Experiment in 1.400 Meter Tiefe soll Dunkle Materie nachweisen
Mit einem neuen Experiment hofft ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung der rätselhaften Dunklen Materie im Universum auf die Spur zu kommen. Mit speziellen Tieftemperatur-Detektoren wollen sie im italienischen Untergrundlabor Gran Sasso in 1.400 Meter Tiefe Signale eines anderen Versuchs überprüfen, der seit 20 Jahren Hinweise auf die Existenz der Dunklen Materie liefert. Bisher ist das mit noch keinem anderen Experiment gelungen.
Rund 85 Prozent der Masse des Universums besteht aus etwas, das Forscher bisher nur hypothetisch beschreiben können: Dunkle Materie. Man weiß, dass sie existieren muss, denn sie wirkt über die Gravitation. Nur mit ihr lässt sich erklären, dass Galaxien zusammenhalten, obwohl diese aufgrund ihrer Rotation eigentlich auseinanderfliegen müssten. Doch wie Dunkle Materie beschaffen ist, ist noch ein großes Rätsel.
Mit zahlreichen verschiedenen Ansätzen wurde in den vergangenen Jahren versucht, Dunkle Materie nachzuweisen - bisher erfolglos. Einzig das Experiment "Dark Matter" (DAMA) in den Laboratori Nazionali del Gran Sasso liefert seit 20 Jahren ein Signal, das auf Dunkle Materie hindeutet, bisher aber noch nie anderweitig bestätigt werden konnte.
Gegenwind
Beim DAMA-Detektor geht man davon aus, dass sich die Erde auf ihrer Bahn durch die in der Galaxie verteilte Dunkle Materie bewegt. Dann hätte sie auf ihrem Weg um die Sonne im Sommer Dunkle Materie-Gegenwind und im Winter entsprechenden Rückenwind. "Ein Detektor auf der Erde sollte bei Gegenwind mehr Ereignisse messen als bei Rückenwind", erklärte Florian Reindl vom Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Technischen Universität (TU) Wien in einer Aussendung. Tatsächlich liefern die aus Natriumiodid bestehenden Detektorkristalle von DAMA entsprechende jahreszeitliche Schwankungen im Signal.
Alles deutet auf Dunkle Materie hin, denn "es gibt keine vernünftige Erklärung für einen Mechanismus, der diese Signalschwankungen auf gewöhnliche Materie zurückführen könnte", sagte Reindl gegenüber der APA. Allerdings kann man bei DAMA nicht unterscheiden, ob es sich bei einem Signal um den Rückstoß an einem Atomkern gehandelt hat oder um eine Wechselwirkung mit den Elektronen der Atomhülle.
Mit dem von italienischen, finnischen, deutschen und österreichischen Forschern geplanten Experiment COSINUS (Cryogenic Observatory for SIgnals seen in Next-generation Underground Searches) soll nun versucht werden, die Ergebnisse von DAMA zu bestätigen. Bei den COSINUS-Detektoren wird dabei ebenfalls Natriumiodid verwendet, um einen Vergleich der Ergebnisse zu ermöglichen.
Minus 273 Grad Celsius
Doch COSINUS wird nicht nur Licht-, sondern auch Wärmesignale registrieren. "Die gängigen Theorien gehen davon aus, dass Dunkle Materie mit den Atomkernen und die meiste gewöhnliche Materie mit der Atomhülle wechselwirkt. Indem man Licht- und Wärme-Signale kombiniert, kann man die beiden Ereignisse auseinanderhalten", erklärte Reindl. Um dies zu ermöglichen, müssen die Detektoren von COSINUS bei Temperaturen nur knapp über dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) betrieben werden.
Wird ein Atomkern im Natriumiodid von einem Teilchen der Dunklen Materie getroffen, so erwärmt sich der Kristall und leuchtet auf, was beides ausgelesen werden kann. Weil das Experiment so anfällig für Störungen ist, muss es extrem gut abgeschirmt werden. Deshalb wird COSINUS nicht nur unter 1.400 Meter Fels tief in einem Berg betrieben, sondern die Detektoren zusätzlich noch mit Wasser geschützt, "weil die natürliche Strahlung im Berg sonst eine Menge Interaktionen mit den Hüllen von Detektoratomen liefern würde".
Angesichts des geringen Wissens um die Dunkle Materie und ihre Wechselwirkungen sind die Unsicherheiten in Experimenten groß. "Wenn wir das DAMA-Signal bestätigen könnten, wäre das der Nachweis, dass Dunkle Materie ein Teilchen ist, das mit normaler Materie wechselwirkt. Das wäre schon ein großer Schritt. Jetzt haben wir die Technologie, um diese Frage zu klären", erklärte Reindl.
Das Forscherteam hat nun grünes Licht für einen der begehrten Plätze im Untergrundlabor erhalten. Voraussichtlich im März soll begonnen werden, den großen Wassertank - ein Zylinder von sieben Metern Höhe und sieben Metern Durchmesser - zu installieren. Die Detektor-Kristalle sind nur ein paar Zentimeter groß, in einer ersten Phase sollen einmal zwölf davon im Zentrum des Wassertanks installiert werden. Die Messungen sollen dann Mitte 2022 starten.