iPhone 6 im Test: Ein Smartphone unter vielen
Lange hat sich Apple gegen den Trend zu größeren Smartphones gewehrt. Mit 0,5 Zoll Vergrößerung war der Sprung vom iPhone 4s auf das iPhone 5 nicht ganz so groß. Beim iPhone 5S sträubte sich Apple noch gegen den Trend zu größeren Smartphones. Mit der neuen iPhone-Generation schließt sich der kalifornische Technologiekonzern dem "Größenwahn" an und bringt für Cupertino-Verhältnisse wesentlich größere Smartphones auf den Markt.
Wieder etwas Größer
Während das iPhone 6 Plus in der Phablet-Liga spielt, bleibt das iPhone 6 mit Abmessungen von 138 mal 67 Millimeter und einem 4,7 Zoll-Display immer noch eines der kleineren Flaggschiff-Smartphones. Es fällt damit zwar ein bisschen größer aus als das vielverkaufte Samsung S4, allerdings ein wenig kleiner als das koreanische S5, das HTC One (M8) oder die vergleichbaren Geräte von Sony, Nokia, LG oder Motorola.
Die Vergrößerung schlägt sich auch auf das Gewicht nieder. So bringt das iPhone 6 129 Gramm auf die Waage. Gegenüber der Vorgängerversion ist das eine Zunahme von 17 Gramm. Mit nur 6,9 Millimeter ist es doch deutlich dünner als das iPhone 5S.
Erscheinungsbild
Bei den Tasten und Anschlüssen bleibt Apple seinem bisherigen Konzept treu. Lightning- und 3,5mm-Kopfhörer-Anschluss auf der Unterseite sowie Lauter-/Leiser-Taste und Stummschalt-Kipper auf der linken Seite. Auch die Home-Taste mit integriertem Touch-ID-Sensor bleibt am gewohnten Platz. Lediglich die On-/Off-Taste wandert in der neuen Generation auf die rechte Seite. Aufgrund des größeren Gehäuses soll sie damit wohl, leichter mit einer Hand zu bedienen sein.
Im Gegensatz zu den 4er und 5er iPhones sind die Kanten des iPhone 6 nun stärker abgerundet. Die Verarbeitung ist einwandfrei und nahezu nahtlos, wodurch Apple an die Hochwertigkeit früherer iPhone-Modelle anschließt.
So edel die Vorderseite wirkt, so dürftig erscheint die Rückseite des Smartphones. Die Kunststoff-Linien, die die Aluminium-Oberfläche durchziehen, sind ein Bruch mit dem übrigen Design und wirken keineswegs erstklassig.
Das Schlimmste am Gehäuse ist allerdings die Ausbuchtung der Kamera. Nicht zu Unrecht drängt sich die Frage auf: Was soll denn das? Nun, sie soll eigentlich verhindern, dass die Linse zerkratzt wird. Doch genau diese Befürchtung entsteht erst recht durch das hervorstehende Element. Im Übrigen erscheint es als völlig unverständlich, ein Smartphone zu konzipieren, bei dem sich auf der Rückseite etwas abhebt und hervorsteht. Es wirkt eher wie ein Fehler als ein Feature.
Hands on
Nimmt man das iPhone 6 das erste Mal in die Hand, fühlt man sich durch das abgerundete Gehäuse ein wenig an das iPhone 3GS erinnert. Es liegt gut in der Hand und drückt man es gegen das Ohr, fühlen sich die Rundungen wesentlich angenehmer an, als die vergleichsweise scharfen Kanten der Vorgängerversionen. Auch wenn man am Rand des Smartphones beginnt und in den Screen "hineinwischt" fühlen sich die abgerundeten Kanten wesentlich besser an.
Bedienung
Durch das größere Gehäuse und dem größeren Display ist das iPhone 6 nicht mehr so einfach mit einer Hand zu bedienen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ist allerdings die einhändige Bedienung weiterhin problemlos möglich. Damit sämtliche Tasten sowie Bedienflächen zu erreichen sind, werden relativ große Hände vorausgesetzt.
Anders sieht es natürlich aus, wenn man kleinere Hände hat. Ohne die zweite Hand zu Hilfe zu ziehen, wird man sich schwer tun, den gesamten Touchscreen sowie alle Tasten zu erreichen.
