Meinung

Wer will ein leeres, zensiertes Internet in Europa?

Schon bald könnte das Internet ganz leer und langweilig werden: Keine lustigen Memes mehr. Keine Bilder, die bedeutende Weltereignisse satirisch kommentieren. Keine Zusammenarbeit mehr im Internet auf Plattformen, denn diese müssen künftig jedes einzelne Snippet, das im Netz hochgeladen wird, vorab überprüfen. Kein Platz mehr für kreative Ideen. Keine Möglichkeit für Start-ups, die auf nutzergenerierte Inhalte setzen.

Was wie eine Dystopie klingt, ist in Europa gar nicht so weit entfernt. Am Mittwoch gab es im Rechtsausschuss des EU-Parlaments einen Vorentscheid zum Urheberrecht, der die Netzfreiheit gefährdet und das Internet, so wie wir es kennen, grundlegend verändern könnten.

Filter für alles, was wir posten

Jeder Inhalt, den wir erstellen, soll künftig von Filtermaßnahmen automatisiert überprüft werden, um Urheberrechtsverletzungen festzustellen. Natürlich machen große Plattformen wie YouTube oder Facebook das bereits jetzt schon – und oft mit verheerenden Auswirkungen. Künstler, die von Zensur betroffen sind, müssen oft in einem mühsamen Prozess beweisen, selbst Urheber ihres Werks zu sein. Auch Parodie-Videos, die Snippets aus Nachrichten-Sendungen wiedergeben, um diese dann zu kommentieren, würden nach der neuen Regelung endgültig Geschichte sein.

Die Frage, die hier aufkommt, ist: Und wie helfen diese Maßnahmen jetzt Künstlern, Musikern, Schriftstellern dabei, Geld zu verdienen? Was haben die eigentlich davon? Richtig ist: Nichts oder nicht viel. Die Maßnahmen gehen komplett daran vorbei, wie man Urheberrecht im Internet innovativ regulieren könnte.

Legitimation von Zensur

Upload-Filter helfen etwa großen Firmen wie Facebook und Google, die damit ihre bereits aufgebauten automatisierten Filtersysteme vielleicht auch noch lukrativ weiterverkaufen könnten. Außerdem wird damit das Zensieren, das Filtern legitimiert – und wohl bald auch nicht nur bei Urheberrechtsverstößen eingesetzt. Damit werden Internet-Anbieter außerdem zur privatisierten Rechtsdurchsetzung ermächtigt.

Internet-Pioniere wie der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, und Wikipedia-Gründer Jimmy Wales sehen darin „einen Schritt in Richtung Transformation des Internets von einer offenen Plattform für Innovation und Kollaboration in ein Tool der automatisierten Überwachung und Kontrolle der Nutzer.“ Sogar der UN-Berichterstatter für Meinungsfreiheit, der sich sonst eigentlich nie in EU-Entscheidung einmischt, warnte bereits davor, dass Nutzer damit „Restriktionen bei der Meinungsfreiheit“ haben werden.

Liebes EU-Parlament, warum glaubt ihr diesen Experten nicht? Wollt ihr wirklich ein leeres, zensiertes Internet, das jeglichen Spielraum für Kreativität raubt? Ich nicht.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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