Klimaschutz: "Mit Verzicht gewinnt man die Menschen nicht"
Die Pandemie hat die Wirtschaft in die größte Krise seit den 30er-Jahren gestürzt. Um die Auswirkungen abzufedern, gilt es nun rasch zu handeln und für Aufschwung zu sorgen. Das alles muss aber geschehen, ohne eine andere Krise zusätzlich zu verschlimmern, nämlich den Klimawandel.
Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds und Spezialistin für Energieinnovation und Förderungen, ruft dazu auf, in Bezug auf das Klima genauso schnell zu handeln, wie es bei Corona geschehen ist.
„Die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass rasches Handeln der Gesellschaft und der Wissenschaft im Verbund möglich ist“, so Vogel im Rahmen einer Veranstaltung am Dienstag. Bei den geplanten Konjunkturpaketen müsse es Synergien bei der Belebung der Wirtschaft und beim Schutz des Klimas geben. Es gehe darum, wie man klimafreundliche Innovationen gleichzeitig mit Schüben für das Wirtschaftssystem kombinieren könne.
Beste Voraussetzungen
Laut Martin Kocher, Wirtschaftsforscher und Direktor des Instituts für Höhere Studien und wissenschaftliche Forschung, hat Österreich dafür die besten Voraussetzungen. „Wir haben alle Instrumente – sowohl theoretisch als auch praktisch – an der Hand. Es gehe nur um die Umsetzung.“
So ist Österreich Weltmarktführer bei Umwelttechnologien. Eine Vorreiterrolle müsse hier der Staat einnehmen, der mit 45 Milliarden Euro jährlich der größte Beschaffer im Land ist. Man brauche Mut für Neues und müsse „klug investieren und innovativ beschaffen“.
Dem stimmt auch Vogel zu: „Mit dem Green Deal sind andere und neue Arbeitsplätze möglich. Wir müssen einen Schwenk vollziehen, der uns hier die Jobs bringen wird.“
Auf dem Spiel steht viel: „Die unmittelbaren Schadenskosten der Klimakrise werden 8 Milliarden Euro pro Jahr bis 2050 sein. Das ist eine unglaubliche Summe, die es zu vermeiden gilt“, so Vogel.
Muss sich lohnen
Dabei dürfe man aber auch nicht außer Acht lassen, dass man die Bevölkerung mitnehmen muss. Laut Kocher gehe es in erster Linie darum, Normen anzupassen. „Die Strategie, Leuten zu sagen, ihr müsst mehr verzichten, um das Klima zu retten, halte ich nicht für sinnvoll“, so Kocher. Gewohnheiten sind oft schwer zu durchbrechen. Wenn Menschen sehen, dass ihnen eine Verhaltensänderung auch persönlich etwas bringt, seien sie viel eher bereit dazu. Stellt man etwa fest, dass eine Strecke mit den Öffis in kürzerer Zeit zurückzulegen ist, steigt man vielleicht um, auch, wenn man das Auto gewohnt ist.
„Mit Verzicht gewinnt man die Menschen nicht“, sagt auch Vogel. „Man gewinnt sie dadurch, dass sie Vorteile haben.“ „Menschen sind willens, sich auf Innovationen und Neuerungen einzulassen, auch ein bisschen Risiko zu übernehmen“, zeigt sich Kocher überzeugt.
Vorteile können sich in verschiedenen Aspekten niederschlagen, etwa Bequemlichkeit oder auch in der Geldtasche. Und das müsse man auch politisch einfordern.
Kürzere Zeiträume
Kocher rät dazu, sich kurzfristigere Ziele beim Klimaschutz zu setzen: „Wir sprechen immer über 2040, 2050 oder sogar 2060. Besser wären jährliche Ziele. So kann man am Ende des Jahres besser evaluieren und klar sagen, welche Maßnahmen weiter notwendig sind.“
Vogel ortet hier einen der zentralen Unterschiede bei der Bekämpfung der Klimakrise und der Bekämpfung der Corona-Krise. So war der Feedback-Weg bei Corona ein sehr kurzer. Aufgrund der Inkubationszeit und den permanent erhobenen Infektionszahlen war immer sehr schnell sichtbar, welche Konsequenzen Entscheidungen haben. „Dieses Monitoring muss auch beim Klimawandel gegeben sein.“
Gewohnheiten überdenken
Bei dem, was man dem und der Einzelnen mitgeben könne, fordert Kocher auf, eigenen Gewohnheiten zu überdenken, „sowohl als Privatperson als auch im Unternehmen“.
Vogel sieht den größten Brocken beim individuellen Verkehrsverhalten. „Wenn es geht, am besten öffentlich, zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein.“ Als Hausbesitzer könne man gerade beim Eigenheim auf klimafreundliche Sanierung setzen und entsprechend investieren, „mit Innovationen aus Österreich, wenn es geht“. Gleichzeitig betont sie abermals: „Die Politik muss einen guten Rahmen setzen, sonst lohnt sich vieles nicht.“