Zu Besuch bei Dyson in der Geheimniskrämerei
Wer nach eineinhalb Stunden Autofahrt durch malerische, englische Landschaften im verschlafenen Malmesbury ankommt, kann kaum erahnen, dass hier mehr als 4600 Menschen an Staubsaugern, Lüftern, Föhnen und nun auch an einem Elektro-Auto tüfteln. Die Rede ist vom britischen Gerätekonzern Dyson, der seit 1993 außerhalb des kleinen Städtchens westlich von London angesiedelt ist.
Wenn der Chef kommt
Als die futurezone an einem herbstlichen Mittwochmorgen mit anderen Journalisten auf dem modern gestalteten Campus eintrifft, verpassen wir die Ankunft von Firmenchef James Dyson um wenige Minuten. Er gibt heute keine Interviews. Für Gespräche mit Mitarbeitern soll er aber immer ein offenes Ohr haben, auch wenn sie erst kurz beim Unternehmen sind. Wir hingegen bekommen eine Führung durch einige streng gesicherten Labors, in denen Dyson seine Geräte entwickelt.
Längst produziert der britische Konzern nicht mehr nur Staubsauger. Die darin verbauten digitalen Motoren setzt Dyson mittlerweile auch in Händetrocknern, Luftbefeuchtern, Ventilatoren und einem Föhn ein. Erste Station ist ein mit weißen Kacheln ausgekleideter Raum. Die Szenerie erinnert an eine dystopische Science-Fiction-Serie. Eine riesige Antenne zielt auf einen mittig platzierten Föhn, der von technischem Equipment umgeben ist.
In den Testreihen wird untersucht, welche elektromagnetischen Wellen der Föhn aussendet und wie er auf Funksignale in der Umgebung reagiert. Die Entwickler müssen sicherstellen, dass das Gerät nicht die Funkverbindung eines Handys stört und im Zusammenspiel mit anderen Geräten in der Wohnung ordnungsgemäß funktioniert.
In der Akustikkammer
In einem anderen, völlig schallgedämmten Raum ist der Föhn von Mikrofonen umringt, die sämtliche Geräusche des Geräts aufnehmen. Spielte die Lautstärke bei den Staubsaugern bisher kaum eine Rolle, war dies die Kundenbeschwerde Nummer eins bei Ventilatoren, verrät Dyson-Mitarbeiter Alex auf Nachfrage der futurezone in der Akustikkammer. Mittlerweile wird die Lärmbelastung bei der Konzeption eines neuen Modells mitbedacht.
„Nach unseren Tests wurde der Föhn mit 13 statt 11 Rotorblättern ausgestattet. Dadurch wurden die hochfrequenten Töne in einen Bereich verschoben, der für das menschliche Gehör unhörbar ist“, erklärt Woodfield. Bei Staubsaugern wiederum geht es auch um psychoakustische Empfindungen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass amerikanische Kunden die Leistungsfähigkeit des Staubsaugers auch entsprechend kräftig hören wollen. In Japan wiederum sei möglichst leise Technik Trumpf.
Böse Roboter
Den besagten Staubsaugern wird in den Tests am heftigsten zugesetzt. In einer zugigen Halle wird das neueste Akku-betriebene Modell alle drei Sekunden aus einem Meter Höhe auf den Boden geschmissen – 4000 Mal hintereinander. Ein anderes Modell kämpft mit einem Roboter, der den Schmutzbehälter des Staubsaugers alle zehn Sekunden öffnet und schließt.
Ein drittes Gerät muss pausenlos Schmutz aufsaugen, der von einer Vorrichtung verstreut wird. Bei den Tests wird simuliert, was Kunden im schlimmsten Fall anstellen. So werden die Geräte auf ihre Haltbarkeit geprüft.
Keine Auskunft
So offen alle Mitarbeiter über ihre Arbeit und den sozial offen gestalteten Campus plaudern: Die Frage, was der von Firmenchef James Dyson befürwortete Brexit für den Standort bedeutet, bleibt unbeantwortet. Ein weiteres Tabuthema ist auch das für 2021 geplante E-Auto, das Dyson mittlerweile offiziell bestätigt hat. Es soll am zweiten großen Dyson-Standort in Singapur massengefertigt werden.
„Niemand redet über seine Entwicklungen, weder zuhause noch mit Arbeitskollegen beim Bier. Das wäre wie ein Verrat an der Sache und würde Projekte gefährden, an denen Leute fünf Jahre lang Tag und Nacht arbeiten“, sagt Dyson-Entwickler Stephan Koch zur futurezone. Über das E-Auto wisse er deshalb schlichtweg nichts - wie praktisch alle hier. Denn dieses wird einige Kilometer von Malmesbury entfernt von 400 eigens rekrutierten Mitarbeitern in einem umfunktionierten Flugzeughangar entwickelt.
Definitiv involviert in das Projekt ist Gründer James Dyson. Teilweise mehrmals am Tag pendelt er zwischen den Standorten. So auch an diesem Mittwoch. Gerade, als wir die Tour beenden, sprintet dieser an uns vorbei zu seinem Auto und ist dahin.
Über Dyson
James Dyson gründete das Unternehmen 1991. Mittlerweile sind weltweit 12.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon 4500 Ingenieure und Wissenschaftler. Der Umsatz betrug im Vorjahr 3,5 Milliarden Pfund (4,2 Milliarden Euro). Der Gewinn lag bei 801 Millionen Pfund (961 Millionen Euro) und stieg um 27 Prozent. Das Automotive-Team am englischen Standort umfasst 400 Mitarbeiter und soll auf 700 Personen aufgestockt werden. Im Vorjahr produzierte der britische Konzern eigenen Angaben zufolge sein 100-millionstes Gerät.
Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, gründete James Dyson mit dem „Dyson Institute of Engineering and Technology“ im Herbst 2017 eine Privatuniversität, auf der 33 Ingenieurstudierende mit Bachelor-Abschluss aufgenommen wurden. Diese genießen eine kostenlose vierjährige Ausbildung und werden darüber hinaus für ihre Arbeit bei Dyson bezahlt. Auf dem Campus in Malmesbury entstehen derzeit universitäre Einrichtungen und Unterkünfte für die Studierenden.
Disclaimer: Die futurezone besuchte die Firmenzentrale auf Einladung von Dyson.