Russland: Aeroflot “kannibalisiert” Boeing 737 und Jumbo-Jet
Seitdem gegen Russland aufgrund des Angriffs auf die Ukraine umfangreiche Sanktionen verhängt wurden, tut sich die Luftfahrtbranche des Landes schwer. So besteht die aktive Flotte des National-Carriers Aeroflot ausschließlich aus Maschinen von Boeing oder Airbus. Diese sind allerdings von der Ersatzteilversorgung durch offizielle Quellen abgeschnitten.
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8 Flugzeuge gekauft
Um diesem Problem zu begegnen, muss Aeroflot kreativ sein. Wie Aerotime berichtet, hat Russland nun 8 ehemalige Frachtflugzeuge gekauft, um sie für Ersatzteile auszuschlachten. Dabei handelt es sich um 6 Boeing 737-800BCF und 2 Boeing 747-400F, zuvor im Besitz der Volga-Dnepr Group, einem Frachtunternehmen.
Die Ersatzteile sollen Aeroflot-Maschinen sowie denen der Tochtergesellschaften Pobeda und Rossiya zugutekommen. Auch die beiden Aeroflot-Töchter fliegen fast ausschließlich mit westlichen Maschinen - lediglich Rossiya hat 75 Stück des russischen Sukhoi Superjet 100-95B/LR in Betrieb.
Kannibalisierung
Die betroffenen Flugzeuge waren bereits seit über 2 Jahren geparkt und werden nun ihre Teile wie Triebwerke, Fahrwerke und Avionik an Aeroflot liefern. Diese Art der Ersatzteilbeschaffung wird auch als Kannibalisierung bezeichnet. Ein anderer, allerdings aufwändiger Ansatz ist es, die Ersatzteile nachzubauen. Auch das macht Aeroflot gemeinsam mit dem russischen Konzern Rosatom.
Die Maßnahmen zeigen, wie schwer sich russische Airlines tun, ihre Flotten flugtüchtig zu halten. Vor Kriegsbeginn verfügte Russland über einen Bestand von etwa 1.500 bis 1.800 westlichen Flugzeugen, doch aufgrund der Sanktionen und der fehlenden Ersatzteile wird erwartet, dass bis 2026 mehr als die Hälfte dieser Flotte stillgelegt werden muss. Diese Einschätzung kommt allerdings vom ukrainischen Geheimdienst, ist also mit Vorsicht zu genießen.
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Kaum Alternativen
Vor allem bei Großraumflugzeugen gibt es derzeit für russische Airlines kaum Ausweichmöglichkeiten abseits von Airbus oder Boeing. Vom russischen Vierstrahler Iljuschin Il-96 wurden etwa nur 30 Stück gebaut, ein Großteil davon im Besitz des russischen Staates. So fliegt etwa Präsident Wladimir Putin mit einer Maschine dieses Typs.
Gemeinsam mit China wird derzeit auch der Großraumjet mit dem eher sperrigen Namen CRAIC (China-Russia Commercial Aircraft International Company) CR929 entwickelt. Dieser soll eine Kapazität zwischen 280 und 400 Sitzplätzen aufweisen und wäre damit ein direkter Konkurrent zum Airbus A350 und Boeings 777 bzw. 787. Die Auslieferung soll allerdings erst in den nächsten Jahren starten.
Iran mit ähnlichem Problem
Russland ist nicht das einzige Land, dessen Luftfahrtsektor solche Probleme hat. Auch im Iran muss man aufgrund von Sanktionen auf vergleichbare Praktiken zurückgreifen.
Eine Besonderheit in dem Land ist, dass viele Flugzeuge sehr alt sind. Manche stammen sogar noch aus der Zeit vor der islamischen Revolution 1979. Das führt dazu, dass Aviation-Enthusiasten immer wieder in das Land reisen, um mit Maschinen zu fliegen, die anderswo längst ausgemustert sind. Dazu zählt etwa das erste Airbus-Flugzeug A300.
Aber man findet im Iran auch neuere Flugzeuge. Diese werden von den Airlines oft über Umwege gekauft, um die Sanktionen zu umgehen. Als eine der Drehscheiben, wo alte Flugzeuge erworben und umregistriert werden, gilt etwa Südafrika.