Iris Agresti forscht in Wien an Quanteninformationen, die als Basis für Quantencomputer dienen können. Österreich ist im Bereich Quantenforschung sehr stark.

Iris Agresti forscht in Wien an Quanteninformationen, die als Basis für Quantencomputer dienen können. Österreich ist im Bereich Quantenforschung sehr stark.
 

© APA/HELMUT FOHRINGER

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Wo die österreichische Forschung 2024 auf der Überholspur ist

Weltraum, die Energie der Zukunft und Künstliche Intelligenz – viele Österreicher machen sich darüber Gedanken. Unter ihnen sind kreative Erfinder*innen und mutige Unternehmer*innen, die unser Land weiterbringen wollen.

„Forschung und Entwicklung geht nur mit Köpfen. Wir brauchen Menschen und Moneten“, sagt die Geschäftsführerin der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) Henrietta Egerth in der Jahresrückschau, die in der Vorwoche präsentiert wurde.

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Zu wenig Mittel, zu viele gute Ideen

In puncto geniale Köpfe stehen wir offenbar gut da: Es gibt zahlreiche Ideen für Produkte, die die Welt in Zukunft brauchen könnte – sogar zu viele. Aus diesem Grund wurden im Vorjahr 22 Prozent der beantragten Förderungen von der FFG abgelehnt.

„Es waren Projekte, die von einer Jury qualitativ als sehr gut eingestuft wurden, die wir aber aufgrund eingeschränkter Budgets ablehnen mussten“, erklärt Karin Tausz, die seit September 2023 die FFG-Geschäftsführung verstärkt: „Es gibt mehr gute Ideen als wir fördern können. Das ist ein gutes Zeichen für den Innovationsstandort Österreich.“ 

Allerdings brauche es dringend Maßnahmen, um dessen Zukunft zu sichern: „Seitwärtsbewegung ist nicht genug. Wir brauchen zusätzliche Fördermittel für die Forschung“, meint Egerth. Der Blick auf Österreich allein genüge nicht. „Andere Wirtschaftsräume wachsen weltweit sehr dynamisch, aber auch in unserem direkten europäischen Umfeld gibt es Länder, die massiv ihre Forschungsanstrengungen und Investitionen steigern. Wenn wir nur da bleiben, wo wir jetzt sind, dann werden uns andere überholen“, erklärt Egerth.

Etwa in der Quantenwissenschaft, wo Österreich mit Forscher*innen wie Anton Zeilinger, der 2022 den Nobelpreis für Physik erhielt, eine internationale Spitzenstellung hat. Fraglich sei, ob wir uns dort auch halten können oder ob andere wieder an uns vorbeiziehen. Das war in der Vergangenheit ein Problem.

Der Physiker Anton Zeilinger bekam 2022 den Nobelpreis für Physik. Jetzt gilt es die Vorsprünge der österreichischen Quantenforschung zu nutzen.

Produktentwicklung

Laut Tausz gehe es nun darum, „dass wir hier schneller in die Verwertung gehen können. Damit es uns in Österreich – bzw. in Europa – nicht so geht wie bei anderen Themen, wo wir plötzlich unseren Wettbewerbsvorteil verlieren. Stichwort Halbleiter, wo Asien mittlerweile viel stärker ist als Europa. Wir wollen in der Quanten-Thematik nicht das Gleiche erleben“.

Aus der Grundlagenforschung müssten deshalb schneller praktische Produkte entstehen, so Tausz. Neben der Quantenforschung liegt ein besonderer österreichischer Fokus schon länger auf den Bereichen Lebenswissenschaften, Autos sowie der Oberflächen- und Materialforschung.

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20 Jahre FFG

Für die Umverteilung der Mittel ist hierzulande maßgeblich die FFG verantwortlich. Heuer feiert die wichtigste staatliche Förderstelle für Technologie und Innovation ihren 20. Geburtstag. Fördermittel flossen in der Vergangenheit sowohl an bekannte Start-ups wie Bitpanda oder Refurbed, als auch an Grundlagenforscher*innen wie eben Nobelpreisträger Anton Zeilinger.

