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Corona-Panik: Dutzende 5G-Masten in Europa angezündet

"Viren können nicht über Funkwellen oder Mobilfunknetze übertragen werden", teilt die Weltgesundheitsorgansiation WHO mit. Anlass für die eher ungewöhnliche Aussendung waren Fake News, in denen das Coronavirus mit der nächsten Mobilfunkgeneration 5G in Zusammenhang gebracht wird.

Verschwörungstheorien, die behaupten, 5G sei Auslöser oder beschleunige die Verbreitung von COVID-19, führten in den vergangenen Wochen in mehreren europäischen Ländern zu Brandanschlägen auf Mobilfunkmasten. In Großbritannien gingen fast 60 Handymasten in Flammen auf, selbst Sendemasten vor Krankenhäusern fielen dem Vandalismus zum Opfer.

Auch aus Irland, den Niederlanden und Zypern wurden Anschläge auf Mobilfunkinfrastruktur vermeldet. Die niederländischen Behörden sprachen sogar von einer "Europameisterschaft des Mastenverbrennens".

Keine Feuer in Österreich

Österreich nimmt daran - zumindest bisher - nicht teil. "Uns sind keine Fälle bekannt", sagt ein Sprecher des Mobilfunkmarktführers A1 zur futurezone. Vandalismus gegen Mobilfunkinfrastruktur sei hierzulande generell kein großes Problem. Eine Einschätzung, die auch vom Mitbewerber Magenta bestätigt wird.

Aufgetaucht waren die ersten Online-Artikel und Videos, die 5G mit dem Coronavirus in Verbindung brachten, bereits im Jänner. Damals wurden in Online-Netzwerken Videos eines Vortrags verbreitetet, der den Einfluss elektromagnetischer Strahlen auf Pandemien zum Thema hatte. Zahlreiche weitere folgten.

Ende Jänner hatten die 5G-Corona-Verschwörungstheorien auch den deutschsprachigen Raum erreicht, als die Webseite Connectiv Events die Todesfälle durch das damals nur in China grassierende Virus einem von 5G verursachten Zellabbau zuschrieb.

Zerstörte Mobilfunkinfrastruktur in Großbritannien

"5G als Sündenbock"

Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit 5G seien grundsätzlich nicht neu, sagt Andre Wolf von Mimikama, einem Verein der über Internetmissbrauch aufklärt. Mit solchen Mythen werde versucht der Aufbau von 5G zu verhindern. 5G sei auch bereits mit dem Vogelsterben oder Waldbränden in Zusammenhang gebracht worden. "Es fungiert als Sündenbock."

Man sehe, dass Leute, die Verschwörungstheorien anhängen, das Virus als Beleg nehmen, dass ihre Theorie richtig ist, sagt die Autorin und Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig. Sie sammelt unter der Adresse coronavirus@brodnig.org Falschmeldungen im Zusammenhang mit dem Virus. COVID-19 werde mit Grippeimpfungen ebenso in in Verbindung gebracht wie mit Verschwörungen zur Bargeldabschaffung. "Das sind Trittbrettfahrer der Corona-Krise."

Desinformationskampagne

Nach Angaben des niederländischen Geheimdienstes gibt es Hinweise darauf, dass die 5G-Coronavirus-Verschwörungstheorien von staatlichen Akteuren befeuert werden. In den vergangenen beiden Wochen habe es in den Niederlanden, aber auch in Großbritannien eine starke Zunahme von Fake News rund um das Coronavirus und 5G gegeben, heißt es gegenüber "Business Insider" aus Geheimdienstkreisen. Ein Teil davon wird Botnetzen in Russland und dem Iran zugeschrieben.

Auch der auf Desinformations-Netzwerke spezialisierte Forscher Marc Owen Jones, der Tausende Tweets zu dem Thema analysierte, spricht von einer großen Anzahl "unechter Aktivitäten" in Online-Netzwerken: "Es gibt starke Anzeichen dafür, dass viele der Konten, die Fake News verbreiten, Teil einer Desinformationskampagne sind."

Ausschließen will das auch Falschmeldungsaufdecker Wolf nicht. Es gebe ein gewisses Interesse europäische Strukturen zu stören. Das schlage sich auch bei 5G nieder. Der Aufbau der Infrastruktur solle behindert werden, andere Länder seien dann im Vorteil, sagt Wolf.

Autorin und Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig

Höhepunkt überschritten

Im deutschsprachigen Raum seien Fake News im Zusammenhang mit dem Coronavirus zuletzt wieder zurückgegangen, sagt Wolf. Das könne an einer Übersättigung liegen, dafür können aber auch das gute Wetter und die Osterfeiertage verantwortlich sein. "Die Leute gehen mehr raus, man kümmert sich um etwas anderes als Social Media."

Den Bemühungen von Online-Netzwerken wie Facebook und YouTube, die Verbreitung von Falschmeldungen rund um das Coronavirus einzudämmen, stellen sowohl Wolf als auch Brodnig ein gutes Zeugnis aus. Bei Corona-Falschmeldungen werde strenger vorgegangen als bei anderen Arten von Fake News, sagt Brodnig. Problematisch sei aber, dass es teilweise sehr lang dauere, bis die Meldungen entfernt würden. "Facebook braucht oft ein bis zwei Wochen", sagt Wolf: "In dieser Zeit sind solche Mythen bereits durch die Decke gegangen. Social Media ist so schnelllebig, dass solche Meldungen eigentlich innerhalb von Stunden entfernt werden müssen."

Zerstörungskultur

Warum kommt es in einigen Ländern zu Vandalismus gegen Handymasten und in anderen nicht? Dafür hat Brodnig keine Erklärung. Außer vielleicht, dass es hierzulande keine große "Zerstörungskultur" gebe.

Die in Großbritannien und den Niederlanden abgefackelten Handymasten würden aber zeigen, dass Fake News ein gefährliches Potenzial hätten. Solche Verschwörungstheorien seien verlockend, weil sie einfache Erklärungen liefern würden, sagt Brodnig:  "Wenn Leute das so ernst nehmen, dass sie glauben, sich verteidigen zu müssen und deshalb handeln, dann wird es gefährlich."

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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