Glänzender Lackporling
© APA/DORIS DANNINGER

Science

Wie man aus Schwammerln Leiterplatten herstellt

Im Biomüll sind Tomatenstücke, Erdäpfelschalen und die Leiterplatte aus dem kaputten Handy. Die zersetzt sich gleichzeitig mit dem Obst und dem Gemüse im Abfall, bis nichts mehr von ihr übrig bleibt. Denn anders als herkömmliche Leiterplatten besteht sie nicht aus Kunststoff oder Hartpapier, sondern aus einem natürlichen Baumpilz.

Normalerweise wird der sogenannte Glänzende Lackporling unter anderem in der traditionellen chinesischen Medizin seit 4.000 Jahren zur Behandlung unterschiedlicher Krankheiten eingesetzt. Ein Forschungsteam des Linz Institute of Technology an der Johannes Kepler Universität (JKU) hat aber auch sein Potenzial als Werkstoff für Elektronik erkannt.

Papierdünne Haut

Das unterirdische Geflecht aus den filigranen Wurzeln des Baumpilzes  – die Myzelien – bildet eine Art Haut, mit der sich der Pilz normalerweise vor Krankheitserregern und anderen Fremdstoffen schützt. Die Forscher Martin Kaltenbrunner und Roland Pruckner und die Forscherin Doris Danniger haben entdeckt, dass sich diese Haut aber auch zu einer widerstandsfähigen Leiterplatte verarbeiten lässt.

„Der Pilz ersetzt, was heute aus Plastik gemacht wird. Die Pilzhaut auf dem Nährmedium lässt sich einfach herunterziehen und trocknen“, sagt Martin Kaltenbrunner von der Abteilung Physik der Weichen Materie der futurezone. Im trockenen Zustand ähnelt die Haut einem Stück Papier und muss als Grundmaterial für Elektronik generell mehrere Anforderungen erfüllen.

„Wenn man eine konventionelle Leiterplatte ersetzen will, muss das Material ähnliche Eigenschaften aufweisen. Es muss temperaturresistent, flach und flexibel genug, mechanisch stabil und elektrisch ausreichend isolierend sein“, erzählt der Physiker. 

Die Leiterplatte

Leiterplatten sind das Herzstück von nahezu allen elektronischen Geräten. Sie sind unter anderem in Handys, Computer, Kameras, Hörgeräten oder Spielkonsolen verbaut und bestehen aus einem elektrisch isolierenden Material, Leiterbahnen und unterschiedlichen elektronischen Komponenten.

Funktion
Die Leiterplatte dient der mechanischen Befestigung der elektronischen Bauteile und zur elektrischen Verbindung der Bauteilanschlüsse.

Energieschonend in der Produktion

Die Pilzhaut erfüllt tatsächlich all diese Bedingungen. Sie hält Temperaturen bis zu 250 Grad Celsius stand und ist zudem flüssigkeitsabweisend. Einmal getrocknet, müssen nur noch die Leiterbahnen aus Kupfer angebracht und die je nach Funktion benötigten Bauteile aufgelötet werden, sagt Kaltenbrunner.

In der Produktion ist die Haut außerdem energie- und ressourcenschonend. Zwar eignet sich laut dem Forscher auch Papier als Leiterplattengrundmaterial, bei der Herstellung werde aber sehr viel Energie und Wasser verbraucht. „Meist muss Papier auch chemisch relativ stark nachbehandelt werden, damit daraus Platinen entstehen können“, sagt er. 

Martin Kaltenbrunner, Forscher an der JKU

Die Pilzhaut hingegen würde lediglich getrocknet – Wasser, Strom und eine Nachbehandlung seien nicht erforderlich. Gleichzeitig brennt die Myzelienhaut nicht so einfach wie Papier. „Das Einzige, was man braucht, sind Abfälle aus Holz, etwa Holzspäne oder Stroh“, sagt Kaltenbrunner. Darauf können die Pilzhäute wachsen. 

