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Sexuelle Belästigung im Internet gehört für viele Jugendliche zum Alltag

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Digital Life

Sexuelle Belästigung im Netz: Fast 4 von 10 Jugendlichen betroffen

Intime Fragen oder Nacktbilder – damit werden immer mehr Kinder und Jugendliche konfrontiert, wenn sie online unterwegs sind. Sexuelle Belästigung im Internet gehört damit für Minderjährige in Österreich zum Alltag.

Das zeigt auch folgende Zahl: 38,2 Prozent der 11- bis 17-Jährigen gaben im Rahmen einer Befragung von Saferinternet.at an, zumindest einmal mit sexueller Belästigung im Internet konfrontiert gewesen zu sein. 10 Prozent gaben an, oft oder sehr oft betroffen zu sein.

So viele Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren haben Erfahrungen mit sexueller Belästigung online gemacht.

So viele Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren haben Erfahrungen mit sexueller Belästigung online gemacht. 

Für viele ist sexuelle Belästigung im Internet normal

„Dieser Trend ist beunruhigend, denn knapp ein Drittel der Befragten empfindet die Belästigung im Internet als normal“, betont Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin bei Saferinternet.at. Vor allem die Älteren und weiblichen Befragten rechnen online mit sexuellen Anspielungen. 

Insgesamt wurden für die Studie 405 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren online befragt. Zusätzlich wurden Experten und 70 Schüler interviewt. Die Studie wurde im Rahmen des Safer Internet Days von Saferinternet.at, Rat auf Draht und Internet Service Providers Austria (ISPA) in Auftrag gegeben.

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Soziale Medien, Messenger Dienste und Onlinespiele

Wenn man die Jugendlichen fragt, wo sie solche anzüglichen und unangenehmen Nachrichten bekommen, antworteten 72 Prozent der Befragten, dass sie sie auf sozialen Medien wie Instagram oder TikTok erhalten.

Aber auch auf Messenger-Diensten oder in Onlinespielen werden anzügliche Fragen und Kommentare versendet. „Damit muss man einfach leben. Am besten, man ignoriert es“, sagt eine 16-jährige Schülerin im Rahmen der Interviews.

Überblick über die Erfahrungen von Jugendlichen mit sexueller Belästigung im Internet. 

Verbreitung von Nacktfotos

„Auch wenn dieses Ignorieren ein Schutzmechanismus ist, finden wir: Nein, so muss es nicht sein“, sagt Buchegger. Vor allem, weil viele Jugendliche auch schon Erfahrung mit der Verbreitung von Nacktfotos gesammelt haben.  

42,2 Prozent gaben an, dass sie schon einmal mitbekommen haben, dass Nacktfotos oder Videos von jemandem aus dem Umfeld weitergeschickt oder veröffentlicht worden sind. Bei 5 Prozent wurde von ihnen selbst schon einmal ungewollt ein Nacktfoto oder Video versendet.

KI kommt häufiger zum Einsatz

„Aus Beratungsgesprächen wissen wir, dass das ungewollte Versenden von Nacktbildern gravierende Auswirkungen hat. Das geht mit Scham und Mobbing einher und führt oft zu einem Schulwechsel“, sagt Birgit Satke, Leiterin bei Rat auf Draht. Vielen Jugendlichen sei darüber hinaus nicht bewusst, dass sie sich strafbar machen, wenn sie solche Bilder oder Videos weitersenden.

Auch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) nimmt beim Thema sexuelle Belästigungen zu. In Beratungsgesprächen berichten Kinder und Jugendliche immer öfter, dass Nacktbilder von ihnen mithilfe von KI erstellt wurden. Das sei ein großes Problem und setze viele Kinder und Jugendliche unter Druck, wenn sie damit erpresst werden. Mittlerweile melden sich bereits 12-Jährige mit solchen Problemen bei Rat auf Draht.

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Tipps für Eltern

  • Auf frühzeitige Aufklärung setzen. Eltern sollten ihre Kinder bereits im Volksschulalter über sexuelle Belästigung aufklären. 
  • Kinder ernst nehmen und wertschätzen: Wenn Kinder Wertschätzung durch Erwachsene erfahren, müssen sie sich nicht anderswo Anerkennung holen. 
  • Onlinefreundschaften anerkennen. Eltern sollten Onlinefreunde als wichtige soziale Kontakte akzeptieren und im Familienalltag Platz für solche Beziehungen lassen. 
  • Das Bauchgefühl stärken. Kinder, die auf ihr Bauchgefühl hören, fällt es leichter, böse Absichten zu erkennen. 
  • "Nein" akzeptieren. Wenn Kinder erleben, dass ihre Grenzen gewahrt werden, trauen sie sich in prekären Situationen auch eher "Nein" zu sagen. 
  • Abwehrstrategien besprechen. Überlegen Sie gemeinsam, wie man mit unangenehmen Menschen umgehen und diese vertreiben kann. 
  • Keine Vorwürfe machen. Vermeiden Sie es im Anlassfall, mit dem Kind zu schimpfen - auch wenn es im Vorfeld vielleicht unvernünftig gehandelt hat. Gerade in solchen Situationen brauchen Kinder Unterstützung und keine Vorwürfe.

Wie die Jugendlichen reagieren

Ein gutes Zeichen sei, wie Jugendliche reagieren: Fast 2 Drittel ignorieren unangenehme sexuelle Fragen, während 57 Prozent die Personen blockieren. „Das ist ein erster richtiger und wichtiger Schritt", sagt Stefan Ebenberger, Generalsekretär der Internet Service Providers Austria (ISPA).

39 Prozent melden die sexuelle Belästigung bei den Plattformen direkt, nur 2 Prozent der Jugendlichen informieren die Polizei über die sexuellen Übergriffe. Das Melden solcher Inhalte wird von vielen Kindern und Jugendlichen jedoch als wenig zielführend empfunden. „Weibliche und jüngere Befragte melden mehr als ältere und männliche. Jetzt gilt es, das Vertrauen in die effektiven Meldemechanismen weiter zu stärken, damit sich noch mehr Betroffene direkt an die Plattformen wenden“, sagt Ebenberger.

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Jugendliche wünschen sich mehr Aufklärung

Um sexuelle Belästigung im digitalen Raum zu reduzieren, brauche es vor allem mehr Aufklärung und Prävention. Diese sollte vor allem in Schulen stattfinden, da dort auch häufig Übergriffe passieren, wie das Versenden von Nacktbildern. In Schulen finden die Jugendlichen aber auch am ehesten Vertrauenspersonen. 

Diese Aufklärung brauche es bereits in der Volksschule, da Kinder immer früher in Kontakt mit digitalen Medien kommen. Buchegger betont, dass die notwendige Aufklärung im Lehrplan vorgesehen ist, es aber oft an der Umsetzung scheitere.

Zu oft würde zum Beispiel im Fach Digitale Grundbildung auf den Umgang mit Geräten eingegangen. Aber auch Themen wie sexuelle Belästigung im Internet müssen in solchen Fächern behandelt werden. „Man muss nichts am Lehrplan ändern, sondern an der Praxis, und dabei müssen die Schulen unterstützt werden“, betont Buchegger.

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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