Digital Life

Krieg um Ethereum: Miner drohen mit Rebellion

Der Erfolg der zweitgrößten Kryptowährung Ether (ETH) bzw. der dahinter liegenden Ethereum-Blockchain erweist sich immer mehr als Hemmschuh. Da die Plattform von einer Vielzahl von Krypto-Projekten und digitalen Währungen genutzt wird, kommt es immer wieder zu Engpässen im Netzwerk.

Die Kosten für einzelne Transaktionen, die sogenannten „Gas fees“, explodieren. Im Extremfall fallen Hunderte bis Tausende Euro an Gebühren an, was die Nutzung von Ethereum für weniger betuchte Normalverbraucher erschwert.

Rebellion gegen Update

Mit dem für Juli geplanten Update „EIP-1559“ soll sich das alles ändern. Es sieht eine radikale Abkehr vom derzeitigen Modell aus. Anstatt dass die Miner, die für die Erzeugung von neuen Ethereum-Blöcken und die Abwicklung der Transaktionen praktisch die gesamten Gebühren einstreifen, soll es künftig eine Grundgebühr in Ether geben, die aber nicht den Minern zukommt, sondern automatisch vernichtet wird. Das soll die bisher stetig steigende Anzahl an ETH-Tokens senken und langfristig einen deflationären Effekt haben.

Was ETH-Inhaber freuen wird, weil sie sowohl von geringeren Gebühren profitieren als auch davon, dass der Wert ihres Ether-Guthabens durch die Deflation steigen könnte, passt den Minern im Netzwerk allerdings gar nicht. Sie rechnen damit, dass 25 bis 50 Prozent ihres Einkommens durch das neue Modell verloren gehen, und drohen nun sogar mit offener Rebellion. Als Protest wollen sie sich in einer konzertierten Aktion zusammenschließen und am 1. April für einen gefürchteten 51-Prozent-Angriff sorgen.

Darunter versteht man die theoretische Gefahr, dass Manipulationen in der Blockchain möglich werden, wenn mehr als 50 Prozent des dezentralen Netzes plötzlich von einer zentralen Einheit kontrolliert werden. Was die Betreiber der großen Mining-Pools genau vorhaben, ist unklar. Sie ließen anklingen, dass sie die Aktion nicht in bösartiger Absicht planen, sondern als Protest – ähnlich eines Streiks. Auf einer Webseite rufen sie andere Miner zur Solidarisierung auf.

Ethereum-Gründer Vitalik Buterin unter Druck

Die Ankündigung kommt einer Kriegserklärung gegen die Entwickler rund um Ethereum-Gründer Vitalik Buterin gleich. Diese werfen den Minern vor, nur am eigenen Profit und nicht an der Funktionsfähigkeit des Ethereum-Netzwerks oder seinen Usern interessiert zu sein. Die Androhung der Attacke ließ Buterin nun mit einem Vorschlag vorpreschen, der die Macht der Miner noch schneller einschränken könnte, als ursprünglich geplant. So soll das seit Jahren geplante große Update auf ETH 2.0 vorgezogen werden.

Dabei soll das Netzwerk von der Methode „Proof of Work“ auf „Proof of Stake“ umgestellt werden. Bei ersterer werden Coins bzw. Token durch das Lösen komplizierter Rechenaufgaben erschaffen. So entstehen neue Teile (Blocks) der Blockchain. Die Miner werden für diesen äußerst rechen- und energieaufwändigen Prozess belohnt. Neben Ethereum funktioniert auch Bitcoin nach diesem Prinzip.

Ethereum-Gründer Vitalik Buterin will Miner aushebeln

Bei Proof of Stake hingegen entstehen neue Einheiten dadurch, dass User ihre Münzen zur Verfügung stellen und für einen bestimmten Zeitraum binden. Die User bekommen, vergleichbar mit Zinsen auf der Bank, dafür eine Belohnung. Da das Mining mittlerweile enorme Rechenleistung benötigt, wird es fast ausschließlich von großen Serverfarmen durchgeführt. Auch beim Staking werden sogenannte Pools oft von Firmen betrieben, die über die entsprechende Hardware verfügen. Je nach Anforderung des Kryptoprojekts können beim Staking aber auch Privatpersonen leichter einen Pool betreiben.

Polkadot und Cardano in Startlöchern

Viele Kryptoexperten sehen Ethereum an einem Scheidepunkt. Einerseits ist die Plattform die unumstrittene Nummer 1, was die Anzahl an Kryptoprojekten, aber auch die tatsächliche Nutzung inklusive Transaktionen betrifft. Während Bitcoin sich immer mehr zur digitalen Wertanlage entwickelt, die sonst aber keinen Nutzen hat, beherbergt Ethereum dezentrale Applikationen und kann über smarte Verträge eine Vielzahl von tatsächlichen Anwendungen der realen Welt in der digitalen Welt abbilden und sichern.

Auf der anderen Seite droht Ethereum technologisch links und rechts überholt zu werden. Neben der ebenfalls von einem Ethereum-Gründer geschaffenen Plattform Polkadot, dessen DOT-Token mit 30 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung bereits die sechstgrößte Kryptowährung ist, lauert auf Platz 3 Cardano mit dem dazugehörigen ADA-Coin (38,5 Mrd. Dollar Kapitalisierung). Hinter diesem steht ein weiterer Ethereum-Mitgründer und gleichzeitig eine der charismatischsten Figuren des Kryptouniversums: Charles Hoskinson.

Während Ethereum früh Entwickler und Anwendungen auf seiner Blockchain vereinte und jetzt das nicht ganz triviale Luxusproblem hat, einige technische Schwächen nachträglich zu lösen, ließ sich das Cardano-Team um Hoskinson nicht beirren. Ungeachtet anhaltender Kritik schuf es in jahrelanger Arbeit zunächst das technische Fundament, bevor die Plattform nun sukzessive für tatsächliche Anwendungen freigegeben wird. Das brachte Cardano zwischenzeitlich den Ruf ein, ein rein akademisches Projekt zu sein bzw. eine Geister-Blockchain. Genau diese Vorarbeit kommt der Plattform nun aber zugute, indem sie Ethereum in puncto dezentralem Aufbau, Skalierbarkeit und Effizienz alt aussehen lässt.

Aufstand als Katalysator

Hoskinsons ehemaliger Mitstreiter Buterin muss nun mit Entwicklern beweisen, dass die schwerfällige Ethereum-Blockchain schnell fit für das neue Kryptozeitalter gemacht werden kann. Der Aufstand der Miner, die sich um ihre Investitionen und ihr Geschäft gebracht sehen, scheint diese Aufgabe nicht unbedingt leichter zu machen. In letzter Konsequenz könnte – nicht zuletzt durch die gefährliche Drohung der Miner – aber genau diese Rebellion der zündende Funke sein, um aus der Starre auszubrechen und Veränderungen am Netzwerk schneller durchzudrücken.

Von den kommenden Wochen und wie sich dieser Konflikt lösen lässt, wird auch abhängen, ob der Preis des Ethereum-Token ETH in diesem Hype-Cycle so stark steigen wird, wie viele prophezeien. In den vergangenen 12 Monaten musste sich ETH jedenfalls nicht hinter Bitcoin verstecken. Der Preis stieg um schwer fassbare 1.500 Prozent von 110 auf derzeit 1.790 Dollar. Auch ein fünfstelliger Preis für ETH halten manche nicht mehr für völlig ausgeschlossen. Wie immer, gilt bei Investitionen in den Kryptomarkt aber vorsichtig zu bleiben.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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