Der Inbegriff der Achtziger Jahre: Der Außerirdische ALF, im Original derzeit auf RTL2 zu sehen.

Der Inbegriff der Achtziger Jahre: Der Außerirdische ALF, im Original derzeit auf RTL2 zu sehen.

© SuperRTL/Alien Productions

Science

Warum die Abwesenheit von Aliens keine Überraschung ist

Der berühmte Physiker Enrico Fermi fragte sich 1950, warum die Menschheit noch keine Spuren von Außerirdischen entdeckt hatte, obwohl es seiner Ansicht nach intelligente Zivilisationen geben sollte, die genug Zeit gehabt hätten, weite Teile des Universums zu kolonisieren. Dieser Widerspruch wird Fermi-Paradoxon genannt und hat ganze Generationen von Science Fiction-Autoren inspiriert. Erklärungsversuche gibt es viele, von der Annahme, dass Zivilisationen an bestimmten großen Herausforderungen scheitern, bis zu Theorien von einem Dschungel aus Zivilisationen, in dem Erregen von Aufmerksamkeit von stärkeren Konkurrenten mit Vernichtung bestraft wird. Wenn tatsächlich ein einziger Mechanismus die Ausbreitung von Zivilisationen auf ein detektierbares Ausmaß verhindert, müsste dieser allerdings sehr zuverlässig sein. Wenn er nur in 99 Prozent der Fälle wirkt, bleibt das Paradoxon bestehen.

Eine neue Arbeit von Forschern des Future of Humanity Instituts der Universität Oxford versucht, das Paradoxon aufzulösen. Sie argumentieren, dass Annahmen, die die Existenz von Außerirdischen nahelegen, mit extremer Unsicherheit behaftet sind. Wenn dieser Wissensmangel berücksichtigt wird, dann ist die Abwesenheit der Außerirdischen keine große Überraschung mehr. Selbst dass die Menschen die einzige intelligente Zivilisation im sichtbaren Universum sind, ist dann nicht unwahrscheinlich.

Ungewissheit

Als Basis für ihre Arbeit nehmen die Oxford-Forscher die Drake-Gleichung her, die oft als Begründung dafür herangezogen wird, dass es im Universum eine Vielzahl von Zivilisationen geben müsste. Sie wurde ursprünglich aufgestellt, um eine grobe Schätzung der Zahl intelligenter, kontaktierbarer Zivilisationen in der Milchstraße zu ermöglichen. Berücksichtigt werden die Sternentstehungsrate pro Jahr, der Anteil der Sterne mit Planetensystemen, die durchschnittliche Zahl der Planeten in der habitablen Zone, die Chance, dass sich auf Planeten Leben entwickelt, die Wahrscheinlichkeit, dass dort Intelligenz entsteht, der Anteil der Zivilisationen, die detektierbar wären und die angenommene Langlebigkeit einer Zivilisation.

Da außer der Sternentstehungsrate, einer Schätzung für den Anteil der Sterne mit Planeten und eine Schätzung für Planeten in der habitablen Zone alle Faktoren unbekannt sind, liefert die Drake-Gleichung unterschiedlichste Ergebnisse. Das liegt daran, dass meist Schätzwerte für die Unbekannten eingesetzt werden. Die Oxford-Forscher bedienen sich stattdessen Wahrscheinlichkeitsverteilungen basierend auf den Werten, die in wissenschaftlicher Literatur genannt werden. Das führt zum Ergebnis, dass es keinen Grund gibt, mit hoher Zuversicht andere intelligente Zivilisationen in der Milchstraße und sogar im sichtbaren Universum zu erwarten. Dass wir alleine im der Milchstraße sind, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 53 bis 99,6 Prozent beziffert. Dass wir alleine im sichtbaren Universum sind mit 39 bis 85 Prozent. Die futurezone hat Anders Sandberg, einen der Autoren, zum Ergebnis befragt:

Wenn ich Ihre Arbeit korrekt verstehe, handelt es sich eher um eine Aussage über unser fehlendes Wissen als über die Wahrscheinlichkeit von intelligentem Leben.
Das ist korrekt.

