NASA fliegt mit Technik aus Österreich zum Mond
2024 steht für die USA eines der wichtigsten Prestige-Projekte an: Mit der Mission Artemis 2 wird die NASA erstmals seit über 50 Jahren wieder Menschen zum Mond schicken. Dieses Mal werden sie zwar noch nicht landen, ein wichtiger Schritt, sich in der neuen Ära des „Space Race“ vor China zu schieben, ist es aber allemal. Die Technik, die dieses Vorhaben möglich macht, stammt auch aus Österreich.
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Die hier ansässigen Firmen sind seit Jahren routinierte Zulieferer für die amerikanische Weltraumagentur NASA und die europäische ESA. Beyond Gravity mit Standorten in Wien und Berndorf stattet fast schon traditionell Satelliten, Sonden und Raumschiffe mit seinem Thermalschutz aus.
Hitzeschutz für "Juno", "Euclid" und den "Solar Orbiter"
So werden die Jupiter-Sonde „Juno“, das europäische Weltraumteleskop „Euclid“ und der „Solar Orbiter“ mit der Technologie aus Österreich vor extremer Kälte und enormer Hitze im All geschützt. Es gibt kaum ein europäisches Projekt, bei dem Beyond Gravity nicht seine Finger im Spiel hat.
Aktuell sind mehr als 500 Satelliten mit Thermalschutz aus Österreich ins All gestartet. Zudem sind über 30 Navigationsempfänger von Beyond Gravity auf Satelliten im Einsatz, um deren Position zu bestimmen. Mit „PACE“ startet Ende Jänner ein weiterer solcher Satellit der NASA ins All, der die Weltmeere beobachten soll.
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Ein Steuermechanismus für das Orion-Raumschiff
Für die Rückkehr zum Mond kommt außerdem ein innovativer Steuermechanismus von Beyond Gravity zum Einsatz, mit dem die Solarkollektoren des Orion-Raumschiffs zur Sonne ausgerichtet werden. Während des Starts mit der riesigen SLS-Rakete der NASA müssen diese eingeklappt bleiben, erst im All entfalten und positionieren sie sich mithilfe des Mechanismus. Apropos SLS: Um den 2,8 Millionen Liter fassenden Tank mit flüssigem Wasser- und Sauerstoff zu versorgen, werden Druckleitungen der Firma Magna verwendet.
Angetrieben wird das Orion-Raumschiff, in dem sich die vierköpfige Besatzung befindet, vom europäischen Service Modul (ESM). Damit dort alles funktioniert – Antrieb, Sensoren, Atemluftzufuhr, Wasser- und Stromversorgung – benötigt es ein ausgeklügeltes Computernetzwerk. Auch hier hat Beyond Gravity seine Finger im Spiel, gemeinsam mit TTTech.
Ein neuer Kommunikationsstandard - made in Austria
Diese Wiener Firma liefert aber nicht nur das Nervensystem für das Orion-Raumschiff und das ESM. Mit „TTEthernet“ hat TTTech zusammen mit der NASA einen eigenen Standard entwickelt, der die Kommunikationssysteme zukünftiger und aktueller Raketen, Satelliten und Raumschiffe sowie der neuen Raumstation „Lunar Gateway“ miteinander kompatibel machen wird.
„Österreich hat eine kleine, aber feine Raumfahrtindustrie“, sagt Kurt Kober, Geschäftsführer bei Beyond Gravity der futurezone. Besonders stark seien die Unternehmen in den Bereichen Erdbeobachtung, Navigation und Telekommunikation. Ersteres ist ein stetig wachsendes Feld mit immer mehr Firmen und Start-ups aus Österreich, die Satellitendaten benutzen, um beispielsweise Klimadaten, Photovoltaik-Potenzial oder landwirtschaftliche Nutzung zu erfassen.
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Kompetenz und gut ausgebildete Arbeitskräfte
TTTech sieht auch das Potenzial, dass Österreich eigene Satelliten und Raumfahrtzeuge bauen kann: „Die notwendigen Kompetenzen sind verteilt über mehrere Unternehmen hierzulande vorhanden. Gut ausgebildete Arbeitskräfte haben wir und stimmige Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung auch“, erklärt Christian Fidi, Leiter des Luft- und Raumfahrtbereichs bei TTTech gegenüber der futurezone.
Immerhin, kleine Satelliten wie „PRETTY“ hat Österreich schon ins All gebracht. Dieser wurde von der TU Graz entwickelt und mit Technik von Beyond Gravity und Seibersdorf Laboratories gebaut. Er wird aktuell noch getestet und soll bald erste Klimadaten, etwa zur Bodenfeuchte und der Höhe von Eisdecken liefern.
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Zahlen und Fakten zum Weltraumsektor in Österreich
Das für Weltraum zuständige Klimaministerium hat im November 2023 eine Erhebung des heimischen Weltraumsektors veröffentlicht. Die Kernzahlen des Berichts:
- Gesamteinnahmen von mindestens 209 Millionen Euro pro Jahr gehen in Österreich auf den Weltraumsektor zurück. Dabei gehören 80 Prozent der Unternehmen hier Österreicher*innen
- 2 Drittel der Einnahmen werden in Erdbeobachtung, Raumtransport und Satelliten-Telekommunikation gemacht
- 150 Organisationen aus Wirtschaft, Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor beschäftigen sich in Österreich mit dem Weltraum
- Mindestens 1.300 Mitarbeiter*innen sind dort beschäftigt. Die Arbeitsstätten liegen hauptsächlich in Wien, der Steiermark und Niederösterreich
Luft nach oben bei der Investition
Doch die Firmen, die sich unter der Non-Profit Austrospace für die österreichische Raumfahrtindustrie einsetzen, sehen auch bei der staatlichen Unterstützung Verbesserungsbedarf. Ein Teil des öffentlichen Geldes, das in die Finanzierung der ESA fließt, wird in Form von Aufträgen in das Land zurück investiert. Würde Österreich mehr an die ESA bezahlen, gäbe es auch entsprechend mehr Aufträge für die heimische Branche.
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Zwar hat Österreich das ESA-Budget von 261 Millionen Euro noch mal um 30 Millionen erhöht, für die Firmen ist aber noch Luft nach oben da. „Wir sehen ein Riesenpotenzial in der Raumfahrt. Österreich könnte die heimische Raumfahrtindustrie mit Hilfe eines höheren ESA-Beitrages noch viel mehr unterstützen, damit einen wichtigen Zukunftsbereich absichern und wertvolle Industriearbeitsplätze schaffen“, so Kurt Kober von Beyond Gravity. Die zusätzlichen Mittel ermöglichen es der Firma aber, an einem wichtigen neuen ESA-Navigationsprojekt teilnehmen zu können.
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