Frauen in der Technik: Dicke Haut und Quoten gefragt
Es gibt viel zu wenige, auch wenn es langsam mehr werden: Frauen in der Technik. Der Anteil in Österreich liegt laut einer AK-Studie von nur zwischen zehn und 20 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von bestimmten Vorurteilen bis hin zu verbesserungswürdigen Arbeitsbedingungen, speziell im Bereich Karenzmanagement und Personalentwicklung. Zwar bessern sich die Zahlen etwas, blickt man auf die vergangenen Jahre zurück, doch die Entwicklung erfolgt äußerst schleppend.
“Die Geschwindigkeit, mit der sich der Frauenanteil erhöht, ist nicht das, was wir uns erhoffen”, sagt Rassa Seyedi, IBM Global Business Services Leader Österreich, im Gespräch mit der futurezone. Seyedi ist unter anderem auch für Diversity im Unternehmen zuständig: “Wir haben das Motto ausgegeben - Don’t fix the women, fix the system.” Es gehe also nicht allein darum, das Verhalten von Frauen zu ändern, sondern man müsse breiter ansetzen. Etwa, mehr Bewusstsein schaffen, Frauen gezielter fördern und Rahmenbedingungen schaffen, sodass sich Frauen in diesen Jobs wohlfühlen, sich weiterentwickeln und verwirklichen können.
Beim Berufseinstieg seien Frauen sogar oftmals gleichauf mit Männern, problematisch wird es laut Seyedi insbesondere immer dann, wenn es um Familienplanung geht. “Wir müssen Bedingungen schaffen, dass Frauen auch mit Kindern ihre Karriere fortsetzen können.” Jedenfalls liege die Verantwortung auch bei den Männern, ergänzt Claudia Witzemann, Geschäftsführerin des Start-up-Hubs weXelerate. “Der Mann muss die Hälfte der Last tragen, das ist der einzige Weg.” Außerdem glaubt Witzemann stark an Vorbildwirkung, weshalb es hier wohl auch um einen Generationenwechsel gehe.
Klischees bei Kindern
Ein prägendes Problem entsteht schon bei kleinen Kindern. “Ich würde sogar sagen, hier ist die Entwicklung derzeit rückläufig”, so Witzemann. “Für Mädchen gibts Mädchenspitzer, für Buben gibts Bubenspitzer, ähnliches sehen wir bei Kleidung.” Hier fange es mit den Klischees schon an. “Ich habe zwei Mädchen und Leute zeigen sich verwundert, dass wir eine Rennautobahn zuhause haben”, sagt Witzemann. Dabei gebe es absolut keinen Grund Mädchen bzw. Frauen von Technik oder einer technischen Ausbildung fernzuhalten. “Deswegen ist es so wichtig, solche Themen aufzuzeigen, darüber zu reden und zu schreiben.” Positiv wertet die weXelerate-Geschäftsführerin, dass es in Österreich mittlerweile viele Frauen an der Spitze von IT-Unternehmen gibt - von Microsoft über HP bis hin zu IBM.
Bildungsfragen
“Es wäre wichtig ins Bildungssystem zu investieren - auch ganz abgesehen von der Geschlechterfrage”, sagt die IBM-Bereichsleiterin. “Wir sprechen hier vom Grundstein unserer Gesellschaft. Damit junge Menschen wissen, was ihre Stärken sind, damit sie ihre Interessen verfolgen und sich entsprechend entwickeln können.” Das Bildungssystem gehe heute zu wenig auf die digitalen Kompetenzen ein, kritisiert Seyedi. “Wenn die Kinder ihre Smartphones nicht hätten und sich nur auf das verlassen würden, was heute in Schulen unterrichtet wird, wären sie auf die heutige Gesellschaft gar nicht vorbereitet.”
Witzemann ortet bei Kindern eine irrsinnige Technikbegeisterung. “Ich sehe da bei der Nutzung keinen Unterschied zwischen Mädchen und Buben.” Diese Lust auf Technik müsse man doch nutzen können, meint Witzemann. “Ich stimme zu, dass man hier auch in der Schule etwas verbessern muss, glaube aber auch, dass wir das insgesamt als Gesellschaft besser fördern könnten.” Den Kindern einfach nur zu sagen “Leg dein Handy weg” sei jedenfalls nicht der richtige Weg, glaubt Witzemann. Auch simple Spiele könne man, wenn man es schlau mache, für Lerninhalte nutzen, ist die weXelerate-Geschäftsführerin überzeugt.