Das Display
Der 4,7 Zoll große Screen kommt mit einer Auflösung von 1334 mal 750 Bildpunkten, was einer Pixeldichte von 326 ppi entspricht. Das ist gleich viel wie beim iPhone 5 und 5S. Rein von den technischen Spezifikationen hinkt Apple hier der Konkurrenz etwas hinterher. Doch in der Praxis kann sich die Bildschirmqualität mehr als nur sehen lassen. Die Textdarstellung ist fast wie gedruckt und Farben und Kontraste werden makellos und natürlich wiedergegeben. Obwohl die Unterschiede zum iPhone 5S kaum ersichtlich sind, kommt die hohe Qualität allein aufgrund des größeren Displays deutlich besser zur Geltung.
Durch das Mehr an Platz ziehen wieder zusätzliche Icons auf dem Home-Screen ein. Waren es beim iPhone 4 noch 16 ( vier Mal vier) und beim iPhone 5 20 App-Symbole (vier Mal fünf), ist nun Platz für sechs Icons in einer Reihe von oben nach unten, wodurch insgesamt 24 Icons (vier Mal sechs) auf dem Home-Screen platziert werden können.
Da sich an der Pixeldichte nichts geändert hat, werden Apps durch das gewachsene Display leicht vergrößert dargestellt. Das ist anfangs zwar etwas gewöhnungsbedürftig, hat man sich allerdings mal darauf eingestellt, gibt es an der etwas größeren Darstellung nichts auszusetzen. Praktisch ist dies vor allem bei der Tastatur, die dadurch leichter und effizienter zu bedienen ist, da Vertipper seltener werden.
Erwähnenswert ist zudem, dass Apple beim Bildschirm dem Seitenverhältnis von 16:9 treu bleibt. Vorteilhaft dabei ist, dass Videos in ebendiesem Format ohne schwarze Ränder wiedergegeben werden und es bei den Apps zu keinen Skalierungsfehlern kommt.
Die Kamera
Leichte Verbesserungen gibt es bei der Kamera. Zwar bleibt die Auflösung, wie schon beim iPhone 5S, bei acht Megapixel, allerdings fällt der Bildsensor mit 1/3'' etwas größer aus. Die Video-Funktion erlaubt nun 1080p-Aufnahmen mit 60 fps und Zeitlupen-Aufnahmen mit 720p und 240 Bildern pro Sekunde. Hinzugekommen ist auch eine Zeitraffer-Funktion.
Aufgefallen bei den ersten Testaufnahmen ist, dass die Kamera deutlich schneller scharfstellt als die Vorgängerversionen. Die Gesichtserkennung soll laut Apple auch rascher funktionieren.
Neu ist, dass eine Belichtungskorrektur durch Wischgesten möglich ist. Auf diese Weise kann die Helligkeit nach oben oder unten korrigiert werden.
Im Gegensatz zu anderen Smartphone-Herstellern passt Apple seine Frontkamera nicht an den Selfie-Trend an und belässt sie mit einer Auflösung 1,2 Megapixel weitgehend unverändert. Allerdings besitzt die "Facetime-Kamera" mit f/2.2 nun eine etwas größere Blende. Für Videotelefonie und dem einen oder anderen Selfie ist die Qualität ausreichend und unterscheidet sich im Vergleich zum iPhone 5S kaum.
Bildqualität
Die Qualität der Bilder ist, wie schon bei den früheren iPhones ein wesentlicher Pluspunkt für Smartphones aus Cupertino. Die Unterschiede zwischen den Fotos von iPhone 5S und iPhone 6 fallen marginal aus. Im Vergleich zum iPhone 5 sind aber dann doch deutliche Qualitätsverbesserungen feststellbar.
Innenleben
Unter der Haube befindet sich Apples neuer 64-Bit-Prozessor A8 der über zwei Kerne und einer Taktfrequenz von 1,38 GHz verfügt. Laut Apple soll er um bis zu 25 Prozent schneller sein als der Prozessor im iPhone 5S. Beim Arbeitsspeicher kommen lediglich 1 GB zum Einsatz.
Dazugekommen ist ein Hilfsprozessor, der sich hauptsächlich auf das Sammeln von Sensordaten konzentriert. Beim Barometer, Beschleunigungsmesser und GPS-Signal entlastet er den Hauptprozessor. In Sachen drahtloser Konnektivität beherrscht das iPhone 6 die WLAN-Standards 802.11a/b/g/n sowie ac und Bluetooth 4.0.
Der Fingerabdrucksensor, der im Home-Button integriert ist, arbeitet gewohntermaßen zuverlässig und bleibt im Vergleich zum iPhone 5S unverändert. Das heißt allerdings auch, dass die Sicherheitsstandards nicht verbessert wurden. In einem Experiment wurde bereits gezeigt, wie die TouchID - immer noch - ausgetrickst werden kann.
