Ein Szintillator wandelt Röntgenstrahlen in sichtbares Licht um.

Ein Szintillator wandelt Röntgenstrahlen in sichtbares Licht um.

© BrightComSol

Science

Wiener Start-up will Röntgengeräte revolutionieren

Eigentlich hätte Behzad Shirmardi Österreich verlassen sollen, als er sein Doktoratsstudium an der Universität für Bodenkultur in Wien abgeschlossen hatte. “Der Magistrat gab mir 2 Wochen, um das Land zu verlassen”, sagt der gebürtige Iraner gegenüber der futurezone. “Aber ich habe nicht aufgegeben. Ich habe darauf bestanden, hierzubleiben - erklärt, dass ich ein Unternehmen gründe und Arbeitsplätze schaffe.”

Shirmardi durfte bleiben. Der Start seines Unternehmens BrightComSol, das er zusammen mit seinem Studienbetreuer Erik Reimhult aufbaute, war allerdings holprig. Gegründet wurde es am Freitag, dem 13. März 2020. Am Montag darauf trat der erste bundesweite Corona-Lockdown in Kraft. Doch Shirmardi gab nicht auf. Mittlerweile arbeiten 6 Personen bei BrightComSol. Sie wollen nichts anderes, als die Röntgentechnologie von Wien aus zu revolutionieren.

Szintillatoren als Herzstück von Röntgengeräten

Vor 129 Jahren entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen die nach ihm benannten Strahlen, bereits vor der Jahrhundertwende stellte er das erste komplette Röntgengerät vor. Seitdem hat sich das Bildgebungsverfahren zwar weiterentwickelt, “im Grunde verwenden Szintillatoren aber immer noch eine 70 Jahre alte Technologie”, sagt Shirmardi. Szintillatoren sind ein wichtiger Bestandteil von Röntgengeräten. Einfach gesagt können sie Röntgenstrahlen in sichtbares Licht umwandeln und dienen so als Röntgenstrahlendetektoren. Je mehr Röntgenstrahlung auf sie fällt, desto heller strahlen sie. 

Der Szintillator ist ein zentraler Bestandteil eines Röntgenapparats.

Der Szintillator ist ein zentraler Bestandteil eines Röntgenapparats.

Wenn etwa ein gebrochener Arm geröntgt wird, wird hinter dem Arm ein Szintillator platziert. Die Strahlung, die auf den Szintillator fällt, ist an der Stelle des Knochens schwächer, da dieser einen Teil der Strahlung absorbiert. Der Szintillator leuchtet an dieser Stelle also weniger. Das abgestrahlte, sichtbare Licht wird dann von Lichtsensoren aufgefangen und in elektrische Signale umgewandelt. Ein digitales Röntgenbild entsteht.

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Wer den Szintillator verbessert, verbessert also gleichzeitig die Qualität der Röntgenaufnahmen. BrightComSol setzt dabei auf einen neuen Ansatz, nämlich auf sogenannte Quantenpunkte. Diese winzigen Partikel bestehen hauptsächlich aus dem Mineral Perowskit, das auch bei der Forschung mit Solarmodulen eine zentrale Rolle spielt. Das feine Pulver kann dann mit einem Polymer vermengt und als eine Beschichtung auf eine Folie aufgetragen werden.

Besser als die Konkurrenz

Im Vergleich zu herkömmlichen Szintillatoren leuchtet das in Wien entwickelte Material viel stärker und wird auch wieder viel schneller dunkel, sobald die Röntgenstrahlung abgeschaltet wird. Das allein hat bereits mehrere Vorteile: Die Strahlenbelastung bei einer Untersuchung kann zum Beispiel reduziert werden, weil viel weniger Energie nötig ist, um das Material zum Leuchten zu bringen. Zudem können viele Bilder hintereinander aufgenommen werden, ohne zu warten, bis der Szintillator mit dem “Nachglühen” fertig ist.

Auch die Auflösung von Röntgenbildern können die Forscher verbessern, indem sie den Szintillator auf ein Glas auftragen, in das zuvor eine Wabenstruktur eingearbeitet wurde. “Normalerweise sendet ein Szintillator Licht in alle Richtungen aus, wodurch Umrisse verwaschen”, sagt Shirmardi. Durch die Wabenstruktur wird das Licht hauptsächlich nach vorne abgestrahlt und das aufgenommene Bild wird schärfer. Das ist nicht nur für medizinische Anwendungen, sondern auch für industrielles Röntgen von Vorteil. “Gedruckte Elektronik oder Lithium-Ionen-Batterien können so auf feine Haarrisse überprüft werden”, sagt der Forscher. 

Günstigere Strahlentherapie mit weniger Nebenwirkungen

Doch auch in der Medizin gibt es abseits der Bildgebung noch Anwendungsmöglichkeiten, etwa bei der Strahlentherapie gegen Krebs.“Zu 90 Prozent leiden Patienten nach einer Strahlentherapie an Hautverbrennungen”, sagt Shirmardi. Durch die sogenannte Flash-Therapie soll diese Nebenwirkung vermieden werden. Anstatt mehrerer Sitzungen, die über 10 bis 20 Minuten dauern, braucht es dabei meist nur eine Sitzung. In dieser wird der Tumor mit Tausenden hoch dosierten Strahlenimpulsen beschossen, was allerdings nicht einmal eine Sekunde dauert. Dadurch wird die Behandlung nicht nur schneller, sondern vor allem auch günstiger.

Das Labor von Behzad Shirmardi befindet sich in der BOKU:BASE in Wien-Heiligenstadt.

Das Labor von Behzad Shirmardi befindet sich in der BOKU:BASE in Wien-Heiligenstadt.

Die Flash-Therapie wurde 2018 erstmals bei einem Hautkrebspatienten durchgeführt und ist noch nicht klinisch zugelassen. Für die Zulassung braucht es nämlich eine Technologie, die in der Lage ist, die exakte Strahlenbelastung zu ermitteln, die in dieser kurzen Zeit auf den Körper wird. Der Szintillator von BrightComSol ist dazu in der Lage. Das Unternehmen entwickelte für eine präklinische Studie eine Art Pflaster, das mit ihrem Szintillator präpariert ist und direkt auf die Haut geklebt werden kann. So kann man genau messen, wie viel Strahlung auf einen Punkt auf die Haut trifft. “Mehr als 10 Millionen Krebspatienten weltweit haben keinen Zugang zu Strahlentherapie”, sagt Shirmardi. “Wir bei BrightComSol wollen diese Lücke schließen.”

Standort Österreich zahlt sich für junge Start-ups aus

Ziel des Unternehmens ist außerdem, dass ihre Technologie als der Standard für Röntgengeräte weltweit eingesetzt wird. Österreich sei laut Shirmardi insgesamt ein guter Ort, um ein Start-up zu gründen. Von der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) hat das in Wien stationierte Unternehmen fast 2 Millionen Euro Unterstützung erhalten, bei aws war das Start-up Teil des Preseed-Programms Deep Tech. Dieses fördert den Proof of Concept von Start-ups, dren Geschäftsmodell auf einer außergewöhnlich hohen technologisch-wissenschaftlichen Herausforderung basiert.

Um international Fuß zu fassen, sei allerdings mehr Kapital nötig. Das sei in Österreich nur schwierig aufzutreiben. Shirmardi will sich dieser Herausforderung trotzdem stellen. “Das wichtigste bei der Gründung eines Start-ups ist, nicht aufzugeben”, sagt er. Genauso wie damals im Magistrat.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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