Symbolbild: Gehirnchips

Die Einbringung eines Implantats ins Gehirn ist ein hochinvasiver Eingriff.

© Wang Zhao / AFP

Science

Die Vision vom Gehirnchip: Das steckt hinter der Technologie

„Das erste Produkt von Neuralink heißt Telepathy. Es ermöglicht die Kontrolle Ihres Handys oder Computers allein durch Gedanken“, erklärte Elon Musk am 30. Jänner. Zwei Tage zuvor hatte das Unternehmen Neuralink, das er 2016 gegründet hatte, seinen münzgroßen Hirnchip erstmals bei einem Menschen implantiert. 

Das Gerät soll zunächst Menschen mit Behinderung helfen, die ihre Arme und Beine nicht mehr verwenden können. Langfristig stellt sich Musk, dem auch das E-Auto-Unternehmen Tesla und der Raumfahrtbetreiber SpaceX gehören, allerdings vor, dass auch gesunde Personen einen Chip im Gehirn tragen. Sein Ziel, so sagt er, ist „eine Symbiose mit Künstlicher Intelligenz“ zu erreichen. Er will menschliche Gehirne mit Künstlicher Intelligenz (KI) verbinden, damit unsere Fähigkeiten nicht hinter denen von Computern zurückbleiben. Jeder könne so Geisteskräfte erhalten, die aus heutiger Sicht übermenschlich wirken.

Bekannte Forschung

„Ich sehe das anders als der Herr Musk“, erklärt Gernot Müller-Putz. Der Grazer forscht seit 25 Jahren an sogenannten Gehirn-Computer-Schnittstellen, zu denen Geräte wie das von Neuralink gehören. Er glaubt nicht daran, dass es in den nächsten Jahrzehnten einen Hirnchip für die Allgemeinheit geben wird. „Also ich möchte das nicht und viele andere auch nicht. Ich möchte nicht Social Media in meinem Kopf haben, es reicht mir so schon“, meint er mit einem Augenzwinkern.

Auch er wird in den nächsten 2 Jahren ein Implantat bei einem Menschen einsetzen. Dazu müssen Schädeldecke und Gehirnhaut geöffnet werden: „Wir sind dabei, ein implantierbares System zu entwickeln, das Gehirn-Signale aufzeichnet, diese verstärkt und dann nach außen zu einem Computer sendet, was einerseits Mauszeiger-Kontrolle am Bildschirm ermöglicht, aber auch gedachte Sprache decodieren soll“, so Müller-Putz.

Obwohl er der Idee wenig abgewinnen kann, dass wir alle einen hochinvasiven Chip in unser Gehirn bekommen, glaubt er, dass Gehirn-Computer-Schnittstellen allgemein schon bald einen Platz haben werden: „Wir gehen davon aus, dass diese irgendwann zum Alltag dazugehören: zuerst wahrscheinlich für Personen mit schweren Erkrankungen, wie Querschnittslähmung. Sie bekommen vermutlich richtige Implantate. Auch Gesunde werden diese Technologie benutzen, aber nicht implantiert“, sagt Müller-Putz.

Gernot Müller-Putz forscht seit 25 Jahren an Gehirn-Computer-Schnittstellen.

Gernot Müller-Putz forscht seit 25 Jahren an Gehirn-Computer-Schnittstellen. 

Kein Gedankenlesen möglich

Am wenigsten invasiv ist eine abnehmbare Elektroden-Kappe (Elektroenzephalogramm). Bei der nächsten Stufe werden die Elektroden an der Hirnrinde aufgelegt. Am weitesten geht der Eingriff, bei dem das Implantat direkt in das Gehirn kommt. Unabhängig von ihrem Platz funktionieren die Geräte ähnlich: Sie bestehen aus Elektroden, die die Hirnströme direkt aufzeichnen. Das Implantat digitalisiert diese Signale und sendet sie an andere Geräte. „Es gibt auch ein Kabel heraus aus dem Kopf“, erklärt der Forscher. Dieses sei dann an einem Computer angeschlossen.

Musk spricht bei Neuralink gerne von „Gedankenlesen“. Müller-Putz hält von dieser Bezeichnung wenig: „Das Stichwort Gedankenlesen wird immer gern verwendet, aber das findet einfach nicht statt“, sagt er. Stattdessen könne man ein solches System derzeit nur darauf trainieren, Muster bei Gehirnwellen zu erkennen, die durch Aktionen des Menschen ausgelöst werden: „Entweder über die Aufmerksamkeit auf bestimmte Symbole auf dem Bildschirm oder z. B. durch Handbewegungen“, erklärt er. Eine KI wandelt diese Muster dann in Befehle um, etwa in Eingaben am Computer.

Roboterarm steuern

Erforscht wurde das etwa mit einem Roboterarm, der mit einer Elektrodenkappe gesteuert wurde: „Wir haben menschliche Handbewegungen und die dazugehörigen Gehirnsignale aufgezeichnet und daraus ein Modell errechnet.“ Sieht man dann den Roboterarm an und denkt an die Armbewegung, wird das Muster erkannt und in den entsprechenden Steuerungsbefehl umgesetzt.

Bereits seit 1991 wird in Graz zu Computer-Gehirn-Schnittstellen geforscht. Aber erst jetzt komme das Thema „langsam in der Gesellschaft an“, erklärt Müller-Putz: „Wir haben schon vor 20 Jahren am Institut Pong gespielt, als Studenten mit einer Elektroden-Kappe.“ Dass Neuralink vor den menschlichen Versuchen Affen, die per Hirnimplantat das Computergame Pong spielen als Sensation präsentiert hatte, sei eigentlich ein alter Hut.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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