Das kann die Gesichtserkennungssoftware der Polizei
Im April berichtete die futurezone exklusiv, dass das österreichische Bundeskriminalamt eine Software gekauft hat, mit der Gesichtsfelder analysiert werden sollen. Diese soll noch dieses Jahr in Betrieb gehen. Von welcher Firma diese stammt und wieviel sie gekostet hat, erfuhren wir damals nicht.
Nun hat die Bundesregierung gleich zwei Anfragen zu dieser Causa beantwortet (PDF). Eine stammt vom Nationalratsabgeordneten Niki Scherak (NEOS), der vom Innenministerium auch wissen wollte, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Gesichtserkennung in Österreich bei der Polizei eingesetzt werden soll: Sicherheitspolizeigesetz und Strafprozessordnung. Die Auskunft erteilte Innenminister Wolfgang Peschorn, der Herbert Kickl (FPÖ) mit Ende der Türkis-Blauen-Regierung abgelöst hatte.
Firma und Name der Software
Nun wissen wir auch: Die Software stammt von der deutschen Firma Cognitec Systems GmbH und sie hat 448.813,20 Euro gekostet. Der Liefervertrag wurde mit Atos IT Solutions and Services GmbH abgeschlossen.
Die zweite Anfrage wurde von Mathias Huter, Generalsekretär des Forum Informationsfreiheit, eingebracht. Sie wurde von Gerhard Ranftl, Projektleiter des „Projektes Gesichtsfelderkennung“, beantwortet. Dadurch ist jetzt der Name der Software bekannt: „Face VACS-DB Scan“. Cognitec Systems zählt zu den größten Herstellern von Gesichtserkennungssoftware weltweit. Zu der speziellen Gesichtserkennungssoftware gibt es auch ein Werbevideo im Netz.
So funktioniert es bei der Polizei
Bei der Polizei wird der Vorgang des Abgleichs mit der neuen Datenbank folgendermaßen ablaufen: Wenn jemand eine schwere Straftat begangen hat, beispielsweise einen Bank- oder Tankstellenraub, kann die Polizei aus den Bildern der Überwachungskameras Fotos generieren lassen. Die Zentralsoftware gleicht dann bestimmte Merkmale aus dem Gesichtsfeld ab und vergleicht das Bild mit der Referenzdatenbank der Polizei. Laut der Anfragebeantwortung werden die Bilder ausschließlich mit dieser einen Datenbank gegengecheckt und derzeit nicht an europäische Strafbehörden weitergeben.
Fehlerquote
Spannend ist bei derartigen Systemen auch immer die Fehlerquote. Diese wird vom Hersteller auf seiner Website als 0,1 Prozent angegeben, wenn es irrtümlich zu einem Treffer kommt und bei "unter zwei Prozent", wenn es irrtümlich zu keinem Treffer kommen sollte. Bisherige Studien konnten in ihren Untersuchunge Fehlerquoten bei Gesichtserkennungssystemen von zehn bis zwanzig Prozent feststellen.
„Das Beispiel zeigt, wie wichtig der Zugang zu solchen Informationen und Auskünften ist“, sagt Huter im Gespräch mit der futurezone. Dieser hat zudem auch einen 25-seitigen Auszug aus den Anforderungen an die neue Gesichtserkennungssoftware bekommen. „Das ist der erste Fall, bei dem ich auch einen Vertragsteil bekommen habe“, sagt Huter. Für ihn ist es „verwunderlich, dass so eine ausführliche Beantwortung damit zusammenfällt, dass wir derzeit keine politische Regierung haben.“
Transparenter als die alte Regierung
„Es wäre wichtig, dass es bei Themen, die gesellschaftspolitisch wichtig sind, wie Polizeiarbeit und Gesichtserkennung, auch weiterhin ein hohes Maß an Transparenz gibt und nicht Sachen im Verborgenen ablaufen“, fügt Huter hinzu, der die Anfrage über fragdenstaat.at eingebracht hatte. Österreich liegt bei der Informationsfreiheit derzeit europaweit am letzten Platz.
Der NEOS-Abgeordnete Scherak sagt dazu zur futurezone: „Ich habe mir erwartet, dass man von der neuen Bundesregierung andere Antworten bekommt. Insbesondere, da die vorherige nicht sonderlich bereit war Informationen zu veröffentlichen.“
Metadaten-Kombinationen
Der futurezone liegt auch der 25-seitige Vertragsausschnitt vor, den der Projektleiter freigegeben hatte. Daraus geht etwa hervor, dass sie auf Windows-Rechnern zum Einsatz kommen soll sowie Details zu den "Referenzrechnern". Außerdem könne beim Abgleich der Software die Referenzmenge anhand von Metadaten aus der zentralen Datenbank, wie Alter, Geschlecht, Herkunft, oder sortiert nach Delikten eingeschränkt werden. Abfragekriterien können auch mit anderen kombiniert werden. Die Juristin Angelika Adensamer von epicenter.works hält dies für gefährlich.
„Es werden extrem sensible Daten kombiniert. Damit ist das System anfällig für Diskriminierung“, so die Expertin, die Gesichtserkennung generell ablehnt. „Wir sind grundsätzlich gegen die staatliche Verwendung von Gesichtserkennung, vor allem von Bildern aus dem öffentlichen Raum. Das ist extrem gefährlich und eine Einschränkung der Freiheit. San Francisco geht mit dem allgemeinen Verbot von Gesichtserkennung mit gutem Beispiel voran“, sagt Adensamer. Sie bewertet es zudem positiv, dass die Anfragen beide ausführlich beantwortet wurden: "Endlich beantwortet die Regierung Anfragen gescheit!"
Gesichtserkennung verboten
San Francisco hatte als erste Stadt in den USA den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien für Behörden verboten. Diese können die rassistische Ungerechtigkeit verschärfen und unsere Möglichkeit, „frei von ständiger Beobachtung durch die Regierung“ zu leben.
Auch der NEOS-Nationalratsabgeordente lehnt den Einsatz einer derartigen Software weiterhin ab: „Jetzt wissen wir, wo die Software herkommt und was sie kostet. Aber grundsätzlich sollte man sich davon distanzieren. Wenn man sich den Preis anschaut, könnte es aber auch eine reine Placebo-Maßnahme des damaligen Innenministers sein“, so Scherak. Er wünscht sich, dass die Software nicht zum Einsatz kommt. Derzeit wird diese getestet und sie soll noch dieses Jahr den Behörden zur Verfügung stehen.