Netzpolitik

AK-Experte: "Technik entsprechend sensibel einsetzen"

Der Autor Wolfie Christl stellte am Donnerstag seine neue Studie "Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz" vor. Darin sind einige erschreckende Beispiele enthalten, die auch aus Österreich stammen und die die futurezone vorab erhalten hatte. Friedolin Herkommer von der AK Wien leitet das Büro "digitale Agenden" und sprach mit uns darüber, wie die Digitalisierung Arbeitsprozesse verändert und was das für für Unternehmen und Betriebsräte bedeutet.

futurezone: Die fortschreitende Digitalisierung verändert Arbeitsprozesse - und zwar aus Sicht der Arbeitnehmer*innen nicht immer zum Guten. Wie geht man damit um, was können Betriebsrät*innen tun?
Fridolin Herkommer: Technik wird, in aller Regel, eingeführt um Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Das ist, insbesondere wenn Betriebsrät*innen so früh wie möglich in Entscheidungsprozesse zur Digitalisierung des Betriebs und damit in die Ausgestaltung eingebunden werden, durchaus begrüßenswert. Letztlich existiert die Technik ja nicht unabhängig von der Arbeitsorganisation und den dort beschäftigten Menschen, weshalb dieser ganzheitliche und partizipative Ansatz ohnehin sinnvoll ist. So kann auch sicher gestellt werden, dass der eigentliche Zweck der Technik dem Betrieb und den Beschäftigten tatsächlich nützt. Alles andere wäre wohl abzulehnen. Das gilt auch für Technik die primär der Überwachung und Kontrolle dient.

Wie die Beispiele von Wolfie Christls Studie zeigen, wird Technik aber oft ganz anders eingesetzt.
Das Technik ganz grundsätzlich neue und andere Möglichkeiten der Überwachung und Kontrolle eröffnet, ist aber auch klar. Hierbei ist zum einen wichtig, dass Technik entsprechend sensibel eingesetzt wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass Datenerfassung und Auswertungen dort, wo sie keinen unmittelbaren und überwiegenden betrieblichen Nutzen stiften, weggelassen werden. Zum anderen braucht es auch bei der Auswertung und der Ableitung entsprechender Entscheidungen die Einbindung des Betriebsrats.

Es ist jedenfalls wichtig, dass kein Automatismus zwischen personenbezogener Datenerhebung, Auswertung und Entscheidung und Konsequenz entsteht. Grundsätzlich gilt, Technik soll zielführend, zweckmäßig und datensparsam sein und darauf können Betriebsrät*innen helfen, zu achten.

Was sagen Sie ganz konkret zum Fallbeispiel, bei dem Mitarbeiter*innen bei einem Montagebetrieb die Daten, wo sie sich gerade aufhalten, freiwillig in ein System eintragen?
Bei diesem Beispiel wird deutlich, dass die „Freiwilligkeit am Arbeitsplatz“ oftmals keine echte Freiwilligkeit ist, denn was habe ich für eine Wahl, wenn die Aufzeichnung von mir verlangt wird und alle anderen es auch tun? Genau aus diesem Grund ist die Stellung des Betriebsrates als kollektives Vertretungsorgan der Beschäftigten im Unternehmen so wichtig. Es braucht auch weiter klare Schutzvorschriften und auch eine Stärkung der Ressourcen des Betriebsrates, ansonsten besteht die Gefahr, dass die Beschäftigten in lauter „freiwillige“ Einzellösungen gedrängt werden, die von vielen gar nicht gewünscht werden bzw. in Summe nicht. Auch ist wichtig, dass dadurch kein Klima der unkontrollierten Kontrolle entsteht, denn wenn die Überwachung ohne Überwacher direkt von der Technik übernommen wird, besteht die Gefahr, dass die Kontrolle irgendwann nicht mehr kontrollierbar ist.
 
Die Studie zeigt auch, dass es immer mehr technische Systeme gibt, mit denen Mitarbeiter*innen kontrolliert werden. Wie kann man dem gegensteuern?
Grundsätzlich sieht das Arbeitsverfassungsgesetz in diesen Belangen bereits gute Mitbestimmungsrechte vor. Wichtig ist, dass Schutzbestimmungen auch im Bereich der Digitalisierung, zum Beispiel bei KI-Anwendungen, weiterentwickelt werden und bindenden Charakter haben. Ausschlaggebend ist auch, dass die Einbindung der Beschäftigten und deren Arbeitszufriedenheit als entscheidendes Erfolgskriterium gesehen wird und dieser Einbindung auch entsprechende Ressourcen und Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dass es in Betrieben eine Kultur der ehrlichen und ergebnisoffenen Einbindung gibt. So kann sichergestellt werden, dass die technischen Errungenschaften in Summe allen dienen.

Zum Beitrag über die Studie von Wolfie Christl geht es hier. Zur Studie selbst geht es hier.

Disclaimer: Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen der AK Wien und der futurezone.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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