“Die Schüler sind in den digitalen Kompetenzen oft schon viel weiter als die Lehrer”, sagt Seyedi. Das sei jetzt nicht unbedingt deren Schuld, aber man müsse auch in die digitale Bildung der Lehrer investieren. In der Schule sollten, so Seyedi, moderne Technologien jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. “Man muss digitale Lerninhalte in jedes einzelne Fach integrieren, mit einer oder zwei Stunden IT die Woche wird es nicht getan sein”, ergänzt Witzemann.
Quotenfrage
“Ich bin mittlerweile total für Kennzahlen, also für die Quote”, so Witzemann. “Wir arbeiten in unseren Unternehmen überall mit Kennzahlen, sei es bei Umsätzen oder bei der Mitarbeiterentwicklung. Zur Erfüllung dieser werden dann auch noch häufig ein Bonus oder Ähnliches geknüpft”, erklärt Witzemann. “Wenn wir also hergehen und sagen, mach doch irgendwas mit Frauenförderung auch nebenbei, was soll dabei herauskommen?” Natürlich würde sich jeder darauf fokussieren, seine vorgegebenen Ziele und Kennzahlen zu erfüllen. “Daher widerspricht es der Logik, diese Kennzahlen ausgerechnet bei der Frauenförderung wegzulassen.” Es gehe also um eine grundsätzliche Entscheidung, wie man als Organisation führen wolle.
Innovation braucht Diversity
“Innovation entsteht nur dort, wo wir diverse Teams haben, wo Unterschiedliches zusammentrifft”, so Seyedi. “Wenn alle gleichgeschaltet sind oder so tun, dann werden wir null Innovation haben.” Dabei gehe es um die Einbindung von Frauen, aber natürlich nicht nur. “Auch Alter ist ein Thema, ebenso wie sozialer Hintergrund”, ergänzt Witzemann. Wenn man diese Kriterien nicht beachte, würden Produkte auch ganz einfach am Markt vorbei produziert.
Dass die Technikszene noch immer so stark männerdominiert ist, stellt Frauen auch oft schon in der Frage ihres Arbeitsumfeldes vor Herausforderungen, allein schon, um dort andocken zu können. “Man muss sich sicher erst einmal daran gewöhnen”, sagt Witzemann. Ihr sei das bereits im Studium gelungen, weil es auch dort zur damaligen Zeit schlichtweg sehr wenige Frauen gab. “Für mich war die Männerdominanz auf der Universität kein Thema”, ergänzt Seyedi, merkbar für mich wurde es erst in der Berufswelt. “Da geht es dann um den Aufbau von Netzwerken, um die Herausforderung sich durchzusetzen”, so Seyedi weiter - gerade als junge Frau sei das spürbar gewesen.
Sexismus in Technikberufen?
“Von allen Start-ups, die zu uns gekommen sind - bisher 150 - hatten wir erst eine wirkliche CEO, bei dreien waren Frauen in den Gründerteams dabei”, sagt Witzemann. “Ich glaube zwar nicht, dass die schlechter behandelt wurden.” Allerdings würden die Gründungen von Frauen in Österreich hauptsächlich im Bereich “Social Business” stattfinden. Sie selbst sei überwiegend verschont geblieben von Sexismus, so Witzemann. “Das Problem darf aber keinesfalls klein geredet werden. Und auch hier könne man mit Vorbildern sicher etwas bewegen.” Sicher brauche man eine dickere Haut, glaubt die Geschäftsführerin, das sei aber auch in anderen Bereichen zu beobachten, etwa wenn eine ältere Person in ein Team mit ausschließlich jungen Leuten komme.
“Ich glaube, ich habe meine Sensorik für sexistische Sprüche im Laufe der Zeit irgendwo abgebaut. Ich höre diese in meiner Wahrnehmung oft gar nicht mehr”, sagt Seyedi. Aber natürlich sei das ein persönliches Thema und komme unterschiedlich an. “Falsch ist jedenfalls, nichts zu tun. Wenn man Sexismus bemerkt, muss man es zurückweisen, es auf jeden Fall ansprechen” so Seyedi. Man könne ruhig sagen, wenn man einen vermeintlichen Witz ganz und gar nicht witzig finde. “Es ist ein sehr sensibles Thema und oft entstehen solche Situationen aus uralten gesellschaftlichen Klischees und Prägungen.” Eine grundlegende Veränderung werde laut Seyedi jedenfalls noch Zeit und Geduld erfordern. “Jeder hat hier eine Verantwortung ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen.”
Sowohl Witzemann als auch Seyedi betonen, dass es besonders wichtig sei, schon jungen Mädchen beizubringen, dass Technik „cool ist“. „Man muss Begeisterung wecken.“ Beide haben im Übrigen einen technischen Background und technische Studien absolviert.