Verschmutzung durch Chemikalien ähnlich schlimm wie Klimawandel
Die Erderwärmung ist eine nie gesehene globale Krise. Doch giftige Chemikalien stellen laut einem kürzlich erschienenen Bericht von Deep Science Ventures (DSV) und der Grantham Foundation eine ähnlich große Gefahr für die Menschheit dar.
Toxische Stoffe sind demnach allgegenwärtig und bedrohen die Gesundheit von Menschen und Ökosystemen. Viele Substanzen stünden in Zusammenhang mit Krebs, Übergewicht, neurologischen Erkrankungen und Fruchtbarkeitsproblemen.
„Vielleicht denken die Leute, dass, wenn man die Straße entlanggeht und die Luft einatmet, Wasser trinkt, Essen zu sich nimmt, Körperpflegeprodukte, Shampoo oder Reinigungsmittel für das Haus und die Möbel nutzt, dass es wirklich fundiertes Wissen und große Sorgfalt hinsichtlich der chemischen Sicherheit dieser Produkte gibt. Aber das ist wirklich nicht der Fall“, sagt Harry Macpherson von DSV gegenüber dem Guardian.
Nicht die Dosis macht das Gift
Über 8 Monate hinweg hat der Forscher mit seinem Team wissenschaftliche Fachartikel zur Toxizität bestimmter Chemikalien analysiert und mit dutzenden Expertinnen und Experten gesprochen. Der daraus entstandene Bericht soll Ansatzpunkte zur Lösung des Problems liefern – vor allem in Form von innovativen Start-up-Ideen, dem zentralen Geschäftsbereich von DSV.
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Den größten Handlungsbedarf sieht der Bericht bei Pestiziden, Körperpflegeprodukten und Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Die weitverbreitete Annahme, dass die Dosis das Gift mache, sei problematisch. Denn sie unterschlage die hochkomplexen Wechselwirkungen vieler chemischer Verbindungen sowie die Gefahr durch Stoffe, die schon in kleinsten Mengen das Hormonsystem beeinflussen könnten.
Pestizide als Gefahr für die Fruchtbarkeit
Pestizide erwiesen sich laut DSV als die bedenklichste Klasse toxischer Chemikalien. Das hängt einerseits mit ihren weitreichenden Auswirkungen auf das Ökosystem und die Biodiversität zusammen. Andererseits sind viele Menschen ihnen besonders ausgesetzt, nachdem weltweit jährlich etwa 3,45 Millionen Tonnen davon eingesetzt werden.
„Wir haben einen ziemlich starken Zusammenhang – Korrelation und Kausalität – zwischen Pestizidbelastung, Fehlgeburten und Menschen, die Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, festgestellt“, betont Macpherson gegenüber dem Guardian.
„Ewigkeitschemikalien“ in Regenwasser und Blut
PFAS sind beliebt zum Beschichten von Textilien und Kochutensilien, da sie wasser- und fettabweisend, sowie hitzebeständig sind. Doch diese als „Ewigkeitschemikalien“ bekannten Stoffe bauen sich in der Umwelt kaum ab, sondern reichern sich mit der Zeit an.
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An vielen Orten auf der Welt seien PFAS in bedenklichen Mengen im Regenwasser nachweisbar. Eine Erhebung der europäischen Umweltbehörde, auf die der Bericht verweist, ergab weiters, dass im Blut von 14,3 Prozent der getesteten Teenager so viel PFAS gefunden wurden, dass Gesundheitsgefahren nicht ausgeschlossen werden könnten. Dazu zählen eine Schwächung des Immunsystems, Einfluss auf das Hormonsystem und ein gesteigertes Krebsrisiko.
Lebensmittelverpackungen und Körperpflege
Außerdem wurden bereits 3.600 synthetische Chemikalien aus Materialien mit Lebensmittelkontakt im menschlichen Körper nachgewiesen. 80 davon seien jedenfalls schwer bedenklich, heißt es im Bericht.
Und es gebe eine „überraschend große Überschneidung“ zwischen den Chemikalien in Kunststoffen und Körperpflegeprodukten, so DSV. Weil letztere direkt auf die Haut aufgetragen werden, gibt es großes direktes Expositionspotential. Außerdem können die entsprechenden Stoffe leicht ins Abwassersystem und damit in den Wasserkreislauf gelangen.
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