Microsoft Surface Studio 2 im Test: Mehr als ein iMac
Wer seine analogen Kreationen, seien es Zeichnungen, Musik oder Fotos, auch digital bearbeiten möchte, steht oftmals vor einem Problem. Wie bekomme ich mein Werk möglichst einfach und ohne Qualitätsverlust auf PC, Laptop oder Tablet? Am einfachsten wäre natürlich, es gleich digital zu erstellen, doch Stift und Papier lassen sich oftmals nur schwer ersetzen. Jahrelang gab es nur kostspielige Grafik-Tablets als Alternative. Mittlerweile versuchen aber zahlreiche All-in-One-PCs eine Brücke zwischen analoger und digitaler Welt zu schlagen. Geräte wie HPs Sprout, das über einen 3D-Scanner und ein Projektionsdisplay verfügt, Dells Canvas und Lenovos Yoga A940 ermöglichen es Nutzern, Maus und Tastatur zur Seite zu legen und mit Fingern, Stift und anderen Werkzeugen direkt mit den Inhalten zu interagieren.
Als Vorreiter gilt hier unter anderem Microsofts Surface Studio, das Ende 2016 auf den Markt kam. Was auf den ersten Blick wie ein Windows-Konkurrent zu Apples iMac wirkt, ist viel mehr. Der Nutzer kann den Bildschirm nahezu frei verstellen und dieses wie ein Zeichenbrett nutzen. Neben dem von Surface-Tablets und -Notebooks bekannten Surface Pen kommt auch das Surface Dial zum Einsatz, ein Puck-förmiges Eingabegerät, mit denen verschiedene Funktionen wie Zoom, Farbauswahl und Bearbeitungsverlauf, rasch genutzt werden können. Mit dem Surface Studio 2 lockt Microsoft seit kurzem mit einer runderneuerten Version des High-End-PCs, das vor allem mit aktueller Hardware und Detailverbesserungen aufwarten kann. Die futurezone hat das kostspielige Gerät – das günstigste Modell kostet 4149 Euro – getestet.
All-in-One-PCs richten sich meist an Nutzer, denen Design und Ästhetik wichtig sind. Hier stellt auch das Surface Studio 2 keine Ausnahme dar. Das Gerät wurde trotz seiner guten Hardware-Ausstattung überraschend kompakt und schlicht gestaltet. Der 28-Zoll-Bildschirm im Surface-typischen 3:2-Bildverhältnis ist am Rand lediglich knapp neun Millimeter dünn und zieht vor allem im eingeschalteten Zustand alle Blicke auf sich. Das liegt vor allem an den deutlich verbesserten Helligkeitswerten, die mit bis zu 515 Nits sogar Apples iMac Pro übertreffen sollen. In der höchsten Helligkeitsstufe werden auch die relativ breiten Ränder (zwei Zentimeter) deutlich, die sich im Test allerdings auch als vorteilhaft erwiesen.
Die Ränder vergrößern die Arbeitsfläche, sodass man sich bequemer mit dem Unterarm abstützen kann. Ohnedies hat Microsoft das richtige Mittelmaß zwischen Design und Funktionalität gefunden. Denn auch die Dicke des Bildschirms sowie das – von vorn betrachtet – nahezu unsichtbare Gelenk bietet ausreichend Steifigkeit, dass man sich auch beim kräftigeren Belasten durch Vorbeugen keinerlei Sorgen machen muss.
Der Sockel, der die komplette Hardware beinhaltet, ist mit 25 mal 22 Zentimeter kompakt gehalten und hält sich ebenso dezent im Hintergrund. Leider etwas zu gut: Nach dem Auspacken des Geräts war ich eine Weile davon überzeugt, dass das Surface Studio 2 über keinerlei Anschlüsse verfügt. Beim modernen Anschluss-Minimalismus hätte mich das wenig überrascht. Tatsächlich bietet das Surface Studio 2 aber sogar vier USB-3.0-, einen USB-C-, einen Kopfhörer- sowie einen Ethernet-Anschluss (Gigabit), gut versteckt auf der Rückseite. Die Reihe an USB-Anschlüssen hatte ich beim Auspacken mit den Lüftungsschlitzen verwechselt. Diese sind leider nur umständlich zugänglich und müssen mühsam ertastet werden. Besonders ärgerlich ist das beim SD-Kartenleser, den vor allem Fotografen des Öfteren benötigen werden. Auch den Kopfhöreranschluss werden wohl die wenigsten Anwender auf der Rückseite vermuten.