Anders Sandberg

Wenn das Argument über die Ungewissheiten in der Drake-Gleichung zutrifft, warum geben Sie dann trotzdem Wahrscheinlichkeiten zur Zahl der erwartbaren intelligenten Zivilisationen ab?
Wir sehen Wahrscheinlichkeiten als Ausdruck dessen, wie sehr wir daran glauben, dass etwas wahr ist. Dann ist es sinnvoll über die Wahrscheinlichkeit von Dingen zu reden, die sehr ungewiss sind. Es gibt zwei Schulen in der Wahrscheinlichkeitstheorie, Frequentisten und Bayesianer. Die Frequentisten glauben, dass Wahrscheinlichkeiten objektive Dinge sind, die aussagen, wie häufig etwas passieren würde, wenn man die betreffende Situation einfach unendlich oft wiederholt. Bayesianer denken, dass Wahrscheinlichkeiten ein Ausdruck von Wissen und Glauben sind. Wir beginnen mit einer sehr naiven Schätzung und korrigieren diese gewissenhaft, wenn neue Daten für ein besseres Modell zur Verfügung stehen. Unsere Arbeit ist bayesianisch, wir glauben aber, dass auch Frequentisten unsere Schlussfolgerungen akzeptieren würden. Unsicher zu sein heißt nicht, dass keine Aussagen möglich sind: Ich weiß vielleicht nicht, wie groß der nächste US-Präsident sein wird, aber ich bin ganz sicher, dass er nicht kleiner als ein Meter oder größer als drei Meter sein wird.

Wenn wir nicht einmal wissen, wie groß das Universum ist, wie können wir dann glauben, Aussagen über die Zahl intelligenter Lebensformen treffen zu können?
Die Drake-Gleichung wird üblicherweise genutzt, um die Zahl der intelligenten Zivilisationen innerhalb unserer Milchstraße abzuschätzen. Wir können sie also nutzen, um über die Zahl der Zivilisationen pro Galaxie zu sprechen - eine Art Populationsdichte des Universums. Das Universum könnte unendlich sein, was bedeuten würde, dass es wahrscheinlich eine unendliche Zahl von Zivilisationen gibt. Aber wir interessieren uns für Zivilisationen, die wir irgendwann beobachten oder kontaktieren können. Worauf es dabei ankommt ist, wie viele es innerhalb des beobachtbaren und damit zugänglichen Universums gibt.

Wenn wir Leben auf dem Mars oder anderswo im Sonnensystem fänden, würde das die Ergebnisse ihrer Arbeit ändern?
Ja. Im Anhang unserer Publikation beschreiben wir, dass die Entdeckung von unabhängig entstandenem Leben auf einem anderen Planeten die Wahrscheinlichkeit, dass Leben auch anderswo entstehen kann, deutlich nach oben verschiebt. Aber selbst dann gibt es durch die Unsicherheit für die Entstehung von komplexem Leben und Intelligenz immer noch eine gute Chance, dass wir die einzige Zivilisation in einem belebten Universum sind. Wenn das Leben, das wir anderswo finden, genau wie das Leben auf der Erde ist und nur durch Meteoriten zwischen den Himmelskörpern transportiert wurde, sagt uns das gar nichts.

Unsere Mittel zum Aufspüren außerirdischer Intelligenz sind beschränkt und nehmen mit zunehmender Distanz von der Erde rasch ab. Ist das Universum nicht einfach zu groß für Kontaktaufnahmen zwischen Zivilisationen?
Das bezweifle ich. Es ist schwer, ungerichtete Ausstrahlungen wie unser TV-Programm über interstellare Distanzen mit heutigen Teleskopen aufzuspüren. Aber wir haben auch schon zielgerichtete Übertragungen gemacht, die eine viel größere Reichweite haben und könnten zudem auch viel größere Teleskope bauen. Optische Signale können über sehr große Strecken übertragen werden und Weltraumteleskope könnten enorme Ausmaße annehmen. Was eine Zivilisation wirklich verraten würde, wären aber wohl nicht absichtlich verschickte Signale, sondern Nebenwirkungen anderer Aktivitäten. Das Spektrum der Erdatmosphäre zeigt zum Beispiel Spuren von Molekülen, die nicht natürlich vorkommen, wie Fluorkohlenwasserstoffe. Die Spektren von künstlichen Materialien sind auffällig. Eine etwas weiter fortgeschrittenere Zivilisation wäre wahrscheinlich auch in der Lage, Bauwerke auf einer Megaskala zu verwirklichen, die sehr einfach zu entdecken wären, etwa Dyson-Sphären. Ich denke, Intelligenz kann entdeckt werden, wenn man nach ihrer industriellen Aktivität sucht.

