Die OA-1K Skyraider II hat ein Visier im Cockpit, das eigentlich auf Gewehren verwendet wird
Warum hat ein 40 Millionen Dollar Kampfflugzeug ein 600 Dollar Gewehrvisier im Cockpit?
3 Milliarden US-Dollar hat sich SOCOM, die Kommandozentrale für Spezialoperationen der USA, ihre neuen Flugzeuge kosten lassen. Das bringt den Stückpreis der OA-1K Skyraider II auf gut 40 Millionen US-Dollar.
Das scheint ziemlich viel für eine Propellermaschine, die ein umgebauter Ernteflieger ist. Mit der Air Tractor AT-802, die die Basis für die Skyraider ist, wird normalerweise Unkraut versprüht und nicht Bomben abgeworfen.
Jetzt sind Fotos aufgetaucht, die im Cockpit der Skyraider etwas ungewöhnliches zeigen: ein angebrachtes Gewehrvisier. War das Flugzeug etwa so teuer, dass man sich jetzt kein HUD mehr leisten kann, so wie es bei Kampflugzeugen üblich ist?
Eotech XPS im Cockpit
Bei dem Visier handelt es sich um ein Eotech XPS2 oder XPS3. Diese sind nahezu baugleich, das XPS3 hat aber zusätzliche Nachtsichtstufen, damit das Absehen auch mit Nachtsichtgeräten verwendet werden kann. Der Knopf dafür ist auf der Rückseite des Visiers.
Blick durch ein Eotech-Visier
© Eotech
Da die US-Streitkräfte häufiger das XPS3 als das XPS2 auf ihren Sturmgewehren nutzen (bzw. das EXPS3 mit seitlichen Knöpfen und höherer Bauweise) kann man davon ausgehen, dass auch in der Skyraider das XPS3 verbaut wurde.
Navy SEALS bei einer Übung mit MK18 Sturmgewehr und Eotech EXPS3
© US Navy
Das XPS3 ist nicht militärisch reguliert und kann regulär gekauft werden. In den USA kostet es, je nach Ausführung, etwa 650 US-Dollar – in Österreich muss man mit 900 Euro rechnen. Im Gegensatz zu anderen Rotpunktvisieren nutzt Eotech die holografische Technologie, bei der das Absehen auf das Glas projiziert wird. Ein ähnliches Prinzip nutzen Head-Up-Displays (HUD) in Flugzeugen.
Dafür wird das Eotech XPS genutzt
Also zielt hier wirklich die Besatzung der Skyraider mit einem Gewehrvisier? „Naja, es schießt auf Dinge“, sagt der offizielle X-Account der Air Tractor AT-802 dazu.
Das ist aber als Scherz gemeint. Die richtige Antwort hat twz auf Nachfrage vom AFSOC bekommen, der Air-Force-Abteilung des SOCOMs: „Das holografische Visier von Eotech wird vor dem Flug genutzt, damit der Pilot das am Helm montierte Display auf die Position des Flugzeugs ausrichten kann.“
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Ebenfalls bestätigt das AFSOC, dass es sich hier nicht um eine improvisierte Lösung handelt, obwohl es so aussieht: „Das Visier wurde schon beim Design der Skyraider inkludiert und ist an Bord von jeder Skyraider.“
Die OA-1K Skyraider II ist ausgelegt, um auch auf ungepflasterten Pisten starten und landen zu können
© SOCOM
Helm-Displays gehören mittlerweile zur Standardausstattung vieler US-Kampfflugzeuge. Sie blenden im Sichtfeld des Piloten Informationen ein, abhängig von der Blickrichtung. Dazu gehört das Markieren von freundlichen und feindlichen Einheiten, Flugdaten und auch die Waffensteuerung. Beim Kampfhubschrauber AH-64 Apache etwa bewegt sich das 30-mm-Geschütz mit der Blickrichtung des Bordschützen mit.
Kein HUD an Bord der Skyraider
Vor dem Start wird das Helm-Display am HUD ausgerichtet. Dadurch wird es kalibriert, damit die im Display angezeigten Informationen auch wirklich über den markierten Objekten eingeblendet werden und nicht etwa seitlich verschoben sind. Aber die Skyraider hat kein HUD.
Das Cockpit der OA-1K Skyraider II
© L3Harris
Das Cockpit für Pilot und Copilot ist randvoll gepackt mit Displays. Ein HUD ist da aber nicht dabei. Die Skyraider ist nämlich als Aufklärungs- und leichtes Bodenkampfflugzeug für Gebiete gedacht, in denen Lufthoheit herrscht. Für den klassischen Luftkampf ist das Flugzeug nicht ausgelegt, weshalb ein nach vorne gerichtetes HUD nicht erforderlich ist.
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Stattdessen wird bei der Skyraider mit 2 optischen Wescam-Kameramodulen gezielt, die sich unter dem linken Flügel befinden. Diese haben auch Wärmebildfähigkeiten und können Ziele mit einem Infrarotlaser markieren, die dann mit den lasergelenkten APKWS-Raketen oder GBU-12-Bomben bekämpft werden.
Die kugelförmigen Wescam-Kameras sind unter dem linken Flügel sichtbar
© SOCOM
Ein fest verbautes Bordgeschütz gibt es nicht. Auch das erklärt, warum auf ein HUD verzichtet wurde. Die Skyraider kann zwar bei Bedarf mit Gunpods unter den Flügel ausgestattet werden, das XPS3 ist aber in einer Position, die selbst als Notfallvisier, falls die Kameras ausgefallen sind, nicht optimal zum Zielen ist.
AC-130 hatte auch Eotech im Cockpit
Es ist nicht das einzige Flugzeug mit Eotech. Auch die mittlerweile außer Dienst gestellte AC-130W Stinger II hatte das Visier im Cockpit. Dort war es nach links unten ausgerichtet. Die Stinger II verzichtet ebenfalls auf ein klassisches HUD, weshalb das Eotech dort genauso zum Ausrichten des Helm-Displays gedacht gewesen sein könnte.
Links ist das Eotech im Cockpit der AC-130W Stinger II zu sehen
© US Air Force
Durch die nach links schräg unten gerichtete Position, könnte das Eotech aber auch eine andere, bzw. zusätzliche Funktion gehabt haben. Die Stinger II hat an der linken Seite eine 30-mm- und 105-mm-Kanone, um als fliegende Artillerie und für Luftunterstützung für den Nahbereich von Bodentruppen zu dienen. Womöglich ist das Eotech so ausgerichtet, dass es ein visueller Indikator für den Piloten ist, um in einem Winkel um das Ziel zu kreisen, der dem Schwenkbereich der Kanonen entspricht.
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