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Zu Besuch bei der Formel E: "Sitzt da wirklich ein Mensch im Auto?"

Das Geräusch, das von der opulenten Hausfassade des Pariser Café de l’Esplanade zurückgeworfen wird, ist schwer zu beschreiben. Wie ein heulender Wind, der an alten Häusern rüttelt, aber eine Spur höher und mit einem Zischen, das so schnell vorbeizieht, wie es gekommen ist. An der Ecke, von wo diese seltsamen Klänge gerade herüberwehten, stehen zwei provisorische Zäune. Sie begrenzen den Straßenabschnitt, wo in wenigen Stunden direkt neben dem Musée de l’Armée das Pariser Formel-E-Rennen stattfinden wird.

Und dann ist das Geräusch wieder da. Das hohe Summen schwillt an. Als mein Blick noch zwischen dem Militärmuseum und der abgesperrten Straße hin- und herschweift, kommen die Rennautos dahergeschossen. Die Wucht, mit der die Boliden über die Kurvenbegrenzung fahren, um unmittelbar danach mit einem lauten Knall auf dem Asphalt aufzusetzen, lässt die Zaungäste zusammenzucken. Schnelle Autos haben mich persönlich noch nie interessiert, aber jetzt verstehe ich zum ersten Mal, warum der Motorsport so viele Menschen fasziniert.

In Paris machte die Formel E am vergangenem Wochenende bereits zum vierten Mal Station. Ganz verstanden dürften das Konzept mit den vollelektronischen Rennautos, die mitten in der Stadt um den Sieg fahren, aber immer noch nicht alle haben. Denn ein Ordner mit Schutzweste, der ebenso fasziniert wie die bereits eintrudelnden Besucher das Geschehen hinter dem Zaun beobachtet, fragt plötzlich freundlich, aber in vollem Ernst: “Fahren da eigentlich Menschen?” “Wie bitte?” “Naja, sitzen da echt Menschen drin oder werden die Autos ferngesteuert?”

Carrera-Bahn in groß

Zur Verteidigung des sympathisch wirkenden, jungen Mannes muss gesagt werden: In der Sekunde, in der die niedrig gebauten Rennwägen in der schmalen Kurve vorbeischießen, sind die darin verborgenen Fahrer auch aus unmittelbarer Nähe kaum zu erkennen. Der kurze Kurs mit einigen markanten Kurven; das Geräusch der Elektromotoren beim Beschleunigen; das Gefühl, dass die Autos wie auf Schienen über die Piste fliegen; Das alles erinnert tatsächlich ein wenig an ein Rennen auf einer überdimensionalen Carrera-Bahn.

Die Stimmung vor Ort war den Tag hindurch gut. Die offiziellen Tribünen, die aber nicht allzu vielen Menschen Platz bieten, waren ausverkauft. Entlang der Strecke, aber auch auf drei großen Parkwiesen, die an die Boxenstraße und die Strecke anschlossen, konnten Besucher auch ohne Ticket zusehen.

Aufgrund der gerade stattfindenden französischen Schulferien, aber wohl auch wegen des durchwachsenen Wetters, das mit Hagel, Sturm und Regen später für einen chaotischen Rennverlauf mit diversen Unfällen sorgen sollte, fühlte sich das weitläufige Gelände zeitweise etwas leer an.

Soziale Gerechtigkeit

Die Besonderheit, ein Rennen mitten in der Stadt zu veranstalten, bringt mit sich, dass vieles improvisiert wirkt. Welche Aus- und Eingänge, Über- und Unterführungen sowie Zugänge zu bestimmten Bereichen und Tribünen man mit welchem Ticket, Bändchen oder VIP-Pass benutzen darf, erschloss sich den meisten Besuchern, wie auch mir, bis zum Ende des Renntags nicht wirklich.

Man irrt herum, steht dann vor dem Übergang, der vor einer halben Stunde noch benutzt werden durfte, um zu den Tribünen zu gelangen, muss durch eine Tiefgarage zurück, kommt aber nicht mehr da hinaus, wo man vor zehn Minuten gerade noch hereingegangen ist. Also alles wieder retour.

Einziger Trost im Sinne des sozialen Friedens: Inhaber von Super-VIP-Premium-Tickets werden ebenso durch die Gegend geschickt wie der Rest des Fußvolks. 11,2 Kilometer Fußweg zeigt meine Smartwatch nach den 8 Stunden vor Ort - die Rennstrecke selbst ist nur 1,9 Kilometer lang.

Viel Programm für Besucher

Professionell organisiert ist hingegen das Rahmenprogramm. Die Teams und die beteiligten Autohersteller bieten Simulatoren, Geschicklichkeitsspiele und Fitnesstests. Wer will, kann sich dort auch die Rennautos sowie die neuesten Elektroautos für die Straße aus nächster Nähe ansehen. Die 22 Fahrer der elf Teams zeigen ebenfalls wenig Berührungsängste. Zwischen Qualifying und Rennen, das am gleichen Tag stattfindet, marschieren sie zur Autogrammstunde im Freien auf. Dass ausgerechnet in dem Moment der erste Hagelschauer niederprasselt, ist Pech, bringt aber zusätzliche Sympathie, weil sich die Sportler davon nicht abschrecken lassen.

Vom Rennverlauf selbst kriegt man abseits der Tribünen wenig mit, dafür kommt man mit etwas Glück sehr nah an die Strecke heran. Zumindest in Paris war das so, was angesichts der vielen Crashes und Geschwindigkeiten bis 200 km/h ein ziemliches Spektakel bot. Dass im achten Rennen der Saison mit Virgin-Fahrer Robin Frijns schließlich der achte Gewinner gekürt wurde, unterstreicht die Dramatik des noch jungen Sports.

Oder wie es der ehemalige DTM-Champion und Formel-1-Pilot Pascal Wehrlein kurz vor dem Rennen formulierte: "Es gibt keinen Platz für Fehler". Er wurde nach dem Qualifying von der Pole Position ans Ende des Felds zurückgestuft - wegen falschem Reifendruck.

Weitere Rennen

Wer auch einmal erleben möchte, wie sich ein elektrisches Rennauto bzw. ein derartiges Rennen live anfühlt und anhört, hat in dieser Saison noch am 11. Mai in Monaco, am 25. Mai in Berlin und am 22. Juni in Bern die Chance. Den Abschluss bilden zwei Rennen in New York am 13. und 14. Juli.

Ob im kommenden Jahr weitere europäische Städte oder erstmals auch Wien auf dem Programm stehen könnten, ist unklar. Die Konkurrenz ist jedenfalls groß. Über 100 Metropolen sollen bereits Interesse bekundet haben, einen ePrix zu veranstalten.

 

Disclaimer: Die Reise der futurezone zum Pariser ePrix fand auf Einladung von DS Automobiles statt.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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