Microsoft scheint darauf zu hoffen, dass man auf Bluetooth zurückgreift. Als subtiler Wink mit dem Zaunpfahl legt man die drahtlose Surface Maus und Surface Tastatur bei, die in puncto Design gut zum Surface Studio passen. Wer höhere ergonomische Ansprüche hat, sollte sich aber nach Alternativen umsehen, denn die Bluetooth-Tastatur bietet keinerlei Ablagefläche für die Handballen und die Maus verfügt lediglich über drei Tasten und ein einfaches Scrollrad.
Aber wer das Surface Studio 2 vorwiegend mit Maus und Tastatur verwendet, hat ohnehin sein Geld verschwendet. Denn der All-in-One-PC entfaltet seine wahre Funktionalität erst in Kombination mit dem ebenfalls im Lieferumfang enthaltenen Surface Pen. Wie beim Surface Pro und Surface Book lässt sich der Stift sich an der rechten unteren Seite magnetisch befestigen. Ergonomisch ist der knapp einen Zentimeter dicke Surface Pen nach wie vor gewöhnungsbedürftig, insbesondere durch die ebene Fläche an der Längsseite. Diese ist allerdings notwendig, um den Stift magnetisch am Bildschirmrand befestigen zu können. Abgesehen davon macht Microsoft vieles richtig: Mit einem Gewicht von 20 Gramm liegt der Stift gut in der Hand, die Oberfläche bietet zudem guten Halt. Auch die tauschbaren Spitzen gewähren einen gewissen Gestaltungsspielraum.
Bei der Eingabe ist der Stift hervorragend, laut Microsoft werden insgesamt 4096 Druck- sowie 1024 Neigungsstufen erkannt. Mit einer Latenz von 21 Millisekunden sei er sogar der schnellste Digitalstift der Welt. Mittlerweile will Apple diesen Wert unterboten haben – der Apple Pencil sei um eine Millisekunde schneller – an der Alltagstauglichkeit des Surface Pen ändert das aber wenig. Eingaben werden ohne spürbare Verzögerung und präzise erkannt. Lediglich zwei kleine Details verhindern die perfekte Illusion. So gibt es durch das Glas vor dem Bildschirm weiterhin eine spürbare Distanz zwischen Stift und Eingabe. Diese ist zwar vor allem im Vergleich zu vielen Tablets deutlich geringer, aber dennoch weiterhin wahrnehmbar. Zudem vermisst man oftmals haptisches Feedback, das jedoch Gerüchten zufolge in einer neuen Version des Surface Pen nachgeliefert werden könnte.
Dank Windows Ink ist der Surface Pen mittlerweile auch außerhalb offiziell unterstützter Apps nützlich. So können etwa auf Knopfdruck Notizen gemacht oder Bildschirminhalte kopiert und handschriftlich kommentiert werden. Diese Funktionen fühlen sich auf einem mobilen Gerät, wie einem Laptop oder 2-in-1, aber deutlich intuitiver als auf dem All-in-One-PC an. Der Microsoft Store, der offiziell lediglich rund 30 Apps mit Surface-Pen-Support zählt, vermittelt übrigens einen falschen Eindruck. Zahlreiche Software, unter anderem Adobes Photoshop CC und Siemens Solid Edge, die nicht im Microsoft Store zu finden ist, unterstützt den Surface Pen.
Deutlich enttäuschender sieht es beim 110 Euro teuren Surface Dial aus, das lediglich optional erhältlich ist. Das Puck-förmige Zubehör hat den gleichen Durchmesser wie eine große Red-Bull-Dose und lässt sich stufenlos drehen und drücken. Der Microsoft Store zählt derzeit lediglich 20 Programme, die das Surface Dial unterstützen. Doch auch hier variiert der Nutzen stark. Während man in Apps wie Sketchable eine ganze Reihe an Funktionen, beispielsweise Neigung, Bearbeitungsverlauf, Farbe und Dämpfung, kontrollieren kann, lassen sich in vielen anderen Apps nur eine oder zwei Funktionen steuern. So kann man in Spotify lediglich die Wiedergabe pausieren und die Lautstärke anpassen. Die Funktionen lassen sich zwar in den Einstellungen anpassen, der Mehrwert ist aber meist gering.
Die gummierte Rückseite des Surface Dial verlor nach einer Weile zudem an Halt. Da sich der Bildschirm des Surface Studio 2 nicht komplett flach hinlegen lässt, begann das Eingabegerät oftmals zu rutschen. Lästig, da dabei auch Teile der Benutzeroberfläche, beispielsweise das um das Dial angezeigte Funktionsrad in Sketchable, mitwandern und dabei ablenken.
