Kapsch TrafficCom schärft Profil abseits der Maut
Im Jänner 2014 hat das österreichische Verkehrstechnik-Unternehmen Kapsch TrafficCom die US-Firma Transdyn übernommen. Mit dem Spezialisten für Verkehrsmanagement-Systeme sollte das Portfolio im Bereich Intelligente Transportsysteme (ITS) gestärkt werden. Auf der Fachmesse Intertraffic in Amsterdam wurde der Neuzugang stolz präsentiert. Im Vergleich zu 2012, wo Kapsch auf der Intertraffic vor allem mit einem Tunnelvermessungssystem reüssierte, gab man sich 2014 diversifizierter. Die futurezone sprach mit Peter Ummenhofer, dem Leiter des Geschäftsbereichs ITS bei Kapsch TrafficCom, über die Gründe dafür.
futurezone: Herr Ummenhofer, im ITS-Bereich ist bei Kapsch jahrelang das Thema Maut sehr im Vordergrund gestanden. Ändert sich das nun?
Peter Ummenhofer: Wir sind mit elektronischen Mautsystemen groß geworden. Das war in der Vergangenheit immer der Schwerpunkt und wird es auch in Zukunft weiterhin sein. Aber vor zwei Jahren haben wir eine Strategieinitiative gestartet, mit dem Ziel, uns zu überlegen, wie wir uns weiterentwickeln. Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir uns am Markt breiter aufstellen müssen, da die unterschiedlichen ITS-Themenfelder zukünftig immer stärker zusammenwachsen. Wir haben Themen gesucht, die unser Portfolio sinnvoll ergänzen und ein Maximum an Synergien bringen.
Mit welchem Resultat?
Wir haben fünf Felder identifiziert, die mit dem Mautgeschäft in unterschiedlicher Weise zusammenhängen. Dann haben wir beschlossen, in diese Segmente proaktiv einzusteigen. Wir haben auch in der Vergangenheit andere Themen als Maut behandelt, aber eher opportunistisch. In Tschechien wurden wir etwa nach Realisierung des LKW-Mautsystems gefragt, ob wir auch ein Verkehrsmanagement-System installieren können. Das haben wir auch mit Hilfe von Partnerfirmen gemacht. Seit zwei Jahren verfolgen wir andere ITS-Themen aber strukturierter.
Transdyn
Welches dieser neuen Felder entwickelt sich bis jetzt am erfolgreichsten?
Das Verkehrsmanagement-Segment ist für uns sehr wichtig, gerade jetzt nach der Übernahme von Transdyn. Ein zweites größeres Segment ist Road Safety Enforcement [Rechtsdurchsetzung im Bereich der Straßenverkehrssicherheit, Anm.], mit dem Kapsch Force System. Wir haben mit Traffic Management Technologies eine Tochterfirma in Südafrika, die dort Marktführer ist. Diese Lösung wollen wir weltweit ausrollen - ähnlich wie beim Transdyn-System, das aus den USA kommt und nun über das Vertriebsnetz von Kapsch TrafficCom weltweit vermarktet wird.
Warum hat sich Kapsch denn speziell für die Übernahme von Transdyn entschieden?
Wir haben die letzten eineinhalb Jahre weltweit einen Partner für Verkehrsmanagement-Lösungen gesucht. In Summe haben wir uns zehn Firmen angeschaut. Transdyn bot die technisch beste Lösung, mit großem Funktionsumfang, Flexibilität und moderner Architektur. Transdyn hatte auch sehr interessante Referenzen vorzuweisen. Sie haben beispielsweise alle Tunnel und Brücken, die nach New York City führen, mit ihrer Verkehrsmanagement-Lösung ausgestattet. In Neuseeland haben sie ein landesweites System geschaffen. Die Mitarbeiter beherrschen ihr Metier perfekt. Man kann auch gut mit ihnen zusammenarbeiten, die Chemie stimmt.
Was waren die Synergien, die sich mit Transdyn boten?
Wir waren auf der Suche nach einer Lösung, die noch nicht jeder hat, die noch in wenigen Regionen vertrieben wird. Aus Transdyn-Sicht hatte Kapsch ein weltweites Vertriebsnetz zu bieten.
Ist Kapsch an das Unternehmen direkt mit einem Übernahmewunsch herangetreten?
Am Anfang waren es ganz vorsichtige Gespräche. Man darf da ja nicht mit der Tür ins Haus fallen. Aber wenn man merkt, das ist der richtige Partner, muss man schon konkret werden. Die erste Reaktion des bisherigen Eigentümers, Powell Industries, war verhalten. Wir haben aber nicht locker gelassen und letztendlich waren es die Transdyn-Leute selbst, die die Mutterfirma dazu gebracht haben, der Übernahme zuzustimmen. Transdyn operierte eher abseits des Kerngeschäfts von Powell Industries, noch dazu ist der Konzern auf Nordamerika fokussiert. Wir boten dagegen einen vollständigen ITS-Fokus. Wir passen also hundertprozentig zueinander. Die Mutterfirma hat dann gesagt: Okay, wenn ihr das wollt, dann wollen wir euch nicht binden und stimmen dem zu.
Kommunizierende Fahrzeuge
Ein zweiter großer Themenblock, der bei der Intertraffic am Kapsch-Stand zu erkennen war, ist der Bereich kommunizierender Fahrzeuge, auch V2X genannt. In welchem Entwicklungsstadium befindet sich V2X bei Kapsch TrafficCom?
V2X ist momentan zwischen Forschung und Serie. Fahrzeughersteller veröffentlichen derzeit Ausschreibungen für V2X-Komponenten, die zukünftig in Serienfahrzeugen verbaut werden sollen. Wir gehen derzeit davon aus, dass 2017 die ersten Fahrzeuge auf den Markt kommen, die mit V2X-Technologie ausgestattet sind.
Wie ist das Verhältnis von Kapsch TrafficCom zum Car 2 Car Communication Consortium, das sich mit der europaweiten Implementierung von V2X beschäftigt?
Wir haben gute Kontakte zum Car 2 Car Communication Consortium und wir wären an sich auch gerne Mitglied, aber es gibt da Vertragsrahmenbedingungen, die eine Mitgliedschaft für uns derzeit nicht zulassen. Wir haben aber auch so ein sehr gutes Netzwerk zu allen wichtigen Playern im Konsortium aufgebaut, sodass die fehlende Mitgliedschaft keine großen Nachteile für uns bringt.
Kapsch hat ja bereits am V2X-Projekt Testfeld Telematik teilgenommen. Jetzt wird ein neues Projekt namens "ECo-AT" bzw. "European Corridor" geplant. Was sind die Unterschiede zum Vorgängerprojekt?
Die Idee von ECo-AT ist, die Ergebnisse vom Testfeld Telematik zu nutzen und ein länderübergreifendes V2X-System in Österreich, Deutschland und den Niederlanden zu installieren. Wir wollen damit zeigen, dass Interoperabilität bei V2X-Technologien auch über Grenzen hinweg gegeben ist. Wir sind nur in Österreich am Projekt beteiligt. Hier ist geplant, dass die gesamte Autobahnstrecke zwischen Salzburg und Wien mit V2X-Technologie ausgestattet wird. Die Verkehrsmanagement-Zentrale in Inzersdorf wird dazu prototypisch um V2X-Fähigkeiten erweitert. Bei dem Projekt kann man das erste Mal unter Echtbedingungen testen, wie V2X auf einer kompletten Autobahn funktioniert.