Datenschutzverordnung lässt Zahl der Beschwerden explodieren
Seit genau drei Monaten gilt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), welche die personenbezogenen Daten der Bürger schützen soll. Doch ist davon mehr geblieben als die Erinnerung an eine Flut aus lästigen eMails, in denen Unternehmen um die Erlaubnis zur Verarbeitung von Daten bitten?
Die Zahlen der österreichischen Datenschutzbehörde sprechen hier eine deutliche Sprache: Seit 25. Mai werden dort 625 Beschwerden behandelt, während es im Gesamtjahr 2017 bloß 531 Beschwerden waren. In 52 Fällen wurde die Behörde auf Eigeninitiative tätig. „Die Beschwerden haben sich mehr als vervierfacht“, sagt Andrea Jelinek, Leiterin der Datenschutzbehörde, zur futurezone.
Sie richten sich gegen Unternehmen jeder Größe, vom Konzern bis zum Ein-Personen-Unternehmen, sowie teils auch gegen Privatpersonen - etwa, wenn der Eindruck entsteht, dass jemand von seinem Nachbarn videoüberwacht wird, sagt Jelinek. Früher konnte die Behörde keine bescheidförmigen Verfahren gegen Privatpersonen durchführen, seit Inkrafttreten der DSGVO ist dies möglich.
Facebook verliert User
Die Reaktionen der Wirtschaft fallen nach drei Monaten DSGVO gemischt aus. Facebook zum Beispiel musste in der jüngsten Quartalsbilanz verkünden, dass in Europa die Zahl der monatlich aktiven User von 377 auf 376 Millionen gefallen ist, bei den täglich aktiven Usern gab es einen Rückgang von 282 auf 279 Millionen. Derzeit können nur jene Menschen Facebook nutzen, welche den Datenschutzbestimmungen der Plattform zugestimmt haben.
Auch sonst hinterlässt die europäische DSGVO bei US-amerikanischen Websites ihre Spuren: Mehr als 1000 US-Portale sind für Europäer noch immer gesperrt, der Dienst Instapaper ist erst nach längerer Pause hierzulande wieder erreichbar.
Die Auswirkungen auf Österreichs Wirtschaft
Von Ursula , Referentin in der Bundessparte Information und Consulting der WKO, heißt es gegenüber der futurezone, dass Österreichs Unternehmen sich angepasst haben und sich die Aufregung gelegt hat: Die Grundlagen wie das Erstellen eines Verarbeitungsverzeichnisses und einer Datenschutzerklärung wurden erledigt, nun geht es meist um spezifische Fragen. Die erwartete Schlammschlacht, in der Konkurrenten sich gegenseitig anzeigen, ist laut Illibauer ebenfalls ausgeblieben.
Kritik kommt dennoch aus der werbetreibenden Wirtschaft: Laut dem iab austria, der Interessensvertretung für Internetwerbung, hat die DSGVO Werbetreibende verunsichert und sich somit negativ auf das Geschäft ausgewirkt. So konnte zum Beispiel rund um die Fußball-Weltmeisterschaft nicht genügend Werbung ausgespielt werden. Nach drei Monate kehre zwar etwas Ruhe ein, heißt es auch vom iab: Allerdings sei der Aufwand mit der Umsetzung der DSGVO beträchtlich und habe in hohem Maße Ressourcen gebunden.
ePrivacy-Verordnung in den Mühlen der EU-Bürokratie
Der nächste Schritt in Sachen Privacy ist indes bereits in Arbeit: Ergänzend zur Datenschutzgrundverordnung soll die ePrivacy-Verordnung den Bürgern der EU weitere Möglichkeiten zum Schutz ihrer persönlichen Daten geben. Umstritten ist dabei vor allem Artikel 10 der Verordnung, laut dem in der ursprünglich vorgesehenen Fassung Websites nur dann Cookies setzen dürfen, wenn der User dies erlaubt. Cookies sind kleine Textdateien, die eine Website auf der Festplatte des Nutzers speichert, so dass dieser später für zielgerichtete Werbung identifiziert werden kann. In Österreich haben sich diverse Verbände der Werbewirtschaft zu einer Allianz zusammengeschlossen, um gegen dieses Vorhaben zu protestieren. Anfang Juli wurde bekannt, dass die österreichische Regierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft tatsächlich gegen diesen Paragraphen vorgeht - ein Vorhaben, das von Datenschützern abgelehnt und von der Werbewirtschaft gut geheißen wird: Die bisherigen Verstöße der Bundesregierung seien "begrüßenswert und wichtig für den Standort", heißt es vom iab austria.
Das Erreichen einer generellen Ausrichtung unter österreichischer Ratspräsidentschaft ist jedoch unwahrscheinlich, wie es auf Anfrage der futurezone beim BMVIT heißt: Wegen der Komplexität der Themen ist mit weiteren Verhandlungen zu rechnen, die nächste Arbeitssitzung findet erst im September statt. "Es gibt innerhalb der EU verschiedene Lager. Manche Länder wollen den Entwurf so beibehalten, andere lehnen ihn ab, andere wiederum haben bereits konkrete Abänderungen und neue Texte mit im Gepäck", heißt es aus der Pressestelle des Ministeriums: Der Fortschritt unter österreichischer Ratspräsidentschaft liege vor allem in den Händen der Mitgliedstaaten, Österreich nehme hier eine moderierende Rolle ein.
Erst wenn die Mitgliedsstaaten sich geeinigt haben, kann es zum sogenannten Trilog-Verfahren kommen, in dem das Thema zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament diskutiert wird. Illibauer rechnet daher nicht vor 2020 mit einer entsprechenden Umsetzung: Immerhin geht es hier um eine Abwägung unterschiedlicher Interessen, und dafür müssen ursprüngliche Konzepte teils wieder adaptiert werden.