Wie funktioniert ein Airbag?
Neben dem Sicherheitsgurt helfen Airbags dabei, das Risiko vor schweren Verletzungen zu reduzieren, wenn wir in einen Unfall verwickelt sind.
Sie sind einer der wichtigsten Schutzmechanismen im Innenbereich des Autos und verhindern, dass der Kopf gegen das Lenkrad oder Armaturenbrett knallt. Aber wie funktionieren diese Notpolster?
Funktion und Aufbau
„Im Prinzip ist ein Airbag ein relativ einfaches Bauteil,“ sagt ÖAMTC-Techniker Stefan Kerbl. „Für die Industrie war die Umsetzung aber recht schwierig, weil nur sehr wenig Zeit zur Verfügung steht, um einen Airbag auszulösen.“ Um den Aufprall überhaupt wahrzunehmen, gibt es Crash-Sensoren. Sie befinden sich, je nach Airbag-System, an der Fahrzeugkarosserie oder direkt im Steuergerät.
Das Airbag-Steuergerät überprüft die Energieversorgung der Zündkreise und ermittelt, welcher Airbag ausgelöst werden soll und setzt den Mechanismus, wenn nötig, in Gang. Dabei helfen verschiedene Sensoren, die entscheidende Messwerte, wie Beschleunigung und Wirkungsrichtung, liefern. Mit diesen Informationen bestimmt es für die Aktivierung der benötigten Airbags den Schweregrad des Aufpralls, die Unfallrichtung und -art. Ob die Insassen angeschnallt sind oder nicht, wird auch berücksichtigt.
Je nach Volumen gibt es 2 Konstruktionen, die unterschiedlich funktionieren. „Der Frontairbag wird nicht mit einer Luftpumpe oder einem Kompressor aufgeblasen, sondern über eine kleine Sprengladung“, erklärt Kerbl. Wird er eingesetzt, fließt vom Steuergerät ein Zündstrom in einen pyrotechnischen Behälter, der eine Zündung auslöst. Bei Auslösung brechen die Sollbruchstellen der Abdeckkappen im Lenkrad oder Armaturenbrett. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde bläst sich der Airbag vollständig auf und kann so Kopf und Oberkörper abfangen.
Kleinere Airbags, wie Knie- oder Seitenairbags, werden über eine Gaspatrone mit Stickstoff oder CO2 aufgeblasen – „ähnlich wie bei den Schlagobers-Flaschen“. Bei Frontairbags würde das Gas aufgrund ihrer Größe nicht schnell genug sein.
Der Airbag selbst ist meistens aus einem strapazierfähigen Polyamidgewebe gefertigt und kompakt zusammengefaltet. Der Stoff ist mit einem Puder beschichtet, um die Reibung bei der Entfaltung und auf der Haut zu verringern. Bei der Aktivierung entsteht dadurch in Kombination mit dem Abgas der „Explosion“ im Inneren des Fahrzeugs eine Art Rauch. Im Innern befinden sich Fangbänder, die den Luftsack beim Aufblasen in seiner Form halten. Auf der Rückseite befinden sich Öffnungen, durch die das Gas später entweichen kann.
Der Safing-Sensor hat die Aufgabe, ein unbeabsichtigtes Auslösen des Airbags zu verhindern. Er unterbricht bei normalen Fahrbedingungen die Zündleitung zum Airbag.
Nebeneffekte des Airbags
Zwar hilft der Airbag schwere Verletzungen und auch Todesfälle zu vermeiden, nichtsdestotrotz ist es nicht mit einem Bettpolster zu vergleichen. Bei einem Unfall kommt er mit einer immensen Wucht entgegen. Die pyrotechnische Entfaltung kann Verletzungen wie etwa Prellungen verursachen und die damit einhergehende Reibung zu Verbrennungen führen. Zudem können Chemikalien, die beim Aufblasvorgang freigesetzt werden, Reizungen in den Augen auslösen.
Der Knall eines Airbags ist 170 Dezibel laut, was aber nicht zu dem sogenannten „Knalltrauma“ führt. Diese Schädigung des Innenohrs kommt nämlich von dem rasanten Druckanstieg im Fahrzeug, wenn ein Airbag sich explosionsartig entfaltet.
Airbag-Arten
- Zu Front-Airbags gehören der Fahrer-Airbag, der sich in der Lenkradplatte befindet und der Beifahrer-Airbag im Armaturenbrett. Sie schützen vor Kopf- und Oberkörperverletzungen. Ob und zu welchem Auslösezeitpunkt der Beifahrer-Airbag ausgelöst wird, entscheidet das Airbag-Steuergerät auf Basis der Informationen, die die Sitzbelegungserkennung und die Gurtschlosserkennung liefern.
- Seiten-Airbags befinden sich meist in den Fahrersitzen und sind mittlerweile für die vorderen Sitze gang und gebe. Sie werden auch Thorax-Airbag genannt und sollen bei einer seitlichen Kollision Brustbereich, Lunge und Becken schützen.
- Kopf-Airbags sind im Dachrahmen des Fahrzeugs eingebaut und sollen Verletzungen von Kopf und Schultern bei einem seitlichen Aufprall verhindern.
- Knie-Airbags sollen Knie und Schienbeine schützen, aber auch verhindern, dass die fahrende Person unter dem Sicherheitsgurt hindurch rutscht.
Korrekte Handhabung
Die richtige Lenkradhaltung, um ein Fahrzeug korrekt bedienen zu können, gab es schon vor den Airbags. Dafür gibt es den Dreiviertel-Drei-Griff: „Wenn man sich das Lenkrad wie eine Uhr vorstellt, dann gehört die linke Hand dorthin, wo der Minutenzeiger steht, und die rechte, wo der Stundenzeiger steht.“ Also müssen die Hände auf halber und gleicher Höhe auf dem Lenkrad sein.
