„Digitales Vermummungsverbot“ in Österreich kommt
Wer in Österreich künftig auf sozialen Netzwerken oder in Foren posten will, kann das zwar unter einem Pseudonym tun, muss aber seine Kontakdaten wie Telefonnummer beim Betreiber der Plattform hinterlegen. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen. Das ist, wie die futurezone aus vertraulichen Kreisen erfahren hat, allerdings nur eine von mehreren Optionen, die die Regierung geprüft hat.
Die Idee zum "digitalen Vermummungsverbot" ist bei einem Gipfel der Regierungsparteien zum Thema „Hass im Netz“ entstanden. "Sie müssen auf der Straße auch nicht mit einem Namensschild herumlaufen. Aber wenn ein Polizist sie anhält, müssen sie sich ausweisen. So soll das im Netz auch sein", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vergangenen Oktober dazu. Seither wird vom Kanzleramt an einem Gesetzesentwurf gearbeitet.
"Arbeiten zu dem Thema laufen"
„Die Arbeiten und Gesprächen zu diesem Thema laufen, in Folge des Gipfels für Sorgfalt und Verantwortung im Internet“, heißt es dazu auf futurezone-Anfrage aus dem Büro des Medienministers Gernot Blümel (ÖVP). Derzeit gebe es aber noch keine finalen Ergebnisse. Das Thema steht jedoch auf der Agenda des Ministerrats am Mittwoch.
Eine Option, die dabei im Raum steht, ist die Handy-Registrierung vor dem Veröffentlichen von Kommentaren. Statt einer Klarnamenpflicht, also dem Veröffentlichen von Nachrichten auf sozialen Netzwerken nur mit seinem echten Namen, sollen sich Internet-Nutzer mit ihrer Telefonnummer registrieren müssen, bevor sie etwas schreiben dürfen.
Registrierung über Mobilfunkprovider
Die Registrierung in Foren und sozialen Netzwerken soll über Mobilfunkprovider erfolgen. Bevor man in einem Forum wie futurezone, KURIER oder Standard posten darf, soll man eine Bestätigungs-SMS nach Bekanntgabe seiner Telefonnummer bekommen und danach freigeschaltet werden. An der dahinterliegenden Technologie wird noch gearbeitet.
Eine andere Option sieht vor, dass sich die Forenbetreiber und Internetanbieter selbst aussuchen können, wie sich Nutzer bei ihnen ausweisen und der Entwurf des Gesetzes einen "technologieneutralen" Ansatz verfolgt. Das gäbe etwa den Betreibern die Möglichkeit, die Daten jeweils direkt auf der Plattform zu speichern.
Ziel ist es in beiden Fällen, dass bei strafrechtlich relevanten Postings die wahre Identität der Nutzer schnell herausgefunden werden kann. Treffen würden die Pläne, neben den bekannten Online-Netzwerken wie Facebook oder Instagram, auch Foren von Tageszeitungen und anderen Online-Medien. Während eine Umsetzung bei Online-Giganten wie Facebook oder Instagram in der Praxis schwierig werden wird, werden sich österreichische Medien daran halten müssen.
FPÖ dagegen
Laut dem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ waren sich Regierungspartner beim Ausarbeiten der Pläne nicht völlig einig. So sei die Initiative vorwiegend von der ÖVP forciert worden. Die FPÖ war hingegen weniger angetan von dem entsprechenden Gesetz. Grund dafür dürfte sein, dass besonders FPÖ-Anhänger und Vertreter regelmäßig mit strittigen Postings auffallen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache gab aber dennoch bereits vor Monaten im Zuge des Regierungsgipfels seine Zustimmung.
Scharfe Kritik zu den kolportierten Plänen kommt von den Neos. "Wenn man keine Ahnung hat, wie das Internet funktioniert, sollte man keine Gesetze dazu machen. Nach dem Desaster der Uploadfilter, offenbart die ÖVP wieder einmal ihre Ahnungslosigkeit", so EU-Spitzenkandidatin Claudia Gamon in einer Aussendung. Das digitale Vermummungsverbot sei genauso unwirksam sein wie das analoge. Die Neos fordern stattdessen Maßnahmen zur Medienkompetenz, sowohl in der Schule als auch in der Erwachsenenbildung. Es sei außerdem problematisch, dass die Regierung Menschen "zwinge", Plattformen wie Google oder Facebook ihre Handynummer zu geben.
Auch die Ex-Nationalratsabgeordente Sigi Maurer, die sehr häufig mit Hass im Netz konfrontiert ist, bestätigt, dass die meisten Hass-Botschaften gegen ihre Person von nicht anonymen Accounts gesendet werden. Sie bekomme regelmäßig Fotos von erigierten Penissen, unter Klarnamen inklusive Handynummer und Adresse. Sie sei daher überzeugt davon, dass ein „digitales Vermummungsverbot“ nichts bringe.
"Aus Untersuchungen in anderen Ländern wie Südkorea weiß man bereits, dass eine Registrierung mit der Handynummer bei einem Plattformbetreiber nur vorübergehend Angriffe auf Menschen im Internet oder die Verbreitung von Fake News eindämmt. Die meisten Hasspostings werden ohnehin mit Klarnamen auf diversen Plattformen abgesetzt“, sagt Iwona Laub von der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works.
"Anonymität abschaffen"
Wissenschaftler der Universität Zürich hatten zudem bereits aufgezeigt, dass Hassposter oft mit ihrem vollen Namen im Internet auftreten, weil sie dadurch „vertrauenswürdiger“ wirken. Maximilian Schubert vom Verband der Internet Service Provider (ISPA) sagt dazu: „Dies wäre ein Schritt in die Richtung, die Anonymität im Internet abzuschaffen. Es wäre völlig überzogen.“
Laut Schubert sei der einfachere Weg, gegen Vernaderer und Hassposter im Netz vorzugehen, aus Privatanklagedelikten sogenannte Ermächtigungsdelikte zu machen, damit Staatsanwälte von Internet-Providern Informationen bekommen. „Bei Privatanklagen dürfen wir diese Daten nicht herausgeben“, so Schubert.
„Es muss weiterhin möglich sein, seine Kritik an der Bundesregierung oder anderen kontroversiellen Themen zu äußern, ohne Angst vor Verfolgung durch Arbeit, Staat oder Nachbarn zu haben. Der Vorstoß der Regierung ist daher abzulehnen“, fügt Laub hinzu.
Schon länger in Planung
Entsprechende Pläne kursieren schon länger. Bereits Ende 2018 hat eine Sprecherin von Medienminister Gernot Blümel der futurezone einige Fragen dazu beantwortet. Damals hieß es unter anderem, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein: "Was in der analogen Welt geahndet wird, muss auch in der digitalen Welt Folgen haben. Daher muss in begründeten Anlassfällen die Identität ausgeforscht und nachgewiesen werden können. Dazu müssen die notwendige Informationen vorhanden sein", so die Sprecherin.
Disclaimer: Der Artikel wurde um 16.22 Uhr noch einmal upgedatet. Offenbar ist neben der Registrierung per Mobilfunknummer auch noch eine technologieneutrale Variante im Gespräch.