Christian Kern: "Brauchen demokratische Kontrolle über Algorithmen"
Es hat ein wenig gedauert, aber inzwischen sind Online-Kampagnen und Social-Media-Aktionen bei österreichischen Parteien und Spitzenpolitikern Standard geworden. Niemand kommt mehr ohne Facebook-Seite aus und regelmäßig führen mehr oder weniger gut geglückte Postings zu mehr oder weniger heller Aufregung in den sozialen Medien.
Grund genug einmal bei den Parteispitzen nachzufragen, wie sie es denn persönlich mit Social Media halten, wie sie mit Shitstorms umgehen und wo vielleicht etwas Selbstkritik angebracht wäre. Im fünften und letzten Teil der futurezone-Serie kommt heute Bundeskanzler Christian Kern zu Wort.
futurezone: So viel Wirbel wie #Kernliefert hat schon lange keine Social-Media-Aktion mehr ausgelöst. Was ist Ihr Resümee nach der Aktion und was hätten Sie rückblickend anders gemacht?
Christian Kern: Das war ein gelungener Einstieg in unsere Mittelschichts-Kampagne. Die Aufregung, manchmal der Zorn, bei den Politikkommentatoren war groß, eine Million Seher sind aber ein großer Erfolg.
Sie sind ein sehr aktiver Bundeskanzler in den sozialen Medien, gleichzeitig kritisieren Sie immer wieder die „verkürzte Kommunikation in 140 Zeichen“. Ist Social Media nun eher notwendige Pflicht oder ein Vergnügen?
Es ist eine gute Möglichkeit, Inhalte zu kommunizieren und Menschen direkt anzusprechen, auch mit ihnen in Kontakt zu treten, als Ergänzung zu den klassischen Medien.
Was ist die größere Herausforderung: Die direkte Kritik der einzelnen Bürger in den sozialen Medien oder die Berichterstattung in den klassischen Medien?
Die größte ist, beide für die wirklichen Zukunftsfragen zu interessieren. Streit und Hader interessiert mehr als die Zukunft der Arbeit, gerechte Einkommen oder die Modernisierung von
Bildung und Wirtschaft.
Facebook ist für Parteien und Politiker ein geradezu unverzichtbares Vehikel geworden, Auf der anderen Seite steht das US-Unternehmen ständig in der Kritik (Stichwort Hetze, Stichwort Steuern, usw.). Braucht Facebook strengere Regeln und wenn ja, welche?
Den Einfluss, den Plattformen wie Facebook auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen können, ist enorm. Wir brauchen Transparenz und demokratische Kontrolle über die Algorithmen. Und die Steuervermeidungspraktiken der Onlinedienste sind abzustellen. Wir haben dazu nationale Vorschläge vorgelegt.
Wie viel Zeit pro Trag verbringen Sie persönlich mit Social Media?
Sehr unterschiedlich, zwischen 5 und 30 Minuten.
Wie viel Persönliches geben Sie im Netz von sich preis und wo ziehen Sie die Grenze?
Der Bundeskanzler ist eine öffentliche Person. Privates, das über ein Frühlingsbild hinausgeht, ist aber tabu.
Wie gehen Sie mit Angriffen auf Ihre Person, mit Shitstorms um? Sind diese Dinge „part of the game“ oder eine echte Belastung?
Zum Glück habe ich damit wenig Erfahrung. Dividiert man die lautstarken Kritiker, die ja meist von anderen Parteien organisiert werden, durch die Zahl der Österreicherinnen und Österreicher, relativiert sich das aber ohnehin sehr.
Über welche Diskussion/Aufregung in den sozialen Medien haben Sie sich am meisten geärgert?
Ärger würde ich das nicht nennen, aber manchmal reicht es zu einem Kopfschütteln. Die Stellungnahme von Frau Milborn zur Osterhöschen-Geschichte fand ich richtig gut.
Auf welche Social-Media-Kampagne Ihrer politischen Mitbewerber waren Sie ein bisschen neidisch?
Keine. Diesbezüglich sind wir in Österreich noch eine Kreativitätswüste.
Welches Handy haben Sie?
Ein iPhone.
Nachlese:
Teil 1: Matthias Strolz im Social Media Check
Teil 2: Eva Glawischnig im Social Media Check
Teil 3: Heinz-Christian Strache im Social Media Check
Teil 4: Reinhold Mitterlehner im Social Media Check