Biologisch abbaubar

„Der größte Vorteil ist aber, dass man ein Material mit ähnlichen Eigenschaften wie ölbasierte Kunststoffe schafft, das vollständig kompostierbar ist. Man kann die Leiterplatte also einfach in den Haushaltskompost geben“, ergänzt er – nachdem man das Kupfer davon entfernt hat. Generell sei Nachhaltigkeit eines der größten Themen in Österreich und Europa. Im Speziellen seien die Berge an Elektroschrott besorgniserregend. „Pro Tag sind es 14 Eiffeltürme“, warnt Kaltenbrunner.

Biologisch abbaubare Elektronik, wie die Leiterplatte aus Pilz, könnte diesem Problem entgegenwirken, wenn sie im großen Stil und in Zusammenarbeit umgesetzt würde. „Da sind wir aber noch nicht“, sagt er.

Robotik profitiert auch

Derzeit steckt das Projekt noch in der Frühphase. Herausfordernd sei aktuell noch, dass das Naturprodukt je nach Feuchtigkeit unterschiedlich wächst, sodass die Struktur nicht homogen ist. Für den Industrieprozess sei das suboptimal. „Die Hauptaufgabe besteht darin, das Material so weit zu verbessern, dass es reproduzierbar wird und seine Eigenschaften von Wachstum zu Wachstum nicht variieren“, sagt er.

Die Innovation könnte beispielsweise für Medizinanwendungen relevant sein, etwa für Elektronik, die am Körper angebracht wird und nur für eine bestimmte Zeit funktionsfähig sein muss. Aktuell hält die Pilz-Leiterplatte ein Jahr.

Einfache Sensoren, die etwa den pH-Wert, die Temperatur oder die Feuchtigkeit messen, seien bereits möglich. Neben der Elektronik  könnte zudem die Robotik in Zukunft auf diese Weise nachhaltiger werden. 

Implantate aus biologisch abbaubarem Glas

Wenn Plastik in die Umwelt gelangt, zersetzt es sich mit der Zeit zu umweltschädlichem Mikroplastik, welches auch in den menschlichen Organismus gelangt. Eine Plastikflasche benötigt etwa 450 Jahre dafür. Glas hingegen zerfällt vergleichsweise nur sehr langsam und bleibt  mehrere Jahrtausende robust. Eine Glasflasche kann je nach Umweltbedingungen zwischen 4.000 und einer Million Jahre bestehen.

Um diese beiden Materialien einmal durch eine umweltfreundlichere Alternative zu ersetzen, haben Wissenschafter*innen rund um Xuehai Yan von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ein neuartiges Glas entwickelt, das biologisch abbaubar ist. 

Aus Aminosäuren

Zusammengestellt wird es aus Aminosäuren und sogenannten Peptiden – das sind kurze Ketten der Moleküle. Die werden erhitzt und im Anschluss rasch wieder abgekühlt. Um die Moleküle vor einer hitzebedingten Degeneration zu schützen, werden sie zuvor chemisch noch modifiziert. Schließlich entsteht eine nicht-kristalline Struktur in Form von kleinen Glaskugeln, die einen Durchmesser von einem halben Zentimeter aufweisen.

Das neuartige Material habe laut den chinesischen Wissenschafter*innen die gleichen Eigenschaften wie herkömmliches Glas und sei auch für den 3D-Drucker geeignet. Anders als normales Glas zersetzen sich die Kugeln auf natürliche Weise. Im Kompost brauchen sie etwa ein dreiviertel Jahr, bis sie von Mikroorganismen komplett vertilgt werden. 

Interessant ist das Material insbesondere in der Medizin. Zur Anwendung kommen könnte das biologisch abbaubare Glas beispielsweise für Implantate, die sich mit der Zeit von selbst auflösen. Denn Tierversuche haben gezeigt, dass die Glaskugeln auch im Körper von Mäusen abgebaut werden: nach einem Monat waren sie vollständig aufgelöst. Die Haut der Mäuse habe sich nach dem Eingriff ebenfalls vollständig erholt. 

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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