Bei einem Unfall wäre das die korrekte Position. „Dann werden die Hände seitlich weggedrückt vom Airbag und der Kopf kann gut abgestützt werden.“ Das ist zum Beispiel in der Kurve nicht möglich und man bekäme die eigenen Arme ins Gesicht geschleudert. „So hat man schlimmstenfalls einen Bluterguss oder vielleicht eine gebrochene Nase, aber man hat es überlebt mit Verletzungen, die ohne längere Folgen bleiben“, fügt Kerbl hinzu. Raucher*innen sollten auf die Zigarette während der Fahrt verzichten. Werden Airbags ausgelöst, könnten sie die Glimmstängel ins Gesicht werfen, wobei es zu Verbrennungen kommen kann.
Außerdem ist es wichtig, dass der Beckengurt fest sitzt. Der Körper könnte sonst aus dem Sitz gehoben und vom Airbag stark nach hinten geschleudert werden. Das kann ebenfalls zu schweren Verletzungen führen.
Wenn auf dem Beifahrersitz ein Kind in einem rückwärtsgerichteten Kindersitz mitgenommen wird, sollte vor der Fahrt der Beifahrer-Airbag deaktiviert werden. Während einem Unfall könnte der Sitz den Druck des Airbags nicht standhalten und dadurch bei dem Kind zu schweren Kopf- und Nackenverletzungen führen. „Es bekommt dann auch eine Menge der Bewegungsenergie entgegen der Fahrtrichtung ab. Das verstärkt dann noch den Aufprallimpuls und wäre lebensgefährlich“, erklärt Kerbl.
Genaue Haltbarkeit schwer ermittelbar
Wie lange ein Airbag seiner Aufgabe nachkommen kann, ist schwer zu sagen. „Wir haben dazu Tests mit einem 15 Jahre altem Fahrzeug durchgeführt – da hat noch alles so funktioniert, wie am ersten Tag“, sagt Kerbl. Das Problematische ist, dass der Airbag nach dem Auslösen verbraucht ist und nicht ermittelt werden kann, wie lange er noch funktionieren würde. „Das könnte man mit einem Silvesterfeuerwerk vergleichen.“ Eine Garantie für die Haltbarkeit kann es kaum geben.
„Wir gehen davon aus, dass diese Systeme auf jeden Fall 20 Jahre halten und verlässlich funktionieren.“ Laut Kerbl, kann man davon ausgehen, dass die Fahrzeuge zuvor ausfallen, weil sie zum Beispiel ein Motorproblem aufweisen oder es sich nicht mehr lohnt, die Fahrzeuge zu reparieren.
Service-Maßnahmen gebe es keine. Die Funktionsbereitschaft des Airbag-Systems wird ständig über das Diagnosesystem überwacht. „Wenn etwas nicht passt, muss eine Warnleuchte am Armaturenbrett angehen“, sagt Kerbl. In diesem Fall sollte man schnell zu einer Werkstatt. Prüf- und Montagearbeiten sollten ausschließlich von geschulten Profis durchgeführt werden. Nachdem ein Airbag einmal in Verwendung war, kann dieser nicht mehr eingesetzt werden. Daher muss ein Airbag sowie das Steuergerät nach einem Unfall unbedingt ausgetauscht werden.
Was nicht überprüft wird, ist der Zustand des Sprengstoffs, wenn beispielsweise Feuchtigkeit eindringen konnte. Unproblematischer sind Seiten- oder Knieairbags, die mit Stickstoffgas- oder CO2-Patronen ausgerüstet sind.
„In Österreich werden Airbags per se nicht in der Zulassung genannt, aber es ist vorgeschrieben, dass der menschliche Körper bei bestimmten Unfallsituationen maximal diesen und jenen Kräften ausgesetzt sein darf“, erklärt Kerbl. Der Fahrzeugsteller könne das auf andere Weise bewerkstelligen, wie zum Beispiel mit Rallye-Gurten oder einem Sicherheitskäfig. „Der Airbag ist aber mittlerweile ein sehr günstiges, probates und eigentlich auch für Insassen sehr bequemes Mittel, um Sicherheit zu gewährleisten.“ Er ist die meiste Zeit nicht da, stört nicht und entfaltet sich nur, wenn die gefährliche Situation eines Unfalls eintritt.
Altbewährte Technologie
Eine neue Art von Airbags steht nicht in Aussicht, stellt Kerbl fest. „Das Grundprinzip ist seit Beginn das Gleiche. Die Systematik insgesamt wird immer intelligenter und es gibt mehr Airbags.“ Der Vorgang sei nun ökologischer, da wirklich nur die Airbags losgehen, die auch tatsächlich für die jeweilige Situation gebraucht werden. „Dieser primitiv-erscheinende Luftsack ist ein recht valides Mittel, um Sicherheitsprobleme zu lösen, die man im Fahrzeug nicht anders lösen kann.“
Mittlerweile gibt es schon Airbags zwischen den Passagier*innen, damit sich die Körper nicht aneinander verletzen. Kerbl erwartet auch bald Airbags, die in den Frontsitzen eingebaut sind, um Personen auf der Rückbank zu schützen – „das wird immer noch die gleiche Technologie sein.“
Was hingegen „brandaktuell“ sei, sind Anwendungen bei Kindersitzen. „Man sucht nach einem Weg, Kinder von den Airbags profitieren zu lassen.“ Besonders die Kleinsten hätten nichts vom Fahrzeug-Airbag. Laut Kerbl versuchen nun einzelne Kindersitzhersteller das „vollkommen autonom“ zu lösen, „damit der Kindersitz mit eigener Sensorik und eigenem Airbag funktioniert.“
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