Flott verstellbar
Der Bildschirm lässt sich zwar stufenlos verschieben, das sogenannte „Zero Gravity“-Gelenk bewegt sich jedoch durch Ziehen und Drücken auf einer vordefinierten Bahn entlang. Drückt man den Bildschirm nach hinten, bewegt sich das Gelenk nach oben und der Bildschirm kippt zunehmend in Richtung der oberen Kante. Zieht man den Bildschirm zu sich, findet der umgekehrte Vorgang statt, der Bildschirm legt sich zunehmend als Arbeitsfläche nieder. Dieser Mechanismus hat den Vorteil, dass der Bildschirm in jeder gewählten Position verharrt und sich auch beim Abstützen nicht bewegt (zum Verschieben der Position muss Druck an der Bildschirmkante ausgeübt werden), allerdings schränkt es auch den Gestaltungsspielraum etwas ein. Wer den Bildschirm gerne etwas höher, aber in der gleichen Neigung hätte, kann diese Anpassung nicht vornehmen.
Das Einschalten des Surface Studio 2 ist eine relativ flotte Angelegenheit. Der Bootvorgang dauert lediglich wenige Sekunden, das Aufwecken aus dem Energiesparmodus passiert nahezu verzögerungsfrei. Vor allem wenn Windows Hello zur Gesichtserkennung genutzt wird, reicht bereits das Drücken der Power-Taste aus, um dort weiterzumachen, wo man aufgehört hat. Hier profitiert das Surface Studio 2 auch von der relativ flotten Toshiba-SSD, die im Benchmark gute Ergebnisse erzielen konnte.
CrystalDiskMark (v6.0.2, sequenzielles Lesen/Schreiben): 3129,8/960,7 MB/s
3DMark 11: 16.070 Punkte
PCMark 10: 3.427 Punkte
Microsoft hat das Surface Studio 2 grundsätzlich mit relativ flotter Hardware ausgestattet, allerdings verwundert die Wahl der CPU etwas. Der verbaute Intel Core i7-7820HQ ist üblicherweise vorwiegend in Laptops zu finden. Vermutlich ist die Quadcore-CPU mit einer Verlustleistung von 45 Watt deutlich einfacher zu kühlen als die Desktop-Modelle, die bei 100 Watt oder mehr liegen. Am lästigen Lüftergeräusch kann die energieeffizientere CPU aber ebenso nichts ändern. Im Betrieb ist ständig der Lüfter zu hören, auch bei relativ geringer Auslastung der Komponenten. Ein kleiner Trost ist jedoch, dass selbst unter hoher Last das Notebook-ähnliche Lüftergeräusch kaum das übliche Niveau übersteigt und so zumindest die soliden Lautsprecher nicht übertönen kann.
Ausreichend für Gaming
Die verbauten Komponenten sind mehr als ausreichend, um aktuelle Titel, wie Fortnite, Overwatch und Apex Legends bei einer Auflösung von 3000 mal 2000 Pixel mit hohen Details flüssig zu spielen. Der All-in-One-PC ist zwar nicht als Gaming-PC konzipiert, der Bildschirm füllt dank dem 3:2-Bildverhältnis nahezu den kompletten Sichtbereich und sorgt für ein unerwartet immersives Spielerlebnis. Insbesondere bei Titeln, die aus der Egoperspektive gespielt werden, wie Shooter oder Rennsimulationen, fällt dieser Effekt positiv auf.
Für Kopfschütteln sorgt jedoch die Tatsache, dass man auf eine CPU der Kaby-Lake-Generation setzt, obwohl zum Zeitpunkt der Präsentation bereits Coffee Lake verfügbar war. Die neue Generation würde mehr Kerne (sechs statt vier) und einen höheren Takt bei gleicher Verlustleistung bieten und könnte somit auch die Leistung bei einigen Anwendungen erheblich steigern. Bei der Alltagsleistung mag zwischen dem Laptop-Prozessor und dem im iMac Pro verbauten Intel Xeon W (mit wahlweise acht bis 18 Kernen) kein Unterschied liegen, bei spezifischen Anwendungen, wie Rendern von Video-Aufnahmen oder 3D-Animationen, würden sich die zusätzlichen Kerne aber durchaus bemerkbar machen.
