Wie spezielle Fahrstreifen Autobahnen entlasten sollen
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Pendler*innen, die morgens am Weg zur Arbeit und abends auf dem Weg nach Hause im Stau stehen. Viele Österreicher*innen, die in Ballungsräumen leben oder arbeiten, finden sich montags bis freitags in dieser Rolle wieder. Laut einer Auswertung von GPS-Daten des niederländischen Navigationsgeräteherstellers TomTom verbringen Wiener Pendler*innen im Durchschnitt 115 Stunden pro Jahr im Stau. Das entspricht mehr als 14 vollen Arbeitstagen. Was uns „nur“ Zeit kostet, hat für die Umwelt fatale Folgen: Ein Viertel der CO2-Emissionen in Europa stammt aus dem Verkehr. In Österreich ist es sogar ein Drittel.
Das soll sich ändern. Elisabeth Scherounigg, Projektleiterin für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik bei der Trafility GmbH in Graz, forscht an Mobilitätlösungen, die Bequemlichkeit und Emissionsvermeidung unter einen Hut bringen sollen. Für ihre Arbeit kürte sie das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) vor Kurzem zur FEMtech-Expertin des Monats - eine Auszeichnung, die die Leistung von Frauen aus Forschung und Technologie würdigt.
Auto muss weg von der Straße
„Auf Österreichs Straßen gibt es immer mehr Verkehr. Die Kapazität wird also knapp. Will man sie erhöhen, so hat man beispielsweise die Möglichkeit, die Autobahn um einen Fahrstreifen zu erweitern,“ hält Scherounigg fest. Mehr Kapazität sei allerdings mit der drohenden Klimakrise kaum vereinbar. Deshalb setze man in der Verkehrsplanung nun auf Alternativen. „Die zentrale Frage, die wir uns stellen, ist: Wie stellen wir Mobilität mit der bestehenden Infrastruktur bestmöglich sicher?“
Gemeinsam mit der ASFINAG geht Scherounigg dieser Frage nach. „Aktuell untersuchen wir Möglichkeiten, wie Autobahnnutzer*innen in Österreich Anreize gegeben werden können, Fahrgemeinschaften zu bilden oder auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen.“ So sollen viel befahrene Autobahnabschnitte entlastet und Staus reduzieren werden.
Innovation bei Fahrstreifen
Den Ausbau von Autobahnen verhindern und gleichzeitig Verkehrsteilnehmer*innen zu Fahrgemeinschaften motivieren: Das könne laut Scherounigg mit eigenen Fahrstreifen für mehrfach besetzte Autos erreicht werden. „Dabei handelt es sich um ein Konzept, bei dem Fahrbahnen nur von Autos mit beispielsweise 2 oder mehreren Personen benützt werden dürfen“, erklärt die Expertin. In den USA kennt man diese als Carpool Lanes.
Auch sogenannte "Zielgruppenfahrstreifen" können dabei helfen, Staus auf Österreichs Straßen zu verringern. „Bei Zielgruppenfahrstreifen werden jene Autos, die auf der Autobahn eine längere Strecke zurücklegen müssen ohne abzufahren, auf einem Fahrstreifen zusammengefasst“, erklärt Scherounigg. Wer zum Beispiel ohne Unterbrechung von Wien nach Wiener Neustadt unterwegs ist, der könnte so eine durchgehende Fahrbahn benützen. Dadurch könne der Verkehr laut der Expertin ungehinderter fließen.
„Rad-Highways“ in Niederösterreich
Scherounigg betont allerdings: „Solche Fahrstreifen bräuchten natürlich auch die entsprechende Infrastruktur. Und sie sind nur ein Teil der Lösung.“ Um den Verkehr zu reduzieren und Umweltziele zu erreichen, könne auch auf das Fahrrad gesetzt werden.
Scherounigg arbeitet aktuell am Ausbau der Radinfrastruktur in Niederösterreich: „Gemeinsam mit dem Land und den Gemeinden schaffen wir die Grundlage für ein attraktives Radwegenetz, das über Gemeindegrenzen hinwegreicht.“ Dazu identifiziert Scherounigg in einem ersten Schritt sogenannte „Points of Interest“, also Wohngegenden und Gebiete mit einen hohen Beschäftigungsgrad. „Dann sehen wir uns an, wie diese Knotenpunkte durch Radwege schlau miteinander verbunden werden können.“
Auch „Rad-Highways“ hätten das Potenzial, das Radwegenetz in Niederösterreich zu verbessern. „Bei solchen Highways handelt es sich um breite Fahrradstreifen, auf denen Radfahrer besonders schnell und ungestört von anderen Verkehrsteilnehmern von A nach B gelangen können“, erklärt Scherounigg. Wichtig sei es vor allem Anreize zum Radfahren zu schaffen. „Nur wenn eine attraktive Infrastruktur mit sinnvollen Verbindungen vorhanden ist, hat die Bevölkerung auch die Möglichkeit auf das Rad als Fortbewegungsmittel umzusteigen.“
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Ein Like für die Ampel
Wer kennt das nicht: Die Ampel steht minutenlang auf Rot. Weit und breit möchten weder Fußgänger*innen queren, noch ist Gegenverkehr in Sicht. Das sorgt bei Verkehrsteilnehmer*innen für Frust und Ärger. Seit 2015 können Grazer*innen bereits Ampelanlagen online bewerten, ganz einfach via App. Bald soll „TrafficCheck“, ein Projekt des österreichischen Unternehmens Trafility GmbH, auch in Wien zum Einsatz kommen.
So funktioniert’s
Die Prämisse der App: Verkehrsteilnehmer*innen bewerten via Smartphone Ampelanlagen in der Stadt oder melden Störungen. Dazu wählen sie die entsprechende Ampel online aus und bewerten diese anonym oder als registrierter User*innen. Wer sich anmeldet, erhält Updates über den Fortschritt der eigenen Meldung.
Das Rating ähnelt einem Schulnotensystem. Verkehrsteilnehmer*innen benoten unterschiedliche Qualitätskategorien, wie die Verkehrssicherheit, die Steuerung oder die Beschaffenheit einer Ampelanlage, auf einer Skala von 1 (Gut) bis 4 (Schlecht). „Durchfallen“ kann eine Ampel nicht. Die Bewertung leitet die App an die zuständige Stelle der Stadtverwaltung weiter, die die jeweilige Ampel dann entsprechend einstellen kann.
Crowdsourcing nutzen
Das klar strukturierte Rating-System von „TrafficCheck“ mache es möglich, die Flut an Meldungen statistisch auszuwerten, heißt es auf der Webseite der Trafility GmbH. So können sich Stadtverwaltungen das Feedback der Bevölkerung zu nutze machen. „Jemand der dreimal am Tag an einer Ampel halten muss, der kann das Verkehrsaufkommen oft viel besser einschätzen als die Stadtverwaltung“, hält Elisabeth Scherounigg, von Trafility GmbH, fest.
In Graz war die App ein voller Erfolg. Wann genau „TrafficCheck“ in Wien startet, ist derzeit noch unklar.
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