
Symbolbild: Cybermobbing trifft vor allem Jugendliche hart
Wie wir mit Hass im Netz umgehen können
„Man kann immer schwerer unterscheiden, was echt ist und was nicht”, sagt ein Jugendlicher im Rahmen einer Straßenumfrage von A1. Die Umfrage markierte den Auftakt der Veranstaltung „Digitale Eskalation: Hass, Lügen, Spaltung – Wege aus der Krise der Debattenkultur“, die im Rahmen der Eröffnung des A1 Digital Campus abgehalten wurde.
Das ist eine kostenlose Bildungsinitiative, die den Umgang mit digitalen Medien verbessern soll. Diesmal diskutierten die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig, Thomas Arnoldner (Deputy CEO A1 Group), Alexander Pröll (Staatssekretär für Digitalisierung) und Nils Gugler (Schulsprecher des Wiedner Gymnasiums). Moderiert wurde die Diskussion von Barbara Buchegger, der pädagogischen Leiterin von Saferinternet.at.
➤ Mehr lesen: Sexuelle Belästigung im Netz: Fast 4 von 10 Jugendlichen betroffen

A1 Podiumsdiskussion Teilnehmer v.l.n.r. Nils Gugler, Ingrid Brodnig, Alexander Pröll, Thomas Arnoldner, Barbara Buchegger
© A1 Telekom Austria AG/APA-Fotoservice/Reither
Hass nehme ich mir nicht zu Herzen
Anlässe, um Themen wie Hass im Netz, Lügen oder Spaltung zu diskutieren, gab es in Vergangenheit viele – sei es durch TikTok-Prediger oder Fake-News-Kampagnen. Klar ist: Was im Internet passiert, beeinflusst auch das Offline-Leben. Das sehen auch die Jugendlich in der Straßenumfrage so.
Einer dieser jungen Männer sagte darin: „Hass nehme ich mir nicht zu Herzen.” Der Satz sorgte nicht nur bei Barbara Buchegger, sondern auch bei Ingrid Brodnig für ein inneres Kopfschütteln. Denn sie begegnen immer wieder Menschen, die glauben, Hass im Netz gehöre eben zur Online-Welt dazu.
Laut Brodnig verbirgt sich dahinter allerdings auch eine Gefahr, die Norm Learning, also das Erlernen von Normen, genannt wird. „Menschen beobachten den Umgangston in sozialen Medien und übernehmen ihn als Maßstab dafür, wie wir miteinander sprechen”, erklärt die Journalistin.
➤ Mehr lesen: Phishing-Fallen: Wiener Polizei sucht Täter mittels Fahndungsfotos

Podiumsdiskussion
© A1 Telekom Austria AG/APA-Fotoservice/Reither
Der digitale Stammtisch
Hass sollte nicht normal sein. Weder online noch offline, da sind sich alle auf dem Podium einig. Doch wie kommt es überhaupt dazu? „Soziale Medien sind der Stammtisch des 21. Jahrhunderts”, sagt der Staatssekretär für Digitalisierung Alexander Pröll. Doch durch die Anonymität im Netz falle es viel leichter, Hassbotschaften zu senden.
Deshalb sei auch die Politik extrem gefordert. Nicht nur was Weiterbildung betrifft, sondern auch in Bezug auf die Regulierung. Mit dem Digital Services Act versucht die EU bereits, den Problemen im digitalen Raum zu begegnen. Denn auch dort gibt es Regeln.
Werden diese nicht eingehalten, rät Brodnig dazu, Inhalte zu melden. Das sei zwar nicht einfach, aber wenn man die Inhalte als rechtswidrig meldet, muss diesen nachgegangen werden. „Da können wir noch viel mehr tun”, so Brodnig.
➤ Mehr lesen: Social Media: "Gefahr für Demokratien ist nicht zu vernachlässigen"