Das Geld stammt zum Großteil aus öffentlicher Hand – insbesondere vom Klimaschutzministerium (BMK) und der Europäischen Union – etwa von der europäischen Weltraumagentur ESA. Hinzu kommen Einnahmen, die die FFG selbst erwirtschaftet.

Zahlen

12,9 Milliarden Euro wurden seit der Gründung der FFG 2004 an insgesamt 65.000 Forschungsprojekte in Österreich vergeben. Davon gingen 72 Prozent an Unternehmen. 13 Prozent flossen an Forschungseinrichtungen und 11 Prozent an Universitäten.

1,8 Milliarden Euro an Fördermitteln wurden im Jahr 2023 an 7.736 Projekte vergeben. Im Gründungsjahr 2004 waren es nur 315 Millionen Euro. Das entspricht fast einer Versechsfachung. Vor allem niedrigschwellige Angebote für KMUs schlagen sich in dieser Summe nieder.

77,4 Prozent der Österreicher sind der Meinung, dass Forschung, Technologie und Innovation wichtig sind, um die Probleme unserer Zeit zu lösen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die im Februar gemacht wurde.

Forschende Firmen

Besonders in Zeiten, in denen Inflation und Stromkosten die Wirtschaft bedrohen, brauche es die öffentliche Hand: „Wir müssen dagegenhalten und Industrie und KMUs helfen, damit sie ihre Forschungsaktivität weiter betreiben können“, erklärt Egerth. Es gehe nicht nur um konkrete Produkte, sondern auch um die Anpassungsfähigkeit: „Die Technologiesprünge werden kürzer, die Anforderungen, Technologien und Regularien immer breiter“. Hier habe die FFG zwei Schwerpunkte: Klima- und Mobilitätswende und Digitalisierung. 75 Prozent der geförderten Projekte beinhalten mittlerweile klimarelevante Aspekte.

„Wir sind konsequent den Weg gegangen, Formate für Digitalisierung und Klimaschutz zu entwickeln. Das ist gut angenommen worden, wie die Zahlen deutlich zeigen“, meint Tausz. Die Firmen wollen sich anpassen: „Wir sehen etwa, dass die Unternehmen das Thema KI aufnehmen und anwenden wollen“, sagt Egerth. Die Nachfrage nach Weiterbildungen in diesem Bereich übertreffe derzeit allerdings das Angebot.

Raumfahrt

Das Weltall gewinnt als Wirtschaftsraum laufend an Bedeutung. Expert*innen sprechen deshalb von der „Kommerzialisierung des Weltraums“. An der Öffentlichkeit ist bisher eher vorbeigegangen, wie stark dieser Sektor hierzulande mittlerweile ist.

„Das ist im Moment noch eine Nische in Österreich, hat aber enormes Potenzial zu wachsen“, ist Karin Tausz, Co-Geschäftsführerin der FFG überzeugt. Eine Erhebung ergab, dass Österreichs Forschungsunternehmen 2023 in diesem Bereich 209 Mio. Euro Umsatz erwirtschaften konnten. Insgesamt gibt es in diesem Bereich 150 Firmen mit 1.300 Vollzeitbeschäftigten. Deshalb wurde 2023 auch das österreichische ESA-Budget um 30 Mio. Euro erhöht. 

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„Österreich, insbesondere Wien, ist ein Weltraum-Hub“, sagt Tausz. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch seien wir im Weltraum-Sektor mit dem in Wien beheimateten European Space Policy Institute (ESPI) stark aufgestellt.

PRETTY als großer Erfolg

2023 vermeldete die Branche einige Erfolge, wie den Start des ersten österreichischen Satelliten PRETTY und die Präsidentschaft der European Interparliamentary Space Conference. Heuer will man an diesen Erfolgen anknüpfen und den Weltraum-Fokus im Bereich Forschung und Entwicklung weiter ausbauen.

2024 werden 4 ESA-Satelliten starten und die Rakete Ariane 6 soll ihren Jungfernflug absolvieren. All diese Projekte haben österreichische Beteiligung.

*Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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