Nicht aufrüstbar
Während die CPU stets gleich ist, bietet Microsoft drei Varianten mit verschiedenen Speicherausstattungen und Grafikkarten an. Das günstigste Modell wird mit Nvidias Geforce GTX 1060, 16 Gigabyte Arbeitsspeicher sowie einer Ein-Terabyte-SSD ausgeliefert. Das flottere Modell setzt auf Nvidias Geforce GTX 1070, 32 Gigabyte Arbeitsspeicher sowie wahlweise einem oder zwei Terabyte an SSD-Speicher. Auf eine Variante mit lediglich acht Gigabyte Arbeitsspeicher verzichtet man glücklicherweise, da wohl nur die wenigsten Surface-Studio-Anwender mit derart wenig Speicher auskommen. Wie bei vielen All-in-One-PCs hat die Wahl des Speichers weitreichende Folgen: Microsoft hat CPU, Grafikkarte und Arbeitsspeicher fix verbaut, diese können nicht getauscht werden. Lediglich die SSD lässt sich auf Umwegen tauschen.
Obwohl das Surface Studio 2 technisch wohl dazu in der Lage wäre, gibt es keine Möglichkeit, einen externen Bildschirm ohne Adapter anzuschließen. Auf der Rückseite befindet sich zwar ein USB-C-Anschluss, dieser unterstützt aber kein Thunderbolt 3, das für den Adapter-losen Betrieb eines externen Monitors über die Schnittstelle erforderlich wäre. Damit fällt auch die Option weg, eine externe Grafikkarte (eGPU) anzuschließen. Das ist aktuell aufgrund der verbauten GPU kein Problem, wer das Gerät aber auch in Zukunft mit aktueller Hardware ausstatten will, wird so stark eingeschränkt.
Der Standing Desk der PCs
Jedes Mal, wenn ich mich vor das Microsoft Surface Studio 2 setze, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Ich sollte doch eigentlich zum Stift greifen und eine neue Konstruktion in der CAD-Software entwerfen, die Fotos vom Wochenende bearbeiten oder es wieder einmal mit After Effects versuchen. Der große flexible Bildschirm und die Stifteingabe fordern mich geradezu heraus. Dass in dem hübsch anzusehenden All-in-One-PC auch leistungsfähige Hardware steckt, beseitigt eine weitere Ausrede. Während der Tests wurde es dann aber doch wieder nur eine schnelle Partie Fortnite oder mehrere Stunden im Browser.
Mit einem Preis von 4149 bis 5499 Euro (das von uns getestete Surface Dial kostet nochmals 110 Euro) dürfte der Reiz für viele Interessenten aber rasch wieder verfliegen. Damit kann man zwar gut mit dem ähnlich kostspieligen Apple iMac Pro konkurrieren, Normalverbraucher bekommen ähnliche Hardware – vom Bildschirm und der Stifteingabe abgesehen – aber deutlich günstiger. Das Surface Studio 2 sollte daher nur von jenen Nutzern ins Auge gefasst werden, die tatsächlich von der hohen Flexibilität in der Bedienung profitieren, beispielsweise Grafiker, Fotografen und Designer.
Wie bei anderen Gerätekategorien darf man aber darauf hoffen, dass bald andere Hersteller mit ähnlichen Geräten zu deutlich günstigeren Preisen nachziehen. Bereits das Lenovo Yoga A940 soll mehr als 1000 Euro günstiger sein als das Surface Studio 2, ein offizieller Termin und Preis für den Marktstart stehen aber noch aus.
Modell:
Microsoft Surface Studio 2
Maße und Gewicht:
Bildschirm: 637,35 × 438,9 × 12,5 mm; Standfuß: 250 × 220 × 32,2 mm; 9,56 Kilogramm
CPU:
Intel Core i7-7820HQ (Quad-Core, 3,5 GHz)
GPU:
Nvidia Geforce GTX 1070 (8 GB GDDR5)
RAM:
32 Gigabyte (DDR4)
Bildschirm:
28 Zoll PixelSense-Bildschirm (IGZO, spiegelnd, 4500 x 3000 Bildpunkte, 3:2, 192 ppi)
Speicher:
1 Terabyte SSD
Sonstiges:
4 x USB 3.0 (Typ A), 1 x USB 3.0 (Typ C), SD-Kartenleser, 1 x Gigabit-Ethernet-Port, 1 x 3,5-mm-Kopfhöreranschluss, WLAN (802.11 a/b/g/n/ac), Bluetooth 4.0, TPM-2.0-Chip, Windows-Hello-Kamera (5 Megapixel, zwei Mikrofone)
Preis:
4999 Euro (getestete Variante, UVP; Surface Pen, Tastatur und Maus im Lieferumfang)