Podiumsdiskussion Ingrid Brodnig und Alexander Pröll
© A1 Telekom Austria AG/APA-Fotoservice/Reither
Die Rolle der Krisen
Nils Gugler ist Schüler am Wiedner Gymnasium, einer Schule, an der es laut ihm kaum Mobbing gebe. Er erinnert sich an Fächer wie „Kommunikations- und Sozialkompetenz” oder an Workshops von Safer Internet. Seiner Meinung haben diese dazu beigetragen, dass es an seiner Schule weniger Probleme mit Hass gibt.
Er sagt aber auch: „Unser Jahrgang wurde mit Corona in die Welt des Internets hineingeworfen.” Vieles habe man sich in dieser Zeit selbst beigebracht. Das war eine schwierige Zeit für alle und eine, die Hass scheinbar noch verstärkt hat.
„Mein Eindruck ist, dass Hass im Netz wellenförmig verläuft. Wenn gesellschaftliche Spannungen zunehmen, spiegelt sich das umso stärker online wider”, sagt Brodnig. Besonders in Zeiten, in denen Menschen verstärkt auf digitale Kommunikation angewiesen waren, nahm die Präsenz und damit auch die Intensität der Debatten spürbar zu, ist der Eindruck von vielen.

Publikum der Podiumsdiskussion
© A1 Telekom Austria AG/APA-Fotoservice/Reither
Fake News und Empathie
Hass im Netz ist nicht das einzige Problem in digitalen Räumen. Immer öfter kommt es auch zu Desinformation und Betrug. „Es ist essenziell, der jungen Generation den Unterschied zwischen Falschinformationen und echten Nachrichten zu vermitteln und ihre digitalen Kompetenzen zu stärken. Auch ältere Menschen sind durch betrügerische Mails stark gefährdet”, sagt Pröll.
Es braucht also Digital- und Medienkompetenzen. Laut Brodnig braucht es aber auch Empathie. „Betrugsmaschen nutzen gezielt menschliche Bedürfnisse”, erklärt die Autorin. Etwa beim „Love Scam“, der mit dem Wunsch nach Liebe spielt. Falschmeldungen hingegen sprechen bestehende Einstellungen und Ängste an. Um die Menschen über die Gefahren im Internet aufklären zu können, brauche es deshalb ein Verständnis für die Zielgruppe.
Wie kommen wir da raus?
Um den Menschen die Tools und das Wissen an die Hand zu geben, veranstaltet A1 seit 2011 Workshops, Schulungen oder Veranstaltungen wie diese. 450.000 Personen haben bisher daran teilgenommen. Thomas Arnoldner ist Deputy CEO der A1 Group und sagt: „Der Schlüssel ist, dass die Konsumenten Warnzeichen erkennen.” Laut ihm brauche es dieses Bildungsangebot online und offline. Brodnig sieht Social Media als einen guten Ort, um die breite Masse zu informieren.
Manchmal brauche es aber auch das persönliche Gespräch, weil allein der Augenkontakt eine bremsende Wirkung habe, so Brodnig. Als Vater sieht Arnoldner seine Aufgabe darin, sich mit seinen Kindern hinzusetzen und über ihr Online-Verhalten zu sprechen. Mit echtem Interesse und ohne es zu verteufeln. Die Schule sei aber auch ein guter Ort, um diesen Problemen zu begegnen. „Vor allem braucht es echte Kommunikation, bei der man das Gegenüber wertschätzt. Wir müssen mehr und persönlicher darüber sprechen”, so Gugler.

Podiumsdiskussion Nils Gugler
© A1 Telekom Austria AG/APA-Fotoservice/Reither
Die Grenze der Zivilcourage
Die digitale Transformation ist da. Mit all ihren positiven Seiten und den negativen Begleiterscheinungen. Wenn Bildung und Kommunikation nicht mehr helfen, hat Buchegger folgenden Rat: „Wir müssen melden, melden, melden und dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Damit die sozialen Netzwerke gezwungen werden, etwas zu ändern.”
„Es gibt aber eine Grenze, was diese Zivilcourage bewirken kann. Es ist unwahrscheinlich, dass der Rechtsstaat mit diesen Entwicklungen mithalten kann”, so Brodnig. Deshalb brauche man auch die Politik, die große Tech-Konzerne auf Basis des Digital Services Act streng prüft. Gibt es Lücken, müsse nachgebessert werden.
Kommentare