Beim internen Speicher ist das iPhone 6 in drei verschiedenen Versionen erhältlich: 16, 64 und 128 GB. Die durchaus beliebte 32 GB Version wurde ausgemustert und ist nicht mehr verfügbar. Einen Slot für eine Micro SD Karte sucht man nach wie vor vergeblich.
Noch nicht verfügbar
Da der NFC-Chip in den iPhones ausschließlich an Apple Pay gebunden ist, können User hierzulande keine zusätzlichen NFC-Features nutzen. Wann und ob Apples hauseigenes Bezahlsystem überhaupt nach Österreich kommt, ist derzeit unklar.
Außerdem muss die Veröffentlichung von Mac OS X Yosemite abgewartet werden, um sämtliche neuen Continuity- und iCloud-Funktionen in vollem Umfang verwenden zu können. Der Großteil der neuen Features, die mit iOS 8 kommen - das von uns an anderer Stelle gründlich getestet wurde - sind unabhängig von der verwendeten Hardware verfügbar.
Nach dem ordentlichen Fehlstart bleibt die neu hinzugekommene Health-App vorerst auch auf wenige Funktionen beschränkt. Obwohl die Health-App in erster Linie mit Daten aus Fitnesstrackern oder ähnlichem Quantified-Self-Geräten gefüttert werden soll, kann das iPhone selbst durch die Vielzahl an Sensoren eine Menge an Daten erheben. Der Beschleunigungsmesser zählt etwa Schritte, während das Barometer mithilfe der Luftdruckunterschiede die Anzahl der Treppenstufen auflistet. Diese Daten werden detailreich in der Health-App gesammelt.
Akku
Da Apple keine Angaben zur Leistungsstärke des Akkus macht, mussten die Reparaturspezialisten von iFixit ran. Sie fanden im iPhone 6 einen 1810 mAh großen Akku mit einer Kapazität von 6,91 Wh.
In der Praxis ist die Akkuleistung nicht schlecht, allerdings auch weit entfernt von einer Revolution. Bei herkömmlicher Verwendung - etwas Telefonieren mitunter auch Videotelefonie, ein bisschen Musikstreaming, ein paar Videos, Facebook, Twitter und etwas Browsen - wird sich die tägliche Kabelverbindung zum Laden des Akkus wohl kaum vermeiden lassen. Beispielsweise waren 24 Stunden nach einer Vollladung bei ebendieser Verwendung etwas weniger als 30 Prozent Akkuleistung verfügbar.
Kosten
Die offene Version des iPhone 6 ist im österreichischen Apple-Store ab 699 Euro zu haben. Dabei handelt es sich um die kleinste Version mit 16 GB internen Speicher. Für 64 GB bezahlt man 799 Euro und die 128 GB-Version kostet 899 Euro.
Wie futurezone-Recherchen zeigten, ist es empfehlenswert iPhones ohne SIM-Lock und Vertragsbindung zu kaufen. Denn die subventionierten iPhones kommen unter Berücksichtigung der damit verbundenen Mobilfunkverträge unterm Strich teurer als die offenen Versionen.
Fazit
Wer sich von Apple bahnbrechende Innovationen oder neue Killer-Features erwartet hat, wird enttäuscht sein. Denn das iPhone 6 ist im Grunde nicht mehr als die logische Weiterentwicklung der Vorgängerversion.
Das kann auch positiv gesehen werden. So ist das nun etwas größer geratene iPhone immer noch ein Spitzen-Smartphone mit brillantem Display und beeindruckender Verarbeitung. Die hervorstehende Kamera ist jedoch ein harter Kompromiss zwischen exzellenter Aufnahmequalität und furchtbarem Design-Fauxpas.
Weder beim Design noch in Sachen Features prescht Apple mit dem iPhone 6 vor. Trotz Kameralinsenpfusch wirkt das Erscheinungsbild immer noch hochwertig und erstklassig.
Statt vorzupreschen macht Apple gegenüber der Android-Konkurrenz nur an Boden gut. Die neuen Highlights wie HealthKit und Apple Pay sind vorerst nicht verfügbar. Gegenüber Smartphones anderer Hersteller, die dem iPhone mittlerweile mehr als ebenbürtig sind, bleibt als einziges Alleinstellungsmerkmal der perfekt umgesetzte Fingerabdrucksensor.
Disclaimer: Das iPhone 6 wurde der futurezone für einen begrenzten Zeitraum von Apple und T-Mobile zur Verfügung.