Wien bekommt größtes Start-up-Zentrum Zentraleuropas
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Noch zeigt in den ersten vier Stockwerken des Nouvel Towers am Wiener Donaukanal die Designplattform Stilwerk Sofas, Betten und schicken Hausrat. Ab dem Spätsommer soll das vom französischen Stararchitekten Jean Nouvel entworfene Hochhaus zum Tummelplatz für Gründer und Investoren werden. Auf 8000 Quadratmetern werden hunderte Start-ups, Risikokapitalgeber und Partner aus der Wirtschaft in das 2010 eröffnete Gebäude einziehen.
Vierstufiger-Aufbau
Die Grundstruktur des Start-up-Hubs folgt sowohl physisch als auch vom Konzept her einem vierstufigen Aufbau. So soll die Fläche im Erdgeschoß einem Co-Working-Space dienen, der auch kleinen Projekten mit zwei bis drei Personen Platz bietet. Dort sollen auch Events, Podiumsdiskussionen und internationale Gastvorträge stattfinden. Im ersten Stock werden dann für 100 Tage jene Start-ups angesiedelt, die es in den Akzelerator schaffen. Ein Stockwerk darüber - der Champions Floor - ist für bereits etablierte Start-ups reserviert, das vierte Stockwerk wird schließlich Investoren, Business-Angels und Partner aus der Industrie beherbergen.
Auch aus der Community selbst können und sollen Start-ups entstehen. “Unser Ansatz ist es, dass Personen oder Gruppen zu uns reinkommen, sich im Co-Working-Space einmal mit allen vernetzen können. Wenn sie sich für das Akzelerator-Programm bewerben, sind sie dort für die 100 Tage im Förderprogramm, um Anschlussfinanzierung zu erhalten und eben einen Stock höher zu ziehen”, erklärt Greiner. Auf dem "Champions Floor" können sich die Start-ups dann ganz normal einmieten.
Akzeleratorenprogramm
Dass man sich am Standort Wien tatsächlich als gewichtiges Zentrum für Start-ups etablieren kann, davon sind die Gründungsmitglieder von weXelerate überzeugt. Nicht zuletzt deute auch die aktuelle weltpolitische Lage darauf hin, dass sich hier neue Chancen ergeben. Blicke man etwa in die USA, die unter Trump nun einen protektionistischen Kurs fahren, oder nach Großbritannien, das aufgrund des Brexits vor Veränderungen steht, so würden sich aus diesen Ländern bereits jetzt Start-ups nach Alternativen umsehen.
Top-Unternehmen als Herzstück
In dem Programm werden die Jungunternehmen auch mit Partnern aus der Industrie zusammenarbeiten. Diese Komponente soll laut den Gründern das Herzstück von weXelerate bilden. Die Versicherung Uniqa, der das Haus am Donaukanal gehört, ist ebenso darunter wie der Mobilfunkanbieter T-Mobile, Wüstenrot und die Bank Austria. Der KURIER ist Medienpartner des Start-up-Zentrums. Auch mit Universitäten und Forschungsinstituten befinde man sich bereits in Gesprächen, sagt Kirmaci.
Ansprechen wollen die Betreiber nicht nur den typischen 24-jährigen Gründer, wie Markus Wagner von i5invest sagt, sondern auch kleine Teams aus Unternehmen, die an innovativen Ideen arbeiten. Auch was die Gründerkultur in Österreich betrifft, die bisher eher von geringer Risikobereitschaft und einem negativen Umgang mit Scheitern geprägt war, zeigen sich die weXelerate-Vertreter durchaus optimistisch. “Wir spüren, dass auch hier etwas Großes passieren kann und sich ein Kulturwandel vollzieht”, sagt Steinberger-Kern, die mit ihrem Unternehmen auch in Israel tätig ist und von dort eine ganz andere Einstellung kennt. “Ein Land muss nicht unbedingt riesig sein, damit sich eine lebendige Start-up-Szene entwickelt. Das zeigt auch Israel vor. Ich glaube, dass wir vor allem mit dem ‘Wir’-Gedanken punkten können, mit dem wir an das Projekt herangegangen sind.”
