Opernsänger als Virenschleudern? So groß ist das Risiko
Der Kulturbetrieb leidet derzeit stark unter den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Schauspielhäuser und Opern haben zu, Konzerte werden abgesagt. Um irgendwann wieder Vorstellungen zu ermöglichen, wird derzeit an einem Leitfaden gearbeitet, der die Voraussetzungen für die Öffnung der Kulturstätten definieren soll.
Gerade in der Oper finden sich dafür natürlich einige Problemherde: Viele Menschen sitzen stundenlang in einem engen, meist schlecht belüfteten Raum. Ihr Blick ist zur Bühne gerichtet, wo je nach Vorstellung zahlreiche Akteure stehen und in Richtung Publikum singen. Nun hat sich der Opernsänger Andreas Schager in einem YouTube-Video an die politischen Entscheidungsträger gewandt. Er will demonstrieren, dass Sänger wie er keine Gefahr für das Publikum darstellen würden.
Töne einatmen
Dafür zeigt er verschiedene Atemtechniken, die beim Singen und Sprechen angewandt werden. Er hält eine brennende Kerze vor sein Gesicht und flüstert. Dabei wird die Kerze durch die beim Sprechen austretende Luft ausgeblasen. Anschließend entzündet Schager die Kerze wieder, hält sie vor seinen Mund und beginnt zu singen. Die Kerze brennt weiterhin. Seine Erklärung: Durch die Gesangstechnik "Inhalare la voce" wird der Ton "eingeatmet". So wird weniger Luft ausgeatmet und er werden keine Luftwirbel erzeugt. So blase man weniger Viren in den Raum, als beim Flüstern eines einzigen Worts, sagt Schager. Damit appelliert er für eine baldige Öffnung der Bühnen.
Ob diese konkrete Behauptung stimmt, sei nicht wissenschaftlich bewiesen, sagt die Virologin Judith Aberle gegenüber der futurezone. Allerdings können infektiöse Viren als kleinste Tröpfchen (Aerosole) in geschlossenen Räumen besonders lange in der Luft schweben und sich verbreiten. Dem stimmt auch Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Wiener MedUni zu. Er geht davon aus, dass beim Singen Aerosole gebildet und ausgestoßen werden.
Schlechte Belüftung
Hutter ist an der Zusammenstellung des Corona-Leitfadens für den Kulturbetrieb beteiligt. Dabei sei das Singen durchaus problematisch und das Ansteckungsrisiko für Publikum und Kollegen groß: "Aerosole fliegen beim Sprechen etwa 1 bis 2 Meter, das dürfte beim Singen deutlich weiter sein. Die Tröpfchen schweben dann weiter als Wolke im Zuschauerraum", so Hutter. Die schlechte Belüftung in vielen Spielstätten sorge zudem dafür, dass sich die Aerosole länger in der Luft halten.
Bevor der Betrieb also wieder aufgenommen werden kann, müsste ein System etabliert werden, bei dem die Bühnenakteure beispielsweise regelmäßig getestet werden. Allerdings gibt Hutter zu bedenken, dass die Maßnahmen nie dafür sorgen werden, dass es gar kein Infektionsrisiko gibt. Man sei sich der prekären Situation für Schauspieler und Sänger aber bewusst und arbeite derzeit auf Hochtouren an einem Konzept, das es ihnen ermöglicht, wieder auftreten zu können.