Zu Besuch in den historischen Helikopter-Hallen von Leonardo
Ein schöner Arbeitsplatz ist wichtig für das gute Arbeitsklima. Das wissen die Verantwortlichen beim italienischen Rüstungskonzern Leonardo. Kein Wunder also, dass sie die fast 90 Jahre alte historische Werkshalle in Vergiate, Lombardei, in makellosem Zustand halten.
Dass dieser geschichtsträchtige Ort beeindruckend ist, lässt sich nicht abstreiten. Die Halle ist 365 Meter lang und 52 Meter breit, symbolisch für die Anzahl der Tage und Wochen im Jahr. Hier kamen seit dem 2. Weltkrieg erst Flugzeuge, anschließend Motorräder und Busse, später wieder Flugzeuge und jetzt Helikopter in die Endmontage.
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Leonardo ist eines der traditionsreichsten Rüstungsunternehmen Europas und eines der größten der Welt. Ihre Hubschrauber – sowohl im zivilen als auch militärischen Einsatz – fliegen weltweit. Alle 3 Tage verlässt ein Helikopter aktuell die Fertigungshalle in Vergiate. „Das Verhältnis zwischen zivilem und militärischem Einsatz hält sich in der Waage“, erklärt ein Unternehmenssprecher der futurezone während der Besichtigung – von Kriegseinsätzen über Rettung bis hin zu Rundfunk ist alles vertreten.
Wo Österreichs neue Helikopter entstehen
Auch die 36 AW169-Helikopter, die das österreichische Bundesheer Ende 2022 bestellt hat, werden dort gebaut. 5 wurden bisher ausgeliefert, bis Jahresende sollen es 9 sein. Sie lösten die französischen Alouette III ab, die im Mai in den Ruhestand geschickt wurden.
24 dieser Hubschrauber werden in Langenlebarn stationiert, 12 davon werden für Schulungszwecke eingesetzt. Weitere 12 landen in Aigen im Ennstal. Der Mehrzweckhubschrauber soll größtenteils im Rettungsdienst eingesetzt werden, etwa im Hochgebirge oder um Waldbrände zu löschen.
Training in Italien
Die erste Schulung der Einsatzkräfte, von den Mechanikern über Piloten bis zum kompletten Einsatzteam, findet im 10 Autominuten entfernten Leonardo-Standort Sesto Calende am Lago Maggiore statt. Dort werden jährlich Tausende Menschen aus der ganzen Welt ausgebildet.
Dort trainieren die Mechaniker etwa 6 Wochen lang, die Helikopter zu warten. In einer Halle stehen dafür Hubschrauber, an denen täglich geschraubt wird.
Die Einsatzteams nutzen einen Mix aus technischen Hilfsmitteln wie Virtueller Realität und Trainingssimulatoren, um echte Einsätze und Manöver zu trainieren. Die Ausbildung wird genau auf sie abgestimmt – je nachdem, welche Art von Einsatz mit welchem Helikopter geplant ist.
In der Trainingshalle steht dafür etwa eine Kletterwand zur Verfügung, um die Rettung von Menschen am Berg zu trainieren. Dort wird auch trainiert, die Belastung richtig einschätzen zu können, wenn sich Personen aus dem Helikopter abseilen oder eine Trage transportiert wird.
Ein Mechanismus simuliert dafür die Belastung am Kabel. "Das ahmt die Fracht nach, mit der umgegangen wird, wenn ein Einsatzteam transportiert wird", erklärt ein Unternehmenssprecher bei der Besichtigung. Auch Veränderungen der Stabilität des Kabels, etwa durch Wind, können so nachgebildet werden. Das ändert die Balance des Helikopters und die Piloten trainieren, die Maschine sicher, stabil und in der Schwebe zu halten. Diese Situationen im Training körperlich wahrzunehmen, bereitet sie auf den echten Einsatz vor.
In Flugsimulatoren werden zudem verschiedene Situationen geübt, ohne dass sich die Piloten in Gefahr begeben müssen. Ein bisschen sieht das aus, wie ein Fahrgeschäft im Vergnügungspark, an der nötigen Ernsthaftigkeit mangelt es aber nicht. 3 Simulationskapseln rütteln die Piloten durch und spielen verschiedene Flugsituationen und -manöver durch.
Genaue Datenanalyse
Leonardo legt dabei enormen Wert auf Datenauswertung – beim Training wird jeder noch so kleine Fehler und jede ineffiziente Handlung nachträglich anhand dieser Daten analysiert, um individuell auf die Probleme des Teams eingehen zu können.
Das hört allerdings nicht beim Training auf. Täglich erhält Leonardo große Datenmengen mit Informationen über Flüge ihrer Kunden, vorausgesetzt diese teilen die Informationen mit Leonardo.
Damit lässt sich jeder einzelne Flug genauestens analysieren. Sensible Daten, etwa über den Standort, werden nicht übermittelt, da auch militärische Einsätze geflogen werden. Aber es lässt sich ablesen, ob Flüge verbessert werden können. Zeigt sich beispielsweise, dass ein Pilot immer den gleichen Fehler macht oder effizienter fliegen könnte, lässt sich das erkennen. Das kann dann an die Kunden weitergegeben werden – und eventuell eine Nachschulung für den Piloten ermöglichen.
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Eigener Supercomputer
Für die Datenanalyse betreibt Leonardo nicht nur eigene Rechenzentren, sondern einen eigenen Supercomputer. Davinci-1 steht in Genua und wird zusammen mit dem IT-Konzern Atos betrieben. Es ist der drittstärkste Supercomputer in der Luftfahrt-, Rüstungs- und Raumfahrtindustrie, nach jenen der NASA und der japanischen Weltraumagentur JAXA. Neben der Datenverarbeitung werden mit ihm auch digitale Zwillinge der Leonardo-Produkte erstellt und Algorithmen entwickelt, die die Arbeitsprozesse beschleunigen sollen.