Warum Pilze eine Wunderwaffe für den Klimaschutz sind
Pilze sind ziemlich genügsam. Sie brauchen nicht viel, um zu gedeihen. Sie sind wichtiger Bestandteil von gesunden Ökosystemen und für viele Menschen ein wertvolles Lebensmittel. Im Kampf gegen den Klimawandel könnten sie eine bedeutende Rolle einnehmen. Einerseits indem sie Wälder größere Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid aufnehmen lassen, andererseits weil man damit mit wenig Aufwand viel Nahrung für Menschen herstellen kann.
Landwirtschaft und CO2-Senke in einem
Wie Forscher*innen der britischen Universität Stirling herausgefunden haben, könnte man mit Pilzen auch wunderbar den Flächenkonflikt zwischen Wäldern und Äckern lösen. Wenn durch Aufforstung landwirtschaftliche Anbauflächen wegfallen, könnte man durch Pilzzucht im Wald eine Hybridlösung schaffen. Sie schlagen vor, bei Aufforstungsprojekten so genannte Mykorrhizapilze stärker zu verbreiten.
Diese Pilze leben im Symbiose mit Bäumen und stehen mit deren Wurzeln in Kontakt. Dadurch vergrößern sie deren Aufnahmefähigkeit um ein Vielfaches. Die Pilze geben Wasser und Nährstoffe an die Bäume weiter und erhalten im Gegenzug Zucker, der durch die Photosynthese entsteht. Bestimmte Mykorrhizapilze verbessern auch die Aufnahme von Stickstoff durch den Baum, wodurch sie mehr CO2 aufnehmen und schneller wachsen.
"Die Biochemiker*innen der Natur"
Typische Mykorrhizapilze sind unter anderem Eierschwammerl oder Steinpilze, die auch in Österreich beliebt sind, erklärt Wolfgang Hinterdobler vom Wiener Biotech-Start-up MyPilz. Durch sie hätten Bäume weniger Schädlinge und weniger Trockenstress. Junge Bäume können von der Symbiose stark profitieren, wenn man die Wurzeln von Setzlingen in eine Lösung mit Pilzsporen taucht. Durch den Vorgang setzt man nicht nur eine Symbiose in Gang, er wirkt auch wie eine Impfung. Er versetzt das Immunsystem des Baumes in einen Zustand, der ihn besser vor anderen Pilzen schützt, die im Schaden zufügen können.
"Pilze sind die Biochemiker*innen der Natur. Sie sind schon lange im Geschäft und wollen nicht einmal Geld für ihre Arbeit", umreißt Mark Stüttler vom Mushroom Research Center Austria die Vorteile von Pilzen. Seiner Meinung nach könne man durch ihren vermehrten Einsatz eine natürliche Art der Land- und Forstwirtschaft betreiben, die Pflanzen ohne Pestizide und Dünger nachhaltig ertragreich und resistent gegen verschiedenste Umwelteinflüsse macht.
Wenig Platz- und Wasserbedarf
Was Pilze als Nahrungsmittel auszeichnet, ist ihr extrem geringer Ressourcenverbrauch. Wie viele aus trauriger Erfahrung wissen, reicht ein feuchter Keller, um etwa Schimmel sprießen zu lassen. Das Wiener Unternehmen Hut und Stiel macht sich den Umstand zunutze und sammelt Kaffeesatz ein, um darauf in einem alten Weinkeller Austernpilze wachsen zu lassen. "Eine große Stärke von Pilzen ist, dass man dafür irrsinnig wenig Platz und Wasser braucht" sagt Manuel Bornbaum. Abgesehen von Kaffeesatz könne man auch Sägemehl oder Holzspäne als Substrat verwenden.
Mykophobe Gesellschaft umstimmen
"Pilze sind das bessere Fleisch", ist der Mitgründer des Unternehmens überzeugt. Wenn man es schaffe, mehr Pilze auf Teller zu bringen und dadurch den Fleischkonsum zu reduzieren, könne man enorme CO2-Einsparungen erzielen. Derzeit herrscht ein ungleiches Verhältnis: Rund 90 Kilogramm konsumiertem Fleisch pro Kopf und Jahr stehen in Österreich rund 3 Kilogramm Pilze gegenüber. Laut Bornbaum liege dies an einer "mykophoben" Gesellschaft. Pilze werden in Österreich oft mit Krankheiten, Gift oder anderem negativ assoziiert. In Asien herrsche dagegen eine eher "mykophile" Einstellung. "In Tokio liegen Baumstapel im Park, wo Menschen sich Pilze abschneiden und daheim kochen", sagt Stüttler. Das Angebot an verschiedenen Pilzsorten sei anderswo auch wesentlich größer.
Das Argument, dass einem Pilze nicht schmecken, versteht Wolfgang Hinterdobler, "aber Pilzproteine sehen am Ende oft gar nicht mehr wie Pilze aus". Stattdessen bilden sie die Basis für Fleischersatzprodukte wie "vegane Chicken-Nuggets". "Auf diese Art könnte man künftig mehr Leute ansprechen. "Ob Pflanzen oder Pilze die Basis bilden, macht keinen Unterschied. Der CO2-Fußabdruck ist jedenfalls bei weitem besser als jener von Fleisch".
Fakten
18,9Millionen
Menschen könnte man laut einer Studie der Universität Stirling pro Jahr ernähren, wenn man Pilze in jenen 4,7 Millionen Hektar Wald züchten würde, die in den vergangenen zehn Jahren aufgeforstet wurden.
Saprophyten
Viele Speisepilze wachsen auf toter organischer Materie, etwa Austernpilze. Dadurch kann man sie auch abseits von Wäldern unter feuchten Bedingungen gut züchten. Mehrere heimische Produzenten verwenden Abfallstoffe als Substrate dafür.