Internationale Vorbilder
Bei dem Konzept für den Start-up-Hub haben sich die Initiatoren auch an internationalen Vorbildern orientiert. Das Plug and Play Tech Center in San Francisco wird ebenso genannt, wie die Initiative Digital Switzerland. "Auch dort wird der Innovationsbedarf von Unternehmen in den Vordergrund gestellt", sagt Kirmaci.
"Innovationen brauchen auch Anschub von außen", sagt Thomas Polak, Chief Innovation Officer bei der Uniqa. WeXelerate biete eine Schnittstelle dafür: “Mit einem solchem Supernetzwerk können wir schneller vorankommen.” Start-ups würden auch nicht mehr als Schulgeschäft gesehen, fügt Investor Wagner hinzu: "Sie haben Business-Relevanz."
Die Eröffnung des Innovationszentrums ist für September geplant. Bereits im August sollen die ersten Start-ups einziehen. Schon bald werden die Designgeschäfte aus dem Nouvel Tower verschwunden sein. Ein Einkaufszentrum soll das Gebäude aber bleiben, sagt Mit-Initiator Greiner: "Es wird ein Einkaufszentrum für Innovationen sein."
Erfolgsgeschichten wie die des Linzer Start-ups Runtastic, das 2015 für 220 Millionen Euro an den Sportartikelhersteller adidas verkauft wurde, und die der Flohmarkt-App Shpock, die auf Millionen Smartphones weltweit vertreten ist, sind die Ausnahme. International werden österreichische Start-ups kaum wahrgenommen. Daran ändern auch erfolgreiche Veranstaltungen wie das Pioneers Festival, das jährlich 3000 Besucher in die Wiener Hofburg lockt, wenig.
Geht es nach den nackten Zahlen, hinkt die heimische Szene im europäischen Vergleich weit hinterher. Während in Großbritannien, Deutschland und Frankreich im vergangenen Jahr nach Berechnungen von Ernst & Young zwischen 2,3 und 3,7 Milliarden Euro in Start-ups investiert wurden, waren es in Österreich laut dem vor kurzem vom Start-up-Enthusiasten und Gründer Florian Kandler veröffentlichten Start-up-Report Austria gerade einmal 81,3 Millionen Euro.
Auch der Größe nach vergleichbare Länder wie Schweden, Irland, die Schweiz, Finnland und Belgien lassen Österreich mit Risikokapitalinvestitionen zwischen 140 Millionen und 1,2 Milliarden Euro weit hinter sich. Wien habe den Anschluss an die Spitze der internationalen Start-up-Hubs verloren, konstatierte die Unternehmensberatung Roland Berger in einer im Mai veröffentlichten Studie. Die Szene vibriere zwar, allerdings auf viel zu niedrigem Niveau.
Maßnahmen gefordert
Eingemahnt wurde in dem Papier unter anderem die Zusammenarbeit von Start-ups mit etablierten Unternehmen und die Errichtung eines zentralen Start-up-Campus, um den Erfahrungsaustausch zwischen Gründern zu intensivieren. 2016 verabschiedete die Regierung ein Start-up-Paket im Volumen von 185 Millionen Euro, das eine Lohnnebenkostensenkung für Gründer und eine Risikokapitalprämie vorsieht, um Investitionen anzukurbeln. In der Szene wird die Regierungsinitiative begrüßt, es gebe aber noch viel zu tun, sagt Markus Raunig, der der Start-up-Interessensvertretung Austrian Start-ups vorsteht. Die fehlende Möglichkeit Mitarbeiter früh am Unternehmen zu beteiligen gilt ebenso als Hindernis, wie bürokratische Hürden.
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