Wie man Strom mitnehmen und verschenken kann
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Die 150 Schafe, die zwischen den 25.626 Paneelen in der Wiener Donaustadt grasen, haben vermutlich keine Ahnung, dass sie sich auf dem Grund des größten Solarkraftwerk Österreichs befinden. Die Photovoltaik-Anlage von Wien Energie auf einem ehemaligen Schotterplatz am Wiener Stadtrand ist aber nicht nur aufgrund der Kombination von Technologie und Natur oder ihrer Leistung von über 11 Megawatt besonders. Sie ist auch die erste, die mithilfe einer Blockchain-Lösung die erzeugte Energie digital verfügbar macht.
Investition in Photovoltaik-Module
Privatpersonen können sich über www.klimaschützen.at an insgesamt 5000 Modulen beteiligen. Um 250 Euro pro Modul erhält man einen Energiegutschein, der über die kommenden 5 Jahre auf die Stromrechnung von Wien Energie eingelöst werden kann. Die Vergütung ist von den erzeugten Kilowattstunden pro Jahr abhängig. In einem besonders schönen Sonnenjahr bekommt man mehr zurück. Garantiert ist ein Mindestbetrag von 53 Euro pro Jahr - also in jedem Fall mehr, als einbezahlt wurde.
Die aktuellen Produktionskapazitäten sind jederzeit in Echtzeit über ein personalisiertes Dashboard online einsehbar. Möglich ist dies, da alle Erträge der Photovoltaikanlage digital erfasst werden. Die von dem Wiener Start-up Riddle & Code entwickelte Blockchain-Lösung garantiert mit entsprechender Hardware und Software vor Ort, dass die erzeugte Energie nicht nur direkt der Anlage zugeordnet werden kann, sondern auch manipulationssicher ist. Alle Daten werden verschlüsselt in der dezentralen Blockchain gespeichert.
Energie als digitale Währung
Die transparente Einsicht, wie viel Strom das „eigene“ Modul produziert und damit auch Erträge generiert, ist laut Wien Energie nur der erste Schritt. „Wenn wir erneuerbare Energie dezentral ausbauen und stärken wollen - sei es durch solche Kraftwerke, Energiegemeinschaften oder die eigene Anlage auf dem Dach - müssen Konsumenten nicht nur am Verbrauch, sondern auch an der Energieerzeugung und der Vergütung aktiv teilhaben können“, sagt Kai Siefert, IT-Stratege bei Wien Energie, zur futurezone.
Durch solche Lösungen wie beim Solarkraftwerk Schafflerhofstraße könne man künftig seinen eigenen Strom nicht nur leichter verkaufen, sondern auch „mitnehmen“ oder verschenken.
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„Anstatt den am Nachmittag generierten Solarstrom vom eigenen Dach billig ins Netz einspeisen zu müssen, könnte man die erzeugte Energiemenge auch am Abend in der Stadt zur Verfügung bekommen, um sein E-Auto aufzuladen. Oder man verfügt im Eigenheim über den Strom, der gerade am unbewohnten Zweitwohnsitz erzeugt wird“, nennt Siefert Beispiele. Ebenfalls vorstellbar sei auch, dass die Oma den auf dem Gartenhaus in Dornbirn erzeugten Strom ihrem studierenden Enkel in Wien schenkt.
Fälschungssichere Blockchain
Damit die Umwandlung von Energie in digitale Wertmarken, sogenannte Tokens, überhaupt funktioniert, braucht es eine fälschungssichere Infrastruktur. „Wenn der Strom plötzlich nicht mehr vom etablierten Energieunternehmen kommt, sondern von meiner Nachbarin oder anderen mir unbekannten Personen muss ich vertrauen können, dass alles korrekt abläuft“, sagt Blockchain-Experte Christian Dienbauer von Riddle & Code.
So wie dezentral organisierte Netzwerke bei Kryptowährungen garantieren, dass Transaktionen in betrügerischer Absicht nicht mehrfach durchgeführt werden können, stellt die Blockchain bei der Energieerzeugung sicher, dass der gesamte Weg der Stromproduktion und -Verwertung fälschungssicher digital dokumentiert werden kann.
„Durch unsere Lösung ist genau nachvollziehbar, welche Anlage wann wieviel Strom produziert hat, wem diese Anteile gehören und auch ob sie verbraucht oder veräußert wurden“, erklärt Dienbauer. Das Besondere sei, dass durch entsprechende Mechanismen die Privatsphäre gewahrt bleibe und alles datenschutzkonform abgewickelt werde.
Sauberer Strom statt Atomstrom
Die genaue Dokumentation spielt im Rahmen der Energiewende aber auch für die Energiekonzerne eine wichtige Rolle – zum einen, wenn sie als Vermittler zwischen privaten Stromproduzenten auftreten, aber auch im Zusammenspiel mit ihren Partnern und Konkurrenten auf dem internationalen Energiemarkt.
Denn derzeit haben Anbieter, die sich eigentlich mit grüner Energie positionieren wollen, das Problem, dass der Strom im Netz eben kein Mascherl hat. Und so müssen österreichische Kunden in Kauf nehmen, dass unabhängig von ihrem Tarif etwa auch Atomstrom oder Strom aus fossiler Produktion aus ihrer Steckdose kommt. Gleichzeitig tun sich die Betreiber schwer, ihrerseits transparent zeigen zu können, dass der von ihnen produzierte Strom tatsächlich nachhaltig erzeugt wurde.
Stromausfälle vermeiden
Genaue, aktuelle Daten zur Stromerzeugung können den Umstieg auf nachhaltigere Energie aber auch in anderer Hinsicht erleichtern. Denn wetterabhängige Energieerzeugung, sei es nun durch Solar oder Windkraft, führt immer wieder zu Schwankungen, die im Netz ausgeglichen werden müssen. Zuverlässigere und aktuellere Daten können Netzbetreibern in Zukunft helfen, Produktions- und Verbrauchsspitzen auszugleichen und so für eine stabile Versorgung zu sorgen.
Wie essenziell dieses Management ist, zeigt sich derzeit gerade in den hitzegeplagten USA, wo ganze Landstriche aufgrund niedriger Wasserstände und hohem Energieverbrauch durch Klimaanlagen mit ausgedehnten Stromausfällen zu kämpfen haben.
Lokale Wettervorhersage durch Energiedaten
Stichwort Wetter: Große Anlagen könnten künftig sogar dafür eingesetzt werden, um lokale Wetterprognosen zu erstellen. „Unser Solarkraftwerk in der Schafflerhofstraße ist 17 Fußballfelder groß. Allein wie Wolken über diese Fläche ziehen und Schatten auf den Modulen verursachen, ist eine wertvolle Information, die für genaue lokale Vorhersagen – etwa bei einem Open-Air-Event oder für die Landwirtschaft – genutzt werden könnte“, ortet Energieexperte Kai Siefert viele Möglichkeiten, wie Energiedaten künftig zweit- und drittverwertet werden können.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen Wien Energie und der futurezone.
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