth System Sciences der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).  

„Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Untersuchung der Beziehung und potenzieller Widersprüche von Naturschutz, Klimaschutz und der Entwicklung erneuerbarer Energien, die sich gerade in alpinen und voralpinen Lagen sehr gut manifestieren“, sagt Scherhaufer. Dabei stünden soziale und ökologische Aspekte im Vordergrund, zumal diese oft die Umsetzung von Projekten verhindern würden. 

VR-Visualisierungen

Die gesellschaftliche Akzeptanz von PV-Freiflächenanlagen in diesen Landschaftsräumen werde etwa mithilfe  von Workshops unter Einsatz von Landschaftsvisualisierungen mit Virtual Reality oder mit repräsentativen  Umfragen ermittelt. Teilnehmende seien Anwohner*innen sowie Entscheidungsträger*innen. „Darüber hinaus werden Habitaterhebungen bei Wildbienen und Grashüpfern durchgeführt, die Aufschlüsse auf ökologische Auswirkungen zulassen. “

Im Zusammenhang mit PV-Freiflächenanlagen gelte es neben der Sozialverträglichkeit insbesondere zu beachten, dass diese auf landwirtschaftlich bereits intensiv genutzten Flächen biodiversitätsfördernd gestaltet werden müssten. Bei ökologisch hochwertigen Standorten wie Gebirgsökosystemen müsse der Schutz der biologischen Vielfalt gewährleistet werden. „Wie dies vonstattengehen kann und welche Maßnahmen dafür notwendig sind, werden wir im Projekt BioPV erforschen“, sagt Scherhaufer.

In Österreich würden durch den Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energie in den Bereichen Strom, Verkehr und Wohnen noch viele Flächen für die Energieproduktion benötigt. „Damit unsere Erkenntnisse auch in der Praxis einfließen, stellen wir gerade eine beratende Gruppe zusammen, in der die Expertise von Umweltanwaltschaften, Landesbehörden und Ministerien, Naturschutzabteilungen, Energieunternehmen und NGOs  vertreten sein wird", so der Forscher.

Riesige Staumauer erzeugt Sonnenenergie

Neben Österreich soll auch in der Schweiz erneuerbarer Strom vermehrt auf den Alpengipfeln erzeugt werden. In unserem Nachbarland sind aktuell mehrere Solarstrom-Projekte in der Entwicklung. Eines davon ist im Bergdorf Grengiols geplant. Ziel ist es, eine riesige Photovoltaik-Anlage zu installieren, die so groß sein soll wie 700 Fußballfelder.

In alpinen Regionen stehen prinzipiell unterschiedliche Flächen für PV-Anlagen zur Verfügung – auch bereits bestehende Infrastruktur. Ein Beispiel dafür ist der höchste Staudamm Europas, der 2.500 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Er befindet sich in den Schweizer Alpen am Muttsee im Kanton Glarus. Die Mauer des Sees wurde jetzt in einen gigantischen Solarpark verwandelt.

5.000 Paneele

Der ursprüngliche Bergsee wird seit Ende der 1960er-Jahre zur Energiegewinnung durch Wasserkraft genutzt. Seit September 2022 produziert der Staudamm auch Solarstrom. Dafür wurde eine Fläche von 10.000 Quadratmetern mit fast 5.000 Solarpaneelen gepflastert. Pro Jahr soll das Kraftwerk insgesamt mehr als 3 Gigawattstunden Energie erzeugen können – die Solarleistung beläuft sich laut dem Betreiber Axpo bei idealen Bedingungen auf 2,2 Megawatt. 

Die Hälfte davon soll im Winter erzeugt werden, heißt es. Den größten Ertrag erwarte man sich in den Monaten Februar und März. Die Solarenergie soll dem Betreiber zufolge für rund 700 Haushalte reichen. Bis 2030 plant das Schweizer Unternehmen über 4.000 weitere Solarprojekte.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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