Digital Life

Digitaler Zwilling verbessert Energieeffizienz von Gebäuden

Beim Kampf gegen die Klimaerwärmung durch eine Reduktion der Treibhausgasemissionen stehen die drei großen Sektoren Verkehr, Industrie und Gebäude im Mittelpunkt. Im Gebäudesektor gibt es großen Aufholbedarf, aber auch großes Potenzial für Einsparungen. Eine neue Kooperation von Siemens und der Universität Stanford soll zeigen, welche Effizienzsteigerungen im "Brownfield", also bei bereits existierenden und benutzten Gebäuden, durch die Anwendung neuester Technologien möglich sind.

Reale Form ermitteln

Für das Projekt wurde ein Schul-Campus in der Seestadt Aspern im 22. Wiener Gemeindebezirk herangezogen. Das Gebäude besitzt bereits ein modernes Building  Management System (BMS) von Siemens, mit dem sämtliche Gebäudefunktionen, von der Zutrittskontrolle über die Klimatisierung, überwacht werden. Mit Hilfe einer neuen Methode der beiden Stanford-Forscher Patrick Shiel und Sergio Tarantino soll die ohnehin auf hohe Energieeffizienz ausgerichtete Gebäudesteuerung noch einen Schritt nachhaltiger arbeiten.

Shiel und Tarantino haben den Schulcampus zunächst mit Laserscanner und Kameras präzise vermessen. "Idealerweise sollte ein Gebäude genau nach der Vorlage der Architekten gebaut werden", meint Patrick Shiel bei einem Pressegespräch in der Siemens City. "In der Realität gibt es aber immer Änderungen an den Plänen, Improvisationen während der Errichtung. Für die Baufirmen ist wichtig, dass das Gebäude am Ende fertig und funktionsfähig ist. Ob der Energieverbrauch optimal läuft, ist Nebensache."

Der Bildungscampus in der Seestadt Aspern in Wien

Echtzeitdaten für Algorithmus

Laut den Forschern aus Stanford sei es maßgeblich, Änderungen an der Form und der Nutzung von Gebäuden mit zu bedenken, wenn man das Energiemanagement optimieren will. Mit Hilfe der Laserscanner- und Kameraaufnahmen erstellen sie ein präzises digitales Modell, einen so genannten digitalen Zwilling, des Gebäudes. In den digitalen Zwilling fließen jene Daten in Echtzeit ein, die durch die Sensoren und Siemens-Systeme im Gebäude erfasst werden. Dazu zählen etwa Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Kohlendioxidkonzentration in jedem Raum des Schulgebäudes.

Mit den Daten aus dem Inneren des Gebäudes wird ein lernfähiger Algorithmus gefüttert, der auch Echtzeit-Wetterdaten erhält. Anhand all dieser Informationen optimiert der Algorithmus das Energiemanagement und überprüft sein Vorgehen durch Simulation an dem digitalen Zwilling. Durch die Verbindung mit dem Building Management System können sofort Steuerungsmechanismen zur Optimierung in Gang gesetzt werden. So können etwa Lüftungsklappen, Heizung und Klimaanlage sowie Außenjalousien noch besser und bedarfsorientiert gesteuert werden.

Funktionen rund um das Building Management System des Bildungscampus in der Seestadt Aspern

Konzentration fördern

"Durch das BMS weiß man bereits etwa, in welchen Räumen sich Personen aufhalten. Die enthaltenen Algorithmen verwenden dieses Wissen, um abzuschätzen, wie sich deren Körperwärme auf die Raumtemperatur auswirken wird und kann Heizung oder Klimaanlage entsprechend anpassen", erklärt Josef Stadlinger, der Leiter der Division Building Technologies bei Siemens. "Mit Hilfe des neuen Verfahrens schafft man es nun beispielsweise noch besser, die Kohlendioxidkonzentration zu jeder Zeit niedrig zu halten, um Konzentration oder Produktivität bei den Personen im Gebäude zu fördern."

Das wichtigste Argument für die neuen Technologien seien aber die dadurch möglichen Einsparungen beim Energieverbrauch. "Unsere BMS richten sich bereits nach bestimmten Referenzmodellen, die Optimierungspotenziale aufzeigen können. Ohne Komforteinbußen sind dadurch bis zu zehn Prozent Energieeinsparungen möglich", meint Stadlinger. "Wird nun auch noch ein Digitaler Zwilling angewendet, dann hat man eine weitere Referenz und man kann nochmal zehn bis fünfzehn Prozent Einsparungen herausholen." Dadurch werde nicht nur die Geldbörse des Gebäudebetreibers geschont, sondern am Ende auch die Umwelt.

Patrick Shiel (re.) und Sergio Tarantino  (li.) mit Laserscanner im Turnsaal

Klimaziele erreichen

Laut Shiel und Tarantino bedeutet das Erstellen eines digitalen Zwillings keinen enormen Aufwand. "Der Laserscan dauert ein bis zwei Tage und das bei einer Schule mit rund einhundert Räumen", meint Tarantino. "Das Ganze läuft wie bei Google Street View ab. Man wandert mit dem Laserscanner einfach durch die Räume." Laut Stadlinger verlange das Update eines bereits existierenden, rund zehn Jahre alten BMS für Gebäude in der Größe einer Schule auf ein vergleichbares Niveau Investitionskosten ab rund 100.000 Euro. Durch den reduzierten Energieverbrauch könne man aber mit einer Amortisation innerhalb weniger Jahre rechnen.

Auf Wohngebäude zielt der Digitale Zwilling nicht ab. Hier seien die Nutzungsmuster sehr unterschiedlich, meint Stadlinger. Im Fokus der neuen Methode stehen öffentliche und kommerziell genutzte Gebäude. Die meisten davon besitzen laut Siemens schon heute ein BMS. Eine Energieoptimierungsmethode, die an die Leistungsfähigkeit des Digitalen Zwillings herankommt, gebe es aber in den seltensten Fällen. Stadlinger: "Es gibt hier ein hohes Potenzial, um Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen."

Schlussendlich liege es nicht nur im Interesse von Gebäudebetreibern, auf größtmögliche Energieeffizienz zu achten, sondern auch für gesetzliche Anforderungen gerüstet zu sein, die in Zukunft strengere Regulierungsmaßnamen vorsehen.

 

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation von Siemens und der futurezone.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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