Wie Facebook oder Google Daten über Abtreibungen sammeln
Diesen Freitag wurde in den USA vom Obersten Gerichtshof das liberale Abtreibungsrecht gekippt. In sehr vielen US-Bundesstaaten ist Abtreibung bereits verboten, in manchen Staaten gibt es sogar eine Belohnung für jene, die Menschen vernadern, die abtreiben wollen.
In den USA wird es daher auch zunehmend problematisch, sich im Internet nach Abtreibungskliniken zu erkundigen. Schon der Besuch von Websites von Abtreibungskliniken oder wie und wo Abtreibungen durchgeführt werden könnte getrackt, und die Daten könnten an Behörden weitergegeben werden. Die Cybersicherheitexpertin Eva Galperin von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) erklärt: „Der Unterschied zum letzten Mal, als Abtreibung verboten war, und jetzt ist der, dass wir in einem beispiellosen Zeitalter der digitalen Überwachung leben."
Neben Menstruations-Apps, die jede Menge Daten - nicht nur über den Zyklus - sammeln, sind es aber auch die Tech-Firmen wie Google oder Meta, die wissen, wer nach Abtreibungen sucht. Von Meta gibt es eine aktuelle Untersuchung, die den Social-Media-Dienst Facebook betrifft.
Eine Recherche von Reveal und The Markup hat etwa ergeben, dass Facebook Informationen darüber sammelt, wer nach Abtreibungen sucht. Doch dem nicht genug: Facebook gibt dann in Folge Abtreibungsgegner*innen die Möglichkeit, diese Zielgruppe mit irreführender Werbung zu adressieren.
Facebook trackt, wonach gesucht wird
Das läuft so ab: In den USA sind auf vielen Websites sogenannte Facebook Pixel zu finden, das sind Tracker, die Facebook rückmelden, wann jemand eine Seite besucht hat. Bei der Recherche haben die Journalist*innen 294 Websites von Krisenzentren für Schwangere entdeckt, bei denen der Facebook Pixel eingebaut war und die in Folge jene Daten mit Facebook geteilt haben, die heikel sein können: Es wurde etwa genau getrackt, ob sich eine Person nach Abtreibungen gesucht hat, oder nach der Pille danach oder Schwangerschaftstests.
Facebook ermöglicht es in Folge Abtreibungsgegner*innen, diese Personen gezielt zu adressieren, um sie irreführend über die negativen Effekte von Abtreibungen „aufzuklären“. Oft werden falsche Informationen verbreitet, wie etwa, dass jemand von einer Abtreibung Krebs kriegen kann. Meta hat angegeben, dass etwa 70.000 Begriffe, die die Gesundheit betreffen, von ihren Werbetargeting-Angeboten ausgenommen seien, aber die Frage, ob Abtreibung ebenfalls in Zukunft entfernt werde, wurde nicht beantwortet.
Google-Suche mit falschen Ergebnissen
Doch nicht nur bei Meta gibt es ein Problem, auch die Google-Suche nach Abtreibungskliniken liefert oft falsche Ergebnisse. Wer „Abtreibungsklinik in meiner Nähe“ als Google-Suchanfrage eingibt, kommt in einigen US-Staaten zu Informationen, die zu Fake-Anti-Abtreibungskliniken führen anstatt zu echten Kliniken. Das hat das Non-Profit-Center for Countering Digital Hate (CCDH) herausgefunden und dazu einen Bericht veröffentlicht.
Dort führten 11 Prozent von insgesamt 445 Suchergebnissen zu Anti-Abtreibungs-Kliniken. Bei den Google-Maps-Ergebnissen lag die Zahl sogar bei 37 Prozent. Auch in diesem Fall werden Frauen und Menschen, die sich für Abtreibungen interessiert, gezielt zu Websites geführt, die falsche Informationen beinhalten. Google empfiehlt Nutzer*innen, diese falsch platzierten Zentren zu melden.
"Datensammeln sofort stoppen!"
Eva Galperin sagt, Tech-Konzerne müssten das Sammeln von Daten sofort stoppen, bevor die ersten gerichtlichen Anordnungen an die Firmen verschickt werden, diese Daten in bestimmten Verdachtsfällen herauszurücken. Doch davon ist weit und breit nichts in Sicht. Dazu, wie die Unternehmen künftig mit gerichtlichen Anordnungen umgehen werden, die Abtreibungen betreffen, haben sich die Konzerne bisher nicht geäußert.
Tech-Unternehmen wie Google haben zwar angekündigt, Mitarbeiter*innen zu ermöglichen, in einen anderen US-Staat zu wechseln, um von dort zu arbeiten, oder zumindest in anderen Staaten „Gesundheitsdienstleistungen“ in Anspruch zu nehmen. Amazon, Apple und Meta gaben bekannt, die Kosten für die Reise zu übernehmen, um Abtreibungen zu ermöglichen.
Interner Maulkorb: Abtreibung darf nicht diskutiert werden
Von Meta ist bekannt, dass es Mitarbeiter*innen nicht erlaubt sei, im Firmennetzwerk über Abtreibung zu diskutieren. Die Begründung: Würde Abtreibung "offen diskutiert", könnte dies Mitarbeiter*innen aufwühlen und verstören. Ein entsprechendes Memo wurde bereits im Mai, als bekannt wurde, dass es zu einem derartigen Urteil kommen könnte, verschickt. Wird diese Anordnung ignoriert, soll es vorkommen, dass die Nachricht richtig schnell gelöscht wird.
Unterdessen haben erste Anbieter von Menstruations-Apps damit begonnen, "anonyme Modi" für ihre Apps anzukündigen, mit denen sensible Daten so gespeichert werden können, dass sie von Unternehmen nicht rausgerückt werden können, sollte eine gerichtliche Anordnung eintreffen. Das ist ein wichtiger, erster Schritt. "Diese Daten müssen geschützt werden", so Galperin.