Jugendliche posten weniger Selfies
In Pandemie-Zeiten sind soziale Netzwerke für Jugendliche oft die einzige Möglichkeit, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben und am Gemeinschaftsleben teilzuhaben. Anlässlich des Safer Internet Day am 9. Februar wurde nun eine neue Studie vorgestellt, die zeigt, wie sich das Verhältnis zwischen Jugendlichen und ihrer "digitalen Nabelschnur" gewandelt hat.
Überlegtes Vorgehen
Bei einer Online-Umfrage unter 400 Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren wurde klar, dass es im vergangenen Jahr eine Verschiebung von einer aktiven zu einer eher passiven Nutzung von sozialen Netzwerken gegeben hat. "Früher hat man sich eher eingebracht und Inhalte geteilt. Das ist zurückgegangen", meint Matthias Jax, der Leiter der Initiative Saferinternet.at. Mit Freunden und der Familie Kontakt zu halten, geben mehr Jugendliche als Nutzungsgrund an, als das Teilen lustiger oder interessanter Inhalte.
Wie Barbara Buchegger, die pädagogische Leiterin von Saferinternet.at, erklärt, habe sich diese Entwicklung schon vor der Corona-Krise gezeigt. Es sei also nicht Ausdruck eines Rückzugs in die Isolation, sondern eher dem Wunsch geschuldet, die Kontrolle über das eigene digitale Leben zu behalten: "Jugendliche nutzen soziale Netzwerke also eigentlich sehr überlegt und fast professionell."
Sichtbarkeit
Mehr denn je verwenden Jugendliche mehrere Netzwerke aktiv. Zunehmend beliebt sind u.a. Discord und TikTok (siehe Grafik). Bei einem Großteil der Befragten (51 Prozent) sind es 2 bis 3 Netzwerke, bei 29 Prozent sind es 4 bis 5, bei 15 Prozent mehr als 5. Nur ein soziales Netzwerk nutzen dagegen nur noch 5 Prozent. Jugendliche unterscheiden klarer denn je, wofür sie welches Netzwerk verwenden und passen ihre eigenen Profile entsprechend an.
Das Veröffentlichen von Selfies ist laut den Studienmachern zurückgegangen. Wenn Fotos von sich selbst verbreitet werden, dann am ehesten über Messenger-Dienste, wo sie nicht öffentlich einsehbar sind. Beliebter als dauerhaft in sozialen Netzen veröffentlichte Fotos sind "Stories", die nach einer gewissen Zeit automatisch verschwinden.
Filter
Bei der Beurteilung von online gestellten Fotos und Videos herrscht unter Jugendlichen nüchterner Realismus. 62 Prozent stimmen der Aussage zu, dass so gut wie jeder Beitrag bearbeitet wurde. "Das Ergebnis soll aber einfach aussehen, sonst sei es peinlich", erklärt Buchegger. 36 Prozent sagen, dass sie selbst Filter für Bilder und Videos verwenden, 55 Prozent machen das angeblich nicht.
"Was daraus nicht hervorgeht, ist, ob bereits bei der Smartphone-Kamera und nicht erst in der jeweiligen App ein Filter eingestellt wurde", sagt Buchegger.
Imagepflege
Dass sich Jugendliche in sozialen Netzen besser darstellen, als sie sind, ist für 79 Prozent sonnenklar. Die Wege, um das Online-Image zu pflegen, sind vielfältig. Neben der Gestaltung von Nutzerprofilen und visuellen Beiträgen ist es auch wichtig, welche Beiträge man mit einem "Like" ausstattet, welche Musik-Playlists man verbreitet, welchen Online-Gruppen man angehört und welche Spezialnetzwerke man nutzt (etwa für Videospiele, Anime-Comics, etc.).
Bei den am liebsten verwendeten Netzwerken hat es einige Veränderungen gegeben, wie der zeitgleich zur Studie veröffentlichte Jugend-Internet-Monitor 2021 zeigt. WhatsApp kommt auf nahezu 100-prozentige Verbreitung. Die Befragung hat allerdings noch vor der Affäre rund um neue Nutzungsbedingungen stattgefunden, in deren Folge viele Nutzer WhatsApp verlassen haben.
Eltern statt Workshop
Apropos verlassen: 41 Prozent der Jugendlichen haben ein verwaistes Netzwerkprofil, auf das sie häufig gar nicht mehr zugreifen können. Hier wären laut Saferinternet.at einfachere Löschmöglichkeiten sinnvoll. Insgesamt sieht die Initiative weiterhin großen Aufklärungsbedarf, Workshops sind aber in der Pandemie kaum möglich. Umso wichtiger sei es, dass Eltern sich für die Erlebnisse ihrer Kinder in sozialen Medien interessieren und mit ihnen darüber sprechen, ohne sie zu verurteilen.