Wien ist die derzeit am schnellsten wachsende deutschsprachige Stadt
Wien ist die derzeit am schnellsten wachsende deutschsprachige Stadt
© APA/HANS PUNZ

Forum Alpbach

"Wie bringt man Leute dazu, ihr Auto abzumelden?"

Wie können Städte "smart" organisiert werden, damit sie mit der bereits einsetzenden Wachstumsexplosion im urbanen Raum zurecht kommen? Welche Rolle spielen Technologien? Und wie können die Bewohner dieser (Zukunfts-)Städte mit ins Boot geholt werden? Einige Antworten auf diese Fragen versuchte ein Arbeitskreis zum Thema "Smart Cities" während der Technologiegespräche beim Forum Alpbach zu geben.

Mensch im Mittelpunkt

Neben technologischen Entwicklungen, die von der intelligenten Verteilung von Ressourcen wie Energie und Wasser bis zur effizienten Infrastrukturnutzung reichen, rücken laut Stadtplanern und Smart-City-Experten vor allem die Menschen selbst in den Vordergrund. "Neue Technologien sind eine wichtige Grundlage für die Stadtentwicklung. In Wahrheit wird es aber auch in Zukunft immer darum gehen, einen lebenswerten Lebensraum zu schaffen, der menschengerecht und leistbar ist. Und dazu muss die Gesellschaft in das Smart-City-Konzept hereingeholte werden", sagte Andreas Trisko, Leiter des Wiener Magistrats MA 18 Stadtentwicklung und Stadtplanung.

Wie man auch an der Entwicklung der Stadt Wien seit den 60er-Jahren sehe, würden Großstädte mittlerweile mehr Lebensqualität bieten können als viele ländliche Regionen. Dass das Bevölkerungswachstum einer Stadt wie Wien von plus 200.000 in den vergangenen Jahren sowie erwarteten weiteren 250.000 Menschen in den kommenden Jahren eine große Herausforderung bedeute und auch für Brennpunkte sorge, stehe außer Frage.

Auto nicht optimal

"Aus Systemsicht ist das Auto natürlich kein optimales Verkehrsmittel in der Stadt, hier gilt es den öffentlichen Verkehr auszubauen sowie Fußgänger und Radfahrer ins Zentrum zu rücken. Aus Sicht des Autofahrers ist das natürlich anders, da sich die Anschaffung des Autos wirtschaftlich rentieren muss", so Trisko. Um Bürger stärker in Entscheidungen und Abläufe der Stadtplanung einzubeziehen, schlägt Trisko partizipative Elemente wie BürgerInnen-Rat-Treffen vor, wo Stadtbewohner über mehrere Tage konkrete Lösungsvorschläge ausarbeiten. "Die Menschen sind ja prinzipiell gescheit, bisherige Formate haben gezeigt, dass der Willen zur Mitgestaltung sehr groß ist", sagte Trisko.

"Die Frage ist ja: Wie bringt man Leute in der Stadt dazu, ihr Auto abzumelden", ortet die Doktorandin Nadine Haufe von der TU Wien fehlende Kommunikationsstrategien. "Um die Bevölkerung mitzunehmen, ist der abstrakte Begriff 'Smart City' sicher nicht hilfreich als Plakatierung. Vielmehr muss ich den Menschen konkret veranschaulichen, wie sie beispielsweise mit einer Stand-by-Funktion oder einem modernen Kühlschrank viel Energie sparen können. Und muss mich gewissen Ängsten stellen etwa was passiert mit meinen Smart-Meter-Daten? Will ich als Bürger überhaupt so vernetzt sein?", so Haufe.

Alter, Geschlecht, Einkommen

Um die Vorteile für, aber auch die Anforderungen an die Bürger in Städten besser kommunizieren zu können, müsse man die Bevölkerung soziologisch differenzierter betrachten. "Die Parameter Alter, Geschlecht und Einkommen, die heute immer noch von Statistik-Ämtern erhoben werden, reichen einfach nicht mehr aus, um auch auf die Werte und Einstellungen gewisser Bevölkerungsgruppen rückschließen zu können", plädiert Haufe für die Berücksichtigung etablierter Marktforschungsstrategien, aber auch neuer wissenschaftlicher Ansätze in der Milieu-Forschung.

Auch Arnulf Wolfram, Leiter für den Bereich Infrastruktur und Städte Zentralosteuropa bei Siemens, stellte in Alpbach soziale Aspekte in den Vordergrund. "Natürlich kann und wird die Industrie Technologien zur Verfügung stellen, doch damit ist es nicht getan. Wir brauchen Betreiber und Nutzer, die mit diesen Dingen etwa anfangen und entsprechend umgehen können", sagte Wolfram. Entscheidungsträger, aber auch die Industrie selbst, müssen sich fragen, wie die Bewohner der Städte die Technoologien annehmen und auch welche Ängste damit verbunden seien - etwa beim Thema Datensicherheit.

Geschäftsmodell Open Data?

Bei vielen Entwicklungen, etwa was die automatisierte Steuerung und Überwachung von Energienetzen betreffe, müsse sich die Industrie auch die Frage gefallen lassen, welche Vorteile der Kunde eigentlich davon habe bzw. wer der Nutznießer sei. Umgekehrt müsse natürlich auch die Frage nach den anfallenden Investitionskosten geklärt werden. "Wie schauen zukünftige Geschäftsmodelle aus? Oder sind Konzepte wie Open Data sowieso effizienter, wenn es um die Verwertung von gesammelten Daten geht?", regte Wolfram zum Nachdenken an.

Dass etwa der Elektroauto-Hersteller Tesla seine Patente öffentlich zur Verfügung stellen werde, zeige, dass beim Thema offene Daten in der Industrie bereits ein Umdenken stattgefunden habe. "Natürlich sind Fragen, die das geistige Eigentum betreffen, immer eine Gratwanderung. Gerade bei Infrastruktur nützt mir das schönste geistige Eigentum nichts, wenn am Ende mit meiner Lösung keine Vernetzung stattfindet", sagte der Siemens-Manager auf Rückfrage der futurezone.

Open-Data-Plattformen sieht auch der IBM-Forscher Sean McKenna als große Chance, um die Vision von smarteren Städten zu realisieren. Viele Stadtverwaltungen seien bis heute in abgetrennten Silolösungen organisiert - die für die Wasserversorgung zuständige Abteilung rede nicht mit der Abteilung für Energie oder öffentlichen Verkehr. Über zentralisierte Open-Data-Plattformen, in denen alle relevanten, verfügbaren Daten der Stadt zusammenlaufen, könnten übergreifende Abläufe viel besser koordiniert und optimiert werden, so McKenna.

Infrastruktur umfunktionieren

Gleichsam plädierte McKenna dafür, Einsatzmöglichkeiten vorhandener Infrastruktur zu überdenken. Neben dezentralisierter Energieerzeugung - etwa durch das Einbinden stromproduzierender Gebäude - oder das Zwischenspeichern von Energie könnten elastischere Netze geschaffen werden, die sich je nach Bedarf anpassen. Auch könnten herumparkende Autos mit völlig neuen Aufgaben betraut werden. "Warum nutzen wir die in den stehenden Autos verbauten Sensoren nicht, um die Luftqualität und Temperatur zu messen, auftretende Gas-Lecks aufzuspüren, oder verloren gegangene Alzheimer-Patienten über GPS zu lokalisieren?", plädiert McKenna für kreative neue Ansätze bei bestehender Infrastruktur.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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