Wie man Solarstrom effizienter nutzen kann
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Die Photovoltaikanlage auf dem Nachbarhaus produziert Strom, doch der Nachbar ist auf Urlaub und kann die Energie nicht nutzen. Da wäre es sinnvoll, wenn die Bewohner der Umgebung diese überschüssige Energie verwenden könnten.
Was nach einem utopischen Experiment klingt, wird derzeit im Wiener Viertel Zwei in unmittelbarer Nähe des Praters im Rahmen eines Wien-Energie-Pilotprojekts umgesetzt. In diesem Sinne entsteht in dem Grätzl im zweiten Wiener Gemeindebezirk eine der ersten Energiegemeinschaften Europas. In solchen Energy Communities wird selbst produzierte, überschüssige Energie direkt an andere Haushalte weiterverkauft, anderweitig verwendet oder auch lokal gespeichert.
Mehr Sonnenstrom
Ziel der Energy Communities ist es, Stromnetze effizienter zu gestalten und den Anteil erneuerbarer Energien nachhaltig zu steigern. Bei Wien Energie geht man davon aus, dass auf diese Weise der einzelne Haushalt doppelt so viel Sonnenenergie selbst nutzen kann und das Energiemanagement dadurch wesentlich umweltfreundlicher gestaltet wird.
„Wir sind überzeugt, dass in Zukunft viele Energiegemeinschaften entstehen werden. Oberstes Ziel ist, unsere Stadt langfristig so gut es geht -frei zu machen“, sagt Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl.
Die Zusammensetzung einer Energiegemeinschaft sei dabei ein wesentlicher Faktor für den Erfolg, sagt der Wien Energie-Geschäftsführer. Idealerweise haben dabei die Teilnehmer zu unterschiedlichen Zeiten ihren Spitzenverbrauch: Etwa Haushalte, die am Morgen und am Abend viel Energie benötigen und Büros, die untertags Strom verbrauchen.
Auf diese Weise könnten die Spitzen im Stromverbrauch abgeflacht werden, sodass relativ gleichmäßig, ähnlich viel Energie bezogen wird. Durch den ausgeglichenen Verbrauch lässt sich auch eine Photovoltaikanlage effizienter nutzen. Das Ziel: Möglichst wenig zusätzliche Energie über das öffentliche Netz zu beziehen.
Stromhandel im Grätzl
Die Photovoltaikanlangen im Wiener Viertel Zwei produzieren insgesamt etwas mehr als 100 KWp (Kilowattpeak). Jedem der hundert Teilnehmer der Energiegemeinschaft ist also ein kW zugeordnet. Ob sie diesen Strom selbst verbrauchen, oder die überschüssige Energie an die anderen Teilnehmer verkaufen, bleibt den Bewohnern selbst überlassen. Was mit dem nicht verbrauchten Strom passieren soll und zu welchen Bedingungen die Haushalte diesen an die Nachbaren abgeben, können sie in einer Smartphone-App einstellen.
Der Handel selbst basiert auf der Blockchain-Technologie. Sie sorgt dafür, dass die gehandelten Energiemengen ein sprichwörtliches „Mascherl“ erhalten, was ebenso für die automatische Abrechnung notwendig ist.
Der Vorteil des Energiehandels innerhalb der Energiegemeinschaft: Wenn der selbst produzierte Strom innerhalb der Community gehandelt und verbraucht wird, fallen für die Bewohner keine Netzgebühren an, da die Energie nicht in das öffentliche Netz eingespeist wird, sondern in der direkten Nachbarschaft bleibt.
Das wirkt sich für die Bewohner zunächst vor allem positiv auf den Geldbeutel aus, denn die Netzgebühren machen normalerweise ungefähr ein Drittel der Stromrechnung aus. Der überschüssige Strom der der Energiegemeinschaft wird von Wien Energie gekauft und zu Marktpreisen weitergegeben.
Solarstrom in der Stadt
Erste Erfahrungen mit erzeugten Solarstrom für mehrere Haushalte hat Wien Energie im Rahmen des Modells „Photovoltaik im Mehrfamilienhaus“ gesammelt. Seit dem Vorjahr beziehen 48 Hausparteien im 22. Bezirk eigenen Sonnenstrom und können damit rund 30 Prozent ihres jährlichen Strombedarfs decken. Rund zehn Prozent oder 6800 bestehende Mehrparteienhäuser in Wien sind aus Sicht von Wien Energie für solche Gemeinschaftsanlagen grundsätzlich geeignet.
Virtuelle Gemeinschaft
Aktuell sind mehrere Solaranlagen in Planung. „Können alle derzeit geplanten Projekte in vollem Umfang umgesetzt werden, entspricht das 10.000 Quadratmetern Dachfläche und rund 700.000 Kilowattstunden Sonnenstrom im Jahr. Die Gemeinschaftsanlagen sparen damit zusammen jedes Jahr 250 Tonnen ein“, heißt es von Wien Energie.
In Zukunft soll es auch die Möglichkeit geben, eine virtuelle Energiegemeinschaft zu bilden. Dabei könnten dann auch Haushalte, weitgehend unabhängig vom tatsächlichen Wohnort, die Vorteile von Energy Communities nutzen. Bis es allerdings so weit ist, müssen erst die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden. Die Vorgaben dazu liefert die kürzlich beschlossene EU-Richtlinie „Clean Energy Package“.
Wettervorhersage
Auch der Wetterdienst Ubimet arbeitet an einem Forschungsprojekt namens SHAR-Q mit kleinräumigen Stromnetzen. Ubimet hat ein Modell entwickelt, das unter Berücksichtigung von lokalen Wetterprognosen den Energiebedarf und die zu erwartende Energieproduktion vorhersagt.
„Um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, sind solche Prognosen unerlässlich“, sagt Manfred Spatzierer, Ubimet-Chefmeteorologe gegenüber dem KURIER. Die Vorhersagen werden dazu genutzt, um eine effiziente Balance zwischen erneuerbaren Energiequellen, Stromspeicher und Strom aus den öffentlichen Netzen zu finden.
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