Wie würde Sie ihre Erklärung für das Fermi-Paradoxons mit anderen Vorschlägen vergleichen?
Die meisten Lösungen versuchen zu erklären, warum wir nichts sehen. Wir argumentieren, dass es bei unserem Wissensstand überhaupt nicht überraschend ist, dass wir nichts sehen. Zu den bekannten Lösungsvorschlägen gehört auch, dass wir tatsächlich alleine sind. Das ist aus unserer Sicht aber eine sehr vermessene Aussage. Wir wissen schlichtweg nicht genug, um so etwas zu behaupten. Leben und Intelligenz könnten überaus selten sein. Das Einzige, was wir sicher sagen können ist, dass beides möglich ist. Die Unsicherheit zeigt uns, dass selbst wenn Leben und Intelligenz häufig sind, Zivilisationen trotzdem so selten sein können, dass der leere Himmel nicht überraschend ist. Ich habe in der Vergangenheit selbst eine Erklärung für das Fermi-Paradoxon vorgeschlagen, die Aestivationshypothese. Ich glaube mittlerweile, dass die Fakten dagegen sprechen. Theorien sind trotzdem nützlich als Wegweiser für unsere Suche nach mehr Wissen.

Die Menschen haben in vielen Bereichen stur versucht, ihre Ausnahmestellung zu behalten. Sind Sie sicher, dass Ihre Argumente nicht in diese Falle tappen?
Wir behaupten nicht, dass Menschen außergewöhnlich sind. Sie sind einfach nur hier. Unser Argument basiert auf Unsicherheit und mangelndem Wissen. Es gibt aber eine Ausnahmestellung, mit der wir uns tatsächlich befassen müssen: Unsere eigene Existenz beeinträchtigt unsere Beobachtungen. Solche Beobachter-Auswahleffekte können Statistiken drastisch verfälschen, etwa bei der Beobachtung, dass sich fast alle großen Städte in der Nähe von Flüssen, Buchten und anderen ökonomisch und militärisch bedeutsamen Strukturen befinden: Das ist kein Zufall, sondern zeigt, dass die Städte genau wegen dieser Strukturen dort gebaut wurden. Unsere Existenz beweist, dass das Leben auf der Erde entstehen musste, auch wenn es unfassbar unwahrscheinlich ist. Deshalb ist die Entstehung von Leben auf der Erde kein guter Beweis dafür, dass Leben einfach ist.

Wie würden sich ihre Ergebnisse ändern, wenn sich herausstellt, dass die Erde der Normalfall ist?
Wenn wir herausfänden, dass die Entstehung von Leben einfach ist, dann wären die limitierenden Faktoren für die Zahl der außerirdischen Zivilisationen die Fähigkeit zu kommunizieren und die Langlebigkeit. Das würde nahelegen, dass die meisten Zivilisationen nicht kommunizieren, etwa weil sie in Wasserwelten gefangen sind oder ein anderer gemeinsamer Faktor sie stumm macht, oder dass wir als Zivilisation nicht erwarten sollten, lange zu überleben. Schlechte Nachrichten also.

Was würde es für die Menschheit bedeuten, wenn wir herausfänden, dass wir tatsächlich allein im Universum sind?
Ich denke, das würde eine große Verantwortung auf unsere Schultern laden. Wir wären einzigartig und die einsamen Träger der moralischen Verantwortung. Wir könnten das Leben und die Intelligenz zwischen den Sternen streuen und sollten das dann vielleicht auch. Wenn wir aussterben, würde die Intelligenz mit uns verschwinden. Wir sollten uns also besser am Riemen reißen.

Glauben Sie, dass es andere intelligente Lebensformen im All gibt?
Ja. Das Universum ist einfach gewaltig. Selbst, wenn wir sie nie treffen können, weil sie zu weit weg sind, glaube ich, dass es intelligente Wesen da draußen gibt.

Hat ihre Arbeit Reaktionen von wütenden Science-Fiction-Fans ausgelöst?
Hauptsächlich von Menschen, die an UFOs glauben. Science-Fiction-Fans reagieren stattdessen mit ihrer bevorzugten Erklärung für das Fermi Paradoxon - was bei unserem Argument aber am Ziel vorbeigeht. Es macht trotzdem Spaß, sich mit ihnen auszutauschen. Das Beste am Fermi Paradoxon ist, dass es uns dazu bringt, über unseren Platz im Universum nachzudenken und darüber, wie man mit großer Unsicherheit umgeht. Zudem fördert es Forschung in vielen interessanten Bereichen. Es ist eine großartige Frage.

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Markus Keßler

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