CO2-Handabdruck statt CO2-Fußabdruck
Was ist mein ganz persönlicher CO2-Fußabdruck? Für welchen Anteil des weltweiten CO2-Ausstoßes bin ich als Individuum durch mein Konsumverhalten verantwortlich?
Es gibt viele verschiedene Webseiten, auf denen man das ganz persönliche CO2-Sündenregister in Tonnen CO2 umrechnen lassen kann. Doch die Frage nach solchen Zahlen ist ähnlich sinnvoll wie die Frage nach dem Gewicht des Monats Mai gemessen in Mikrosekunden. Sie ist einfach falsch gestellt.
Nicht alles kann man aufrechnen
Wir leben in einem komplexen, vernetzten Wirtschaftssystem, das insgesamt viel zu viel Treibhausgase produziert. Das ist eine Tatsache. Aber wie die Gesamtproduktion dieser Treibhausgase auf einzelne Personen heruntergebrochen werden kann, kann man nicht immer sagen. Wenn ich Auto fahre, sind die Emissionen Teil meines CO2-Fußabdrucks. Klar. Aber was ist, wenn ein Lieferservice mir mit dem Auto etwas bringt? Kommt das auf deren Konto oder auf meines? Was ist, wenn ich für meine Oma einkaufen fahre? Wenn ich sie besuche? Ihr Konto oder meines?
Wenn ich Ökostrom aus Wasserkraft beziehe, ich aber weiß, dass man nur mit Wasserkraft das Land nicht mit Strom versorgen kann – muss ich mir dann trotzdem einen Teil des CO2-Ausstoßes von Gaskraftwerken anrechnen lassen? Und um wie viel erhöht sich mein CO2-Fußabdruck, wenn ich in einer Ausstellung Kunstwerke sehe, die mit Schwertransportern dorthin transportiert wurden? Und was, wenn ich gar nicht hingehe, die Ausstellung aber von meinem Steuergeld subventioniert wurde? An irgendeinem Punkt wird die Sache einfach zu kompliziert.
In einer vernetzten Gesellschaft sind wir einfach für manche Dinge gemeinsam verantwortlich. Wir können sie nicht zerlegen und einzelnen Personen in die Schuhe schieben. Das ist genauso falsch, als würde man nach einer Fußball-Weltmeisterschaft versuchen, nach komplizierten Verteilungsschlüsseln den Pokal auf alle Spieler aufzurechnen und zu behaupten, dass der linke Außenverteidiger genau 7,21 Prozent zum Weltmeisterschaftstitel beigetragen hat. Das ist bloß Rechenakrobatik, die niemandem hilft. Es war Gemeinschaftsarbeit.
Was erreichen wir, wenn wir uns als Individuum radikal einschränken? Eine Reduktion unseres CO2-Fußabdrucks von einem Drittel? Vielleicht. Aber was haben wir dann gewonnen? Nicht viel. Wir brauchen nämlich keine Reduktion um ein Drittel, wir brauchen eine Reduktion auf null. Und sogar wenn wir die Zivilisation verlassen und irgendwo im Wald hausen, ganz ohne CO2-Emissionen – dann ist unser Einfluss auf das Klima im Optimalfall so, als gäbe es uns gar nicht. Das ist aber immer noch nicht gut genug. Wir dürfen nicht bloß keinen Klima-Impakt haben, wir brauchen einen positiven Klima-Impakt!
Der Handabdruck fürs Klima
Und daher wird in letzter Zeit immer wieder die Idee vom „Klima-Handabdruck“ ins Spiel gebracht: Man soll nicht nur, wie beim CO2-Fußabdruck, überlegen, für welche Emissionen man verantwortlich ist, sondern man soll überlegen, für welche Handlungen man verantwortlich sein kann, wie man konkret Hand anlegen kann, wie man zum Handlanger einer echten Klimawende werden kann.
Vielleicht indem man mit den Nachbarn berät, wie man gemeinsam die Gasheizung austauschen könnte. Vielleicht indem man die Stadtverwaltung fragt, ob nicht Fernwärme eine Option wäre. Vielleicht indem man von politischen Parteien einfordert, Klimaschutz ernst zu nehmen. Es beginnt mit dem Teilen klimarelevanter Themen auf Social Media und geht bis zu politischem Engagement.
Natürlich sollten wir alle jeden Tag nach Kräften versuchen, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Natürlich ist es wahr, dass jeder kleine Schritt zählt – zumindest, solange ein kleiner Schritt nicht als Ausrede dient, einen großen Schritt aufzuschieben. Aber es geht nicht bloß um die Vermeidung von Üblem, noch wichtiger ist jetzt das Erreichen von Gutem. Wir können unseren CO2-Fußabdruck nicht selbstständig auf null reduzieren, weil wir in einer Gesellschaft leben, die uns das derzeit einfach nicht ermöglicht. Aber wir können versuchen, einen möglichst großen CO2-Handabdruck zu entwickeln. Damit sich eben genau das ändert.