Digital Life

Homeschooling: Viele Probleme beim digitalen Lernen

Fast eine Woche gibt es jetzt schon Distance Learning an Österreichs Schulen. Anfangs war das Chaos groß, schließlich mussten die Schulen die Umstellung binnen weniger Stunden organisieren. Doch mittlerweile läuft der Unterricht aus der Ferne weitgehend normal, es hat sich eingespielt.

Erste Umfragen zeigen, dass derzeit nur rund 15 Prozent der Kinder an Schulen betreut werden. Damit befindet sich die Mehrheit zu Hause. Wir haben daher einen Rundruf unter Lehrern und Eltern gestartet, um darüber zu sprechen, wie gut der digitale Unterricht zu Hause funktioniert und wo die größten Probleme dabei liegen.

Gute Vorbereitung ist alles

Ganz allgemein zeigt sich, dass der digitale Unterricht viel besser funktioniert als noch im ersten Lockdown. Viele Schulen haben sich in den vergangenen Monaten vorbereitet, erzählt eine junge Lehrerin eines Gymnasiums in Floridsdorf in Wien. So wurden etwa im Vorfeld Laptops für Kinder, die kein Gerät zu Hause haben, bestellt. Eine andere Lehrerin, die an einer Mittelschule in Ottakring in Wien unterrichtet, sagt, dass Lehrpersonal in Schulungen und Fortbildungen geschickt worden sei, damit es mit der eingesetzten Software besser zurecht komme und mit dieser arbeiten könne. Eine andere Lehrerin, die ebenfalls an einer Schule am Rande von Wien unterrichtet, hätte sich genau diese Fortbildung gewünscht. „Ich wäre gerne besser darauf vorbereitet worden und hätte gerne Ideen ausgetauscht mit Kollegen“, so die Lehrerin.

Die Vorbereitung auf das Distance Learning wurde im Vorfeld von Schule zu Schule sehr unterschiedlich gehandhabt. Es hängt auch vieles an der Technik selbst - und genau hier gibt es auch im zweiten Lockdown zahlreiche Probleme und zwar ganz unabhängig davon, welche Plattform eingesetzt wird.

Problem 1: Internet-Verbindung

Daniela Pühringer, Mutter einer zwölfjährigen Tochter, lebt etwa in einer kleinen Gemeinde im Mühlviertel, 35 Kilometer von der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz entfernt. Dort beträgt die beste Internet-Verbindung, die sie kriegen kann, heiße 3 Mbit/s im Download. „Meine Nachbarn und ich sind verzweifelt, denn wir versuchen seit Jahren erfolglos, Glasfaser oder eine bessere Mobilfunk-Anbindung zu bekommen“, so Pühringer, die selbst Lektorin an der FH Hagenberg ist. „Jetzt zeigt sich, wie wichtig das ist. Uns steht nur eine 50 Jahre alte Telefonleitung zur Verfügung, und es gibt auch kaum Handy-Empfang.“ Ihre Tochter hat im Herbst die Software „MS Teams“ von den Lehrern bekommen und drei Viertel der Fächer werden derzeit online unterrichtet. „Das geht bei unserer Internet-Verbindung nur, wenn niemand sonst im Haus irgendetwas nutzt. Sie kann außerdem nur zuhören, aber nicht aktiv partizipieren“, so Pühringer. Bei den Nachbarn sei die Situation noch prekärer, weil gleich zwei Kinder dem Online-Unterricht folgen müssen.  

Das Problem mit der nicht stabilen Internet-Verbindung existiert allerdings nicht nur in ländlichen Regionen, von denen es in Österreich viele gibt, sondern auch in der Nähe von Wien. Iwona Laub, Mutter zweier Kinder, berichtet ebenfalls davon, dass eine stabile Internet-Verbindung eine „Mega-Herausforderung“ sei. „Wenn meine Kinder, mein Mann und ich alle gleichzeitig online sein müssen, müssen wir alle 30 Minuten den Router neu starten, weil die Verbindung zusammenbicht. Ich habe bereits mehrfach Datenvolumen für mobile Hotspots dazu gekauft sowie einen LTE-Cube. Die 5 GB waren nach drei Tagen verbraucht, weil Video-Konferenzen sehr datenintensiv sind“, so Laub.

Auch sie berichtet von ihrer Nachbarin, die drei Kinder habe und die online gar nicht erreichbar seien, weil sie außer am Handy keine Internet-Verbindung haben  und auch diese sei limitiert. „Es würde finanziell schwächeren Personen in der jetzigen Situation helfen, wenn Mobilfunker in Zeiten wie diesen vorübergehend Datenvolumen herschenken würden“, so Laub. Ansonsten sei die Gefahr gegeben, dass Kinder zurückbleiben. Eine Volksschullehrerin hingegen fordert, dass der Staat die durch das Distance Learning anfallenden Kosten für Internet-Verbindungen übernehmen sollte.

Maske mit k.at-Logo und Laptop.

Problem 2: Fehlende Laptops

Das könnte auch passieren, wenn es keine Endgeräte für Kinder gibt. Zwar haben Schulen nach dem ersten Lockdown selbst die Initiative in die Hand genommen und geschaut, dass die Kinder, die es brauchen, Laptop-Leihgeräte erhalten. Doch klare Regelungen gibt es dazu nicht und vieles hängt vom Engagement der Lehrer und Schulen ab. Generell gilt: Je jünger die Kinder, desto weniger haben einen eigenen Laptop, weil sich eine Familie diesen in der Regel teilt. Da auch viele Eltern derzeit von zu Hause aus arbeiten (Stichwort: Home Office) können diese ihre Geräte aber nicht, wie sonst oft üblich, ihren Kindern borgen. „Viele meiner Unterstufen-Schüler steigen mit dem Smartphone via Teams in den Unterricht ein. Das führt allerdings dazu, dass sie sich nicht so aktiv am Unterricht beteiligen können, da Chatten per Smartphone in der Plattform nur schwer durchführbar ist“, sagt die Lehrerin aus Floridsdorf.  

Der Mangel an Geräten entsteht auch dadurch, dass die Schüler dem Unterricht zu fixen Zeiten folgen müssen. Damit gibt es auch teilweise bei Oberstufen-Schüler, bei denen tendenziell mehr Haushalte mit Familien-Laptops ausgestattet sind, immer wieder Engpässe. Anders als im ersten Lockdown werden dieses Mal die Schulstunden genau dann online abgehalten, wann sie in der Regel auch in der Schule stattfinden würden. „Es findet allerdings nur eine Stunde pro Fach und pro Woche online statt. Für die restlichen Stunden bekommen die Kinder Hausaufgaben, die sie bis zur nächsten Stunde erledigen müssen“, so die Lehrerin aus Floridsdorf.

Problem 3: Instabile Plattformen

Nicht nur schlechte Internet-Verbindungen und fehlende Laptops sind ein Problem, sondern auch instabile Plattformen. Wir haben bereits über die Server-Probleme bei der vor allem an Gymnasien beliebten Open-Source-Plattform Eduvidual berichtet, die auf der Lernumgebung Moodle basiert. Auch am Mittwoch verzeichnete diese immer wieder Ausfälle - und hinterließ genervte Schüler und Lehrer. „Wir verwenden diese Moodle-Lernplattform schon seit September und haben mit den Kindern die Nutzung geübt, damit sie gut vorbereitet sind. Derzeit funktioniert Eduvidual aber nicht wirklich gut, was mich ein bisschen traurig macht“, so die Lehrerin aus Ottakring. „Um Punkt 8 Uhr früh ist die Website down. Es gibt den ganzen Tag über Ausfälle. Das nimmt bei den Kindern sehr viel Drive weg und viel Motivation. Die Kinder wollen lernen und sind wissbegierig. Es wäre sehr wichtig gewesen, dass diese Plattform vor dem Lockdown aufgerüstet worden wäre, damit viele Leute gleichzeitig darauf zugreifen können“, so die Lehrerin.

Die futurezone hat beim Bildungsministerium, bei dem der Server liegt, mit dem Eduvidual betrieben wird, noch einmal nachgefragt, wann mit einer Besserung zu rechnen sei und bekam folgendes Statement: „Selbstverständlich ist es dem BMBWF ein großes Anliegen, dass das Distance Learning auch technisch gut funktioniert. Deshalb wurden die Schulen auch aufgefordert, sich auf eine Lernplattform pro Standort zu beschränken. Im Falle von Eduvidual hat diese Maßnahme in Kombination mit der Überführung von Moodle bei hohen Zugriffszahlen zu Engpässen geführt. Die bestehende Serverinfrastruktur ist dafür aber nicht verantwortlich. Von den rund 6.000 Schulen werden 350 Schulen von Eduvidual serviciert, von den Performanceengpässen sind etwa 70 aktiv betroffen. Spätestens mit nächster Woche sollte auch bei Eduvidual wieder alles rund laufen.“

Iwona Laub, die auch bei der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works tätig ist, ärgert das besonders. „Durch solche technischen Probleme werden Lehrer und Schüler einmal mehr in die Arme von Online-Riesen wie Microsoft getrieben, anstatt eine Open-Source-Lösung aus Österreich zu fördern.“

Fehlende vorzeitige Information

All den Punkten gemein ist, dass es sich um fehlende Infrastruktur handelt, und dass diese Probleme weder von den Eltern, den Lehrern oder den Schulen alleine behoben werden können. Vielmehr bräuchte es Initiativen von Mobilfunkern, oder Überlegungen seitens des Staates, wie man Distance Learning auf solide Beine stellen kann, so dass es funktioniert. Viele Lehrerinnen bemängelten, dass es Geld für viele Handelsbetriebe gäbe, aber es im Bildungsbereich keine zusätzlichen Investitionen gegeben hätte.

Zudem sei es schlichtweg „unverantwortlich“, Lehrerinnen und Lehrer an einem Samstagabend über die Medien auszurichten, dass sie ab Dienstag aus der Ferne zu unterrichten hätten. „Wenn man eine Woche Zeit hat, kann man solche Dinge viel besser vorbereiten“, heißt es von einer der Lehrerinnen.

Das Bildungsministerium hat zudem erst am Mittwoch eine „Empfehlung“ an Lehrerinnen und Lehrer ausgeschickt, wie sie mit Distance Learning umgehen sollen und dass etwa nicht jede Schulstunde digital stattfinden dürfe, sondern digitale Tools nur „mit Augenmaß“ eingesetzt werden sollten. Eine Lehrerin, die an einer AHS Unterstufe unterrichtet, berichtet davon, dass viele Kinder bereits nach der ersten Woche fordern, auch mehr „offline“ unternehmen zu dürfen. „8 Stunden vor dem Rechner sitzen ist anstrengend“, so der Tenor dieser Klasse. Die Klassenlehrerin überlegt sich nun, wie man den Kindern diesen Wunsch erfüllen kann.

Analog und offline

An manchen Schulen wird übrigens überhaupt kein digitaler Unterricht durchgeführt. Dort bedeutet „Distance Learning“ das Ausfüllen von Hausaufgabenblättern gemeinsam mit den Eltern. Eine Mutter, dessen 12-jähriger Sohn an eine Mittelschule in Wien geht, berichtet: „Sie müssen alles in ihren Schulbüchern nachlesen und auf Zettel aufschreiben. Am Freitagnachmittag muss ich die fertige Mappe mit den Hausübungen hinbringen und das neue Material mitnehmen.“ Sie habe zudem Probleme, ihrem Sohn in gewissen Fächern zu helfen - vor allem beim Deutschunterricht. „Ich setze mich jeden Tag 3 Stunden mit ihm hin, aber das ist sehr anstrengend.“ Generell funktioniere diese Methode laut der Mutter allerdings „sehr gut“. Dieses Beispiel zeigt allerdings, wie unterschiedlich „Distance Learning“ von Schulen umgesetzt wird.

Fazit: Neben fehlenden Laptops, einer sicheren Internet-Verbindung und stabilen Programmen bräuchte es auch einen generellen Fahrplan für die Digitalisierung im Bildungsbereich. Es kann nicht sein, dass Kinder im Jahr 2020 gesellschaftlich zurück bleiben, weil es für sie keinen gesicherten digitalen